März 2013

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ENERGIE-CHRONIK


"Schiefergas hilft auch den USA nur kurzfristig"

Die Schiefergasförderung wird in Europa sicher nicht die Rolle spielen wie in den USA, weil hier die geologischen, geographischen und industriellen Voraussetzungen wesentlich ungünstiger sind. Auch in den USA, wo sie 2012 einen Anteil von 30 Prozent an der Gasförderung erreichte, dürfte die per "Fracking" geförderte Gasmenge schon 2015 ihren Höhepunkt überschreiten und so nur kurzfristig für Entlastung sorgen. Der Rückgang der Schiefergasförderung wird dann den jetzt schon vorhandenen Förderrückgang der konventionellen Erdgasfelder verstärken, so daß die Gasförderung in den USA um das Jahr 2030 vermutlich deutlich unter dem heutigen Niveau liegt. Dieser Ansicht ist die "Energy Watch Group", die am 25. März in Berlin ihren aktualisierten Bericht zur künftigen Versorgungssituation bei fossilen und nuklearen Brennstoffen vorlegte.

Der Erfolg der "unkonventionellen" Erdöl- und Erdgasförderung in den USA seit dem Jahr 2005 sei auf mehrere spezifische Bedingungen zurückzuführen, die nicht verallgemeinert werden könnten. Hierzu gehöre die gut ausgebaute Erdgasinfrastruktur, die hohe direkte Abhängigkeit von Arbeitsplätzen in der Öl- und Gasindustrie, große Potenziale an unkonventionellen Kohlenwasserstoffvorkommen in Gegenden mit sehr geringer Bevölkerungsdichte, finanzielle Anreize für börsennotierte Firmen sowie die Befreiung der Bohraktivitäten der Öl- und Gasindustrie von Umweltregularien, die sonst eine deutliche Einschränkung bewirken würden. So sei vor allem die Förderung von Schiefergas ("shale gas") deutlich angestiegen, nachdem 2005 die Öl- und Gasindustrie durch den "Energy Policy Act" von wesentlichen Auflagen des Trinkwasserschutzes ausgenommen wurde. Der vielleicht wichtigste Faktor sei aber der starke Anstieg der Öl- und Gaspreise seit 2005. Dieser habe zur schnellen Erschließung der günstigsten Vorkommen von Schiefergas und leichtem "tight gas" (Gas in dichtem Gestein) geführt, während der Förderrückgang in den erschlossenen konventionellen Erdöl- und Erdgasfeldern davon unbeeinflußt weiterging.

"Szenarien der Internationalen Energieagentur wenig wahrscheinlich"

Daß die USA ab 2020 durch den hohen Anteil unkonventioneller Erdöl- und Erdgasförderung weitgehend von Gas- und Ölimporten unabhängig werden könnten, wie es die Szenarien der Internationalen Energieagentur (IEA) suggerieren, hält die Studie für unwahrscheinlich. Die IEA-Aussage basiere auf der Annahme, daß der Erdgas- und Erdölverbrauch in den USA deutlich zurückgehen werde und weitere Reserven erschlossen werden. Die unkonventionellen Reserven beruhten aber auf spekulativen Schätzungen und eine entsprechende Förderung sei keineswegs gesichert. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde die Förderung von leichtem "tight oil" zwischen 2015 und 2017 das Fördermaximum erleben und danach zurückgehen. Die Förderung von leichtem "tight oil" werde vermutlich nicht länger als zehn Jahre auf hohem Niveau erfolgen und sich damit als "deutlich überschätzte Blase" erweisen. Die USA würden deshalb auch nicht zum Erdölnettoexporteur aufsteigen. Generell werde die weltweite Erdölförderung werde sehr wahrscheinlich bis 2030 um etwa 40 Prozent gegenüber 2012 zurückgehen.

"Auch in Rußland ist die Gasförderung der größten Felder bereits rückläufig"

Auch sonst sei die globale Versorgungslage mit fossilen und atomaren Rohstoffen sehr angespannt, heißt es in der Studie. Die europäische Gasförderung befinde sich seit dem Jahr 2000 im Rückgang. Dieser werde sich bis 2030 noch verstärken, wenn Norwegen das Fördermaximum überschritten habe. Um den Erdgasbedarf Europas auf heutigem oder leicht steigendem Niveau bei sinkender heimischer Förderung zu bedienen, müßten bis 2020 jährlich mehr als 200 Milliarden Kubikmeter zusätzlich importiert werden. Rußland sei heute nach den USA der zweitgrößte Gasförderstaat. Doch auch dort sei die Gasförderung der größten Felder bereits im Rückgang und der heimische Bedarf groß. Mit neuen Verbindungen nach Asien wachse der Druck auf die europäischen Länder.

"Bei Kohle wird die Qualität spürbar schlechter"

Der schnell steigende Bedarf an Kohle werde fast ausschließlich durch Australien und Indonesien gedeckt. Die künftige Versorgung des internationalen Kohlemarktes werde vor allem von der Entwicklung in diesen beiden Staaten abhängen. Indonesien habe in den letzten Jahren die Förderung und die Exporte in einem Tempo ausgeweitet, das nicht beibehalten werden könne. In China wachse der Kohlebedarf schneller als die heimische Förderung, weshalb dieses Land, das vor wenigen Jahren noch Kohle exportierte, inzwischen neben Japan zum größten Importeur von Kohle wurde. Infolge der starken Nachfrage aus China und Indien werde die weltweite Kohleförderung um das Jahr 2020 das Fördermaximum erreichen. Die Qualität der Kohle werde spürbar schlechter

"Energy Watch Group" versteht sich als Korrektiv zu den amtlichen Prognosen

Die "Energy Watch Group" (EWG) wurde 2006 auf Betreiben des Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell (Grüne) als "internationales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern" gegründet und trat erstmals 2007 an die Öffentlichkeit. Sie versteht sich als Korrektiv zu den Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris, die ihrer Ansicht nach zu sehr den Interessen von Energiewirtschaft und Regierungsorganisationen verpflichtet sind. Träger ist die Ludwig-Bölkow-Stiftung in Ottobrunn bei München. "Beratende Unterstützung" gewähren die Lobbyorganisationen Eurosolar und Weltrat für Erneuerbare Energien (WCRE). Von den 22 wissenschaftlichen Mitgliedern stammt die Hälfte aus Deutschland. Zu ihnen gehört auch der Vorsitzende Werner Zittel, der die Studie mit drei weiteren Autoren verfaßt hat und sie jetzt in Berlin vorstellte.

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