August 2013 |
130803 |
ENERGIE-CHRONIK |
Weil der Netzanschluß nicht rechtzeitig fertig wurde, müssen die 30 Anlagen des EWE-Windparks jetzt selber mit Strom versorgt werden, anstatt welchen zu erzeugen. Er kommt von einem Diesel-Aggregat, das auf der Umspannstation (links von der Bildmitte) installiert ist. Die Umspannstation wird über ein Hubschrauber-Deck erreicht, das 36 Meter über der Wasseroberfläche liegt. Normalerweise ist sie unbemannt. Foto: EWE/Enova
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Der kommunale Energiekonzern EWE hat am 10. August offiziell die Fertigstellung des Windparks "Riffgat" nordwestlich der Insel Borkum gefeiert. Es handelt sich um den ersten kommerziellen Windpark in der Nordsee, der komplett fertiggestellt werden konnte, und das auch noch ziemlich pünktlich (081216). Allerdings fehlt den 30 Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von insgesamt 108 MW noch die Leitungsverbindung zum Festland, weil der Netzanschluß erst im kommenden Jahr fertig wird. Anstatt Strom zu erzeugen, müssen die Windkraftanlagen deshalb regelmäßig mit Strom gedreht werden, um sie vor Korrosion zu schützen und notwendige Funktionen wie die Beleuchtung sicherzustellen. Die dafür benötigte elektrische Energie liefert ein Diesel-Aggregat, das ohnehin auf der Umspannplattform installiert ist. Der erforderliche Diesel-Verbrauch beträgt monatlich rund 22.000 Liter. Weitaus größer sind jedoch die Kosten, die EWE in Form von Schadenersatzansprüchen geltend machen will und die aufgrund des neuen Offshore-Haftungsgesetzes vermutlich auf die Stromverbraucher abgewälzt werden.
Der vorgesehene Netzanschluß zwischen der Umspannstation des Windparks und dem Umspannwerk Emden/Borssum besteht aus 50 Kilometer See- und 30 Kilometer Landkabel für Drehstrom. Grafik: EWE/Enova
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Die Netzanbindung des Windparks Riffgat ist mit einer Länge von 50 Kilometer zwischen der Umspannplattform und dem Anlandepunkt an der niedersächsischen Küste sowie weiteren 30 Kilometern bis zum Umspannwerk Emden/Borssum relativ kurz (siehe Karte). Im Unterschied zu den meisten anderen Offshore-Projekten in der Nordsee, die per Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) angeschlossen werden müssen, läßt sie sich deshalb mit 115-kV-Drehstromkabeln verwirklichen. Trotzdem schaffte es der Netzbetreiber TenneT nicht, die Verbindung fristgemäß herzustellen, was die EWE aber erst kurz der Fertigstellung des Windparks erfuhr.
Als Grund für die Verzögerung gab TenneT an, daß man die Seekabel-Trasse erst auf eventuell am Meeresboden lagernde Munition überprüfen müsse. Allerdings ist praktisch in der gesamten Nordsee und ebenso in der Ostsee mit Munition zu rechnen, die aus dem zweiten Weltkrieg stammt oder später durch Versenkung "entsorgt" wurde. Bekannte Fundstellen sind sogar auf Seekarten verzeichnet. Die Überprüfung von Kabel- oder Pipeline-Trassen auf Munition und gegebenenfalls die Freiräumung des Untergrunds gehört deshalb zum Standardprogramm.
"TenneT hat offensichtlich interne strukturelle Probleme", meinte EWE-Chef Werner Brinker am 12. August in einem Gespräch mit dem "Nordwestradio" von Radio Bremen. Daß sich die Netzanbindung bis Februar 2014 verzögern werde, habe er erst vor einigen Tagen erfahren. Die entstehenden Mehrkosten werde man auf jeden Fall gegenüber TenneT geltend machen.
Auf die Frage, ob die von EWE geltend gemachten Schadenersatzansprüche aufgrund des neuen Offshore-Haftungsgesetzes (121103) letztendlich von den Stromverbrauchern bezahlt werden müßten, antwortete Brinker ausweichend: "Darüber wird noch mit TenneT zu reden sein. Dieses Gesetz, das Sie ansprechen, ist Anfang des Jahres 2013 in Kraft getreten. Wir müssen jetzt die rechtliche Situation im einzelnen genau beurteilen. Und dann werden wir sehen können, wer welche Kosten trägt."
Für die EWE ist Riffgat das zweite fertiggestellte Offshore-Projekt, da sie sich auch an dem vor drei Jahren eingeweihten Testfeld "alpha ventus" beteiligt hat (100413). Die Projektgesellschaft "Offshore-Windpark Riffgat GmbH & Co. KG" wurde zunächst zu jeweils einem Drittel von dem Entwickler Enova, dem Windkraftanlagenhersteller Enercon und EWE getragen. Als sich der Marktführer Enercon 2008 zurückzog, weil ihm der Einstieg ins Offshore-Geschäft zu riskant erschien, erhöhte die EWE ihre Beteiligung auf 90 Prozent. Den Auftrag zur Lieferung und späteren Wartung der Windkraftanlagen bekam Siemens. Die Anlagen mit einer Nennleistung von jeweils 3,6 MW wurden in einer Wassertiefe zwischen 18 und 23 Meter und in drei Reihen mit einem Abstand von 600 Meter errichtet. Die beanspruchte Gesamtfläche einschließlich einer 500 Meter breiten Sicherheitszone beträgt rund 13 Quadratkilometer. Die 60 Meter langen Flügel der Rotoren drehen sich 89 Meter über der Wasseroberfläche, so daß sich eine Gesamthöhe von 149 Meter ergibt. Die Verankerung erfolgte mit bis zu 70 Meter langen und bis zu 720 Tonnen schweren Pfählen, die in den Meeresboden eingerammt wurden.