Mai 2014

140512

ENERGIE-CHRONIK


Erster Großauftrag für Hochleistungs-Batterien des Typs "Kolibri"

Die seltsame Geschichte von dem Elektroauto, das einen aufsehenerregenden Langstrecken-Weltrekord aufstellte, ohne daß sich die Automobilindustrie für seine innovative Technik interessierte, hat eine neue Wendung genommen: Wie die Kolibri Power Systems AG am 20. Mai mitteilte, hat sie von Qatar Airways einen Großauftrag für die Lieferung von 70 Hochleistungs-Akkumulatoren mit einem Leistungsvermögen von 1,5 Megawattstunden erhalten. Damit sei ihr "der Durchbruch auf dem internationalen Markt gelungen". Die Batterien sollen die elektrisch betriebenen Gepäckschlepper auf dem neuen internationalen Flughafen des Emirats Katar versorgen. Bei Vergleichstests hätten sie sich als besonders geeignet erwiesen, den harten Umweltbedingungen in Katar mit Temperaturen bis zu 55 Grad und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit standzuhalten. Sie seien überdies nicht nur besonders leistungsstark, sondern auch brand- und explosionssicher.


"Kolibri"-Erfinder Mirko Hannemann

Bei den Akkus für den Flughafen von Katar handelt es sich um dieselbe Technik, mit der im Oktober 2010 ein umgebauter Audi A 2 die 605 Kilometer lange Strecke von München nach Berlin ohne Aufladen bewältigte. Das Elektroauto bezog den Strom aus einer neuartigen Lithium-Metall-Polymer-Batterie, die der damals 29-jährige Mirko Hannemann entwickelt hatte (110109). Mit derartigen Reichweiten würden sich für Elektroautos, die noch immer ein Nischendasein fristen (111217), völlig neue Marktchancen eröffnen.

Zweifel und Verdächtigungen statt Anerkennung

Dennoch scheint sich kein Fahrzeughersteller ernsthaft für die "Kolibri"-Batterie interessiert zu haben, wie Hannemann seine Erfindung bezeichnet. Er wurde vielmehr verdächtigt, bei der Testfahrt getrickst zu haben (etwa von der ADAC-Mitgliederzeitschrift "motorwelt", von deren eigenen Tricksereien man damals noch nichts wußte). Sogar im Bundestag kam es zu einer Nachfrage, da das Bundeswirtschaftsministerium die Testfahrt finanziell unterstützt hatte. "Wir haben nichts Unrechtes getan!" beteuerte Hannemanns Firma DBM Energy damals entnervt in einer Stellungnahme zu dem zwiespältigen Medienecho.

Acht Wochen nach dem Test fiel das Rekordfahrzeug in der Lagerhalle, in der es abgestellt war, unter ungeklärten Umständen einem Brand zum Opfer. Ein daraufhin erstellter Nachbau absolvierte den von unabhängigen Prüfern durchgeführten Sicherheits- und Leistungstest jedoch anstandslos (110414). Die Leistungsfähigkeit der "Kolibri"-Akkus wurde auch vom Bundesamt für Materialforschung und vom VDE bestätigt. Besondere Vorzüge sind der hohe Wirkungsgrad von mehr als 97 Prozent, die Robustheit (temperaturunempfindlich, brand- und explosionssicher) und die Langlebigkeit (mehr als 5000 Zyklen). Damit scheint das Kolibri-System eine ideale Speicherlösung für stationäre und mobile Anwendungen zu sein. Zum Beispiel könnte es auch für die unterbrechungsfreie Stromversorgung, zur Netzstabilisierung (131010) oder als Solarstrom-Speicher eingesetzt werden.

Einziger Nachteil scheint bisher der hohe Preis pro Kilowattstunde zu sein

Allerdings ist die "Kolibri"-Batterie momentan noch deutlich teuerer als andere Akkumulatoren. Das könnte der Grund dafür sein, weshalb ihr die Hersteller von Elektroautos bisher die kalte Schulter zeigen. Die Firma schweigt sich zu diesem Punkt aus. Wenn man den "mittleren einstelligen Millionenbereich", in dem nach Firmenangaben der Auftrag aus Katar für 1,5 MWh liegt, mit fünf Millionen Euro annimmt, würde sich ein Betrag von 3.333 Euro pro Kilowattstunde ergeben. Das ist aber vermutlich zu hoch gegriffen. Die "Wirtschaftswoche" glaubt zu wissen, daß es rund 1.000 Euro pro Kilowattstunde sind. Aber auch das wäre noch ungefähr fünfmal soviel wie die Kosten entsprechender Lithium-Ionen-Akkus.

Mirko Hannemann hat seine 2009 gegründete Firma DBM Energy GmbH inzwischen in die Kolibri Systems AG eingebracht, die seit Mai 2012 im Handelsregister steht und deren größter Aktionär er selber ist. Als Chef des Unternehmens fungiert der Marketing-Fachmann Helmuth von Grolman. Die bei der Rekordfahrt eingesetzte Technologie sei inzwischen "zur Marktreife entwickelt und in einen skalierbaren Produktionsprozeß in Berlin-Adlershof überführt" worden, hieß es in der Mitteilung. Wenn es zu weiteren Großaufträgen und dadurch zu Skaleneffekten kommt, dürfte die Verbilligung der "Kolibri"-Akkus somit nur eine Frage der Zeit sein.

Links (intern)