Juli 2012

120709

ENERGIE-CHRONIK


Nutzung von Bahnstrom-Trassen für den Netzausbau wäre technisch möglich, aber kaum sinnvoll

Die Nutzung der Bahnstromtrassen für den Ausbau des Netzes der allgemeinen Stromversorgung wäre prinzipiell möglich, aber mit technischen Problemen und hohen Kosten verbunden. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das die Bundesnetzagentur am 2. Juli veröffentlichte. Es dämpft damit Erwartungen, den Neubau von Hochspannungstrassen und die damit verbundenen Probleme durch Nutzung der bestehenden Bahnstromtrassen vermeiden zu können.

Das deutsche Bahnstrom-Fernleitungsnetz wird mit einer Spannung von 110 Kilovolt und der Frequenz von 16,7 Hertz betrieben. Mit einer Gesamtlänge von rund 7.400 Kilometer ist es das einzige Stromnetz, das sich über die gesamte Bundesrepublik erstreckt. Seine Trassen könnten sich deshalb dazu eignen, etwa den im Norden erzeugten Windstrom in die Verbrauchszentren um Stuttgart oder München zu leiten.

Parallelführung über gemeinsames Mastgestänge würde HGÜ-Technik erfordern

Das Gutachten untersuchte grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Bei Variante A bleibt das Netz der Bahnstromversorgung in seiner bisherigen Form unverändert, wird aber durch Hochspannungsleitungen der allgemeinen Stromversorgung auf derselben Trasse ergänzt. Bei Variante B wird es ganz oder teilweise abgebaut, so daß die Trasse komplett für den Netzausbau der allgemeinen Stromversorgung zur Verfügung steht. Die Oberleitungen der elektrifizierten Bahnstrecken würden dann ersatzweise über Frequenzumrichter aus dem Netz der öffentlichen Versorgung gespeist.

Am ehesten realisierbar erscheint den Gutachtern eine Parallelführung von Bahnstrom und Allgemeinstrom auf einem gemeinsamen Mastgestänge. Bei Verwendung von 380-kV-Drehstrom würde sich jedoch durch das elektrische und magnetische Feld eine starke Beeinflussung der Bahnstromkreise ergeben, was diese Lösung nur für kurze Strecken bis etwa 50 Kilometer geeignet macht. Außerdem müßten die neuen Kombi-Masten wesentlich höher und der Schutzstreifen breiter werden als bisher. Deshalb schlagen die Gutachter vor, den Stromtransport per Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) zu bewerkstelligen.

Erdkabel oder Einbindung der Bahnstromversorgung ins öffentliche Netz kämen viel zu teuer

Anstelle von Freileitungen auf einem gemeinsamen Mastgestänge mit den Bahnstromleitungen wäre auch die Verlegung von Erdkabeln technisch möglich. Bei Drehstromkabeln müßten aber im Abstand von 25 bis 30 Kilometern Drosselspulen aufgestellt werden, um die Blindleistung zu kompensieren. Der dadurch insgesamt entstehende technische Aufwand und die daraus resultierenden Kosten machen diese Lösung ungeeignet. Bei HGÜ-Erdkabeln gäbe es die kapazitiven Probleme nicht, aber die Kosten wären noch höher.

Die Beseitigung einzelner Bahnstromtrassen unter Erhaltung eines reduzierten, aber zusammenhängenden Bahnstromnetzes halten die Gutachter für unrealistisch. Die teilweise oder komplette Dezentralisierung der 16,7-Hertz-Bahnstromversorgung durch ihre Einbindung ins 50-Hertz-Netz der öffentlichen Stromversorgung wird aus Kostengründen ebenfalls verworfen.

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