Mai 2015 |
150515 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Firma SCS Schneider GmbH, die eine dubiose Vorrichtung zur Energieeinsparung anbietet, wird ihr Geschäft bis Ende Juni aufgeben. Dies kündigten die Anwälte des Unternehmens in einem Schreiben an das Oberlandesgericht Frankfurt an. Zugleich erklärten sie die Klage für erledigt, die sie gegen den Kasseler Physiker und Ingenieur Thomas Berger angestrengt hatte, weil er die versprochene Energieeinsparung als Scharlatanerie bezeichnet hatte. Die Internet-Seite, mit der die Firma auf Kundenfang ging, ist bereits gelöscht (siehe Hintergrund).
Bei einer so herbeigeführten Einstellung des Verfahrens würde Berger allerdings riskieren, mit der Hälfte aller Kosten belastet zu werden, die direkt oder indirekt durch den Prozeß entstanden sind und die er allein für sich mit rund 50.000 Euro beziffert. Schon aus diesem Grund hat er der Rücknahme der Klage nicht zugestimmt. Das Gericht beschloß daraufhin am 7. Mai die Einholung eines Gutachtens, das definitiv klären soll, wie effizient bzw. wirkungslos die versprochene Energieeinsparung ist. Nach Sachlage ist mit einer Zurückweisung der Klage zu rechnen, zumal der Bundesgerichtshof in seiner Revisionsentscheidung vom Dezember 2014 bereits deutlich gemacht hat, daß er Bergers Kritik grundsätzlich für zulässig und berechtigt hält (150117).
Die SCS Schneider GmbH vertrieb erfolgreich ein Produkt namens "Ecojet", das bei Heizungsanlagen eine Verbesserung des Wirkungsgrads um sechs Prozent ermöglichen sollte. Es handelte sich um simple Magnete, die an die Heizungsrohre geklemmt wurden. Die versprochene Energieeinsparung kam angeblich durch "Kernspinresonanz" zustande. Der Physiker Berger hatte sich erlaubt, diese und andere Phrasen, mit denen die Firma ihren Werbefeldzug bestritt, als pseudo-wissenschaftlicnen Unsinn zu charakterisieren und vor einem "groß angelegten Schwindel" zu warnen. Die Firma überzog ihn deshalb mit einem ruinösen Prozeß wegen Geschäftsschädigung durch unzulässige "Schmähkritik". Sowohl das Landgericht Kassel als auch das Oberlandesgericht Frankfurt gaben dieser Klage statt, ohne die sachliche Berechtigung der Kritik überhaupt zu prüfen. Berger wurde überdies auf Betreiben der Firma zu hohen Geldstrafen bzw. Ordnungshaft verurteilt, weil er die beanstandete Kritik nicht vollständig aus dem Internet gelöscht habe.
Einer zweiten Verurteilung zu 20.000 Euro Ordnungsgeld oder hundert Tagen Haft entzog sich Berger im September 2014 durch die Flucht nach Frankreich. Von dort aus betrieb er das Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof, nachdem dieser seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben und überdies Prozeßkostenhilfe gewährt hatten. Am 16. Dezember 2014 hoben die Karlsruher Richter die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Am 3. Februar dieses Jahres wurde auch der Haftbefehl außer Kraft gesetzt, so daß Berger nach fünf Monaten zurückkehren konnte. Am 18. März begann die vom Bundesgerichtshof angeordnete Neuverhandlung vor der Außenstelle Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt.