August 2014 |
140811 |
ENERGIE-CHRONIK |
Neben dem stillgelegten Kernkraftwerk Grafenrheinfeld wird künftig diese Anlage die entfallene Blindleistung ersetzen. Ihr Herzstück ist ein Synchrongenerator, der im Leerlauf als Motor ans Netz gekoppelt wird. Grafik: Alstom
|
Die Blindleistung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld, das laut Atomgesetz nur noch bis 31. Dezember 2015 betrieben werden darf, wird durch einen Phasenschieber ersetzt. Wie die deutsche Alstom-Gruppe am 19. August mitteilte, ist sie vom Netzbetreiber TenneT TSO mit der Lieferung einer solchen Anlage beauftragt worden. Im wesentlichen besteht sie aus einem Synchrongenerator mit einer Scheinleistung von 400 MVA, der im Leerlauf ans Netz gehängt wird. Für den Motorbetrieb als Phasenschieber wurde der Generator so angepaßt, daß er regelbare Blindleistung im Bereich von +250 MVar bis -175 MVar sowie Kurzschlußleistung bereitstellt.
Der Phasenschieber wird im neuen Umspannwerk Bergrheinfeld-West installiert, das unweit des Kernkraftwerks entsteht. Er ist Teil des ersten Bauabschnitts, der Ende 2015 fertig sein soll. Unklar bleibt, ob er bereits zur Verfügung stehen würde, falls E.ON – wie im März dieses Jahres angekündigt – das KKW Grafenrheinfeld schon Ende Mai 2015 abschalten sollte (140314).
Das Problem einer ausreichenden Bereitstellung von Blindleistung ergibt sich grundsätzlich, wenn große Kraftwerke ersatzlos stillgelegt werden. Bei der Stillegung des RWE-Kernkraftwerks Biblis wurde es so gelöst, daß man den Generator von Block A (1225 MW) von der Turbine trennte und so umbaute, daß er im Motorbetrieb Blindleistung im Bereich von -400 Mvar bis +900 Mvar liefern kann (110815). Um die Maschine auf die Nenndrehzahl von 1500 Umdrehungen pro Minute zu bringen, bei der die Synchronisation mit dem 380-kV-Netz möglich wird, mußte eine spezielle Anfahrhilfe installiert werden. Der Umbau kostete rund sieben Millionen Euro. Er wurde vom zuständigen Übertragungsnetzbetreiber Amprion unmittelbar nach der Änderung des Atomgesetzes (110601) im Juli 2011 beim Hersteller Siemens in Auftrag gegeben und bis Februar 2012 abgeschlossen. Zunächst sah die Vereinbarung zwischen Amprion und RWE nur einen Betrieb bis Ende 2013 vor. Inzwischen wurde die Laufzeit des Phasenschiebers bis Ende 2018 verlängert.
An der deutsch-polnischen Grenze sollen Phasenschieber verhindern, daß in Norddeutschland erzeugter Windstrom über das polnische Netz seinen Weg nach dem Süden Deutschlands nimmt und es dadurch überlastet (120102). Die beiden zuständigen Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz (Deutschland) und PSE (Polen) hatten sich im Sommer 2012 zunächst auf einen "virtuellen Phasenschieber" geeinigt, der aus eine Reihe von Redispatch-Maßnahmen besteht. Es zeigte sich aber, daß diese Maßnahmen langfristig nicht ausreichen. Die beiden Übertragungsnetzbetreiber vereinbarten deshalb im März dieses Jahres endgültig die Errichtung physikalischer Phasenschieber an den Grenzkuppelstellen. Die PSE verpflichtete sich zur Installierung von Phasenschiebertransformatoren im Umspannwerk Mikulowa, die voraussichtlich ab Dezember 2015 die Kontrolle der Stromflüsse auf der grenzüberschreitenden Leitung Mikulowa – Hagenwerder ermöglichen. 50Hertz wird das Umspannwerk Vierraden mit Phasenschiebertransformatoren ausrüsten, die voraussichtlich ab Oktober 2017 die Lastflüsse auf der grenzüberschreitenden Leitung Vierraden – Krajnik regeln können.