Juli 2012

120706

ENERGIE-CHRONIK


EnBW schließt Gasliefervertrag mit Rußland

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) wird ab Oktober dieses Jahres für jährlich 600 Millionen Euro Gas aus Rußland beziehen. Wie sie am 12. Juli mitteilte, hat sie einen entsprechenden Liefervertrag "mit einem ausländischen Gasproduzenten" geschlossen. Offenbar handelt es sich dabei um Novatek, den größten der kleineren russischen Gasförderer neben Gazprom. Der Vertrag habe eine Laufzeit "von mindestens zehn Jahren". Die Liefermenge betrage rund 1,9 Milliarden Kubikmeter jährlich. Für tausend Kubikmeter wird die EnBW demnach 316 Euro bezahlen.

Die angegebene Liefermenge von rund 1,9 Milliarden Kubikmeter jährlich entspricht rund 21 Milliarden Kilowattstunden. Das ist fast ein Drittel des bisherigen Gasabsatzes der EnBW, der im Geschäftsjahr 2011 insgesamt 57,4 Milliarden Kilowattstunden betrug. Wie das Unternehmen weiter mitteilte, ist die kontrahierte Gasmenge "flexibel im Bezug einsetzbar". Durch "gesicherte Gasspeicherkapazitäten wie in Etzel" sei auch für Flexibilität bei der Vermarktung gesorgt. Gemeint ist der Speicher Etzel in Ostfriesland, der inzwischen auf 36 Kavernen für Erdgas und 23 für Rohöl erweitert wurde. Zwei dieser Kavernen werden ab 1. August von der EnBW Etzel Speicher GmbH kommerziell betrieben.

Schon im vergangenen Jahr wurde mit Novatek intensiv verhandelt

Unklar bleibt, weshalb die EnBW den Namen des "ausländischen Gasproduzenten" nicht nennen wollte, obwohl beiden klar sein mußte, daß er leicht zu erraten war. Zum einen betreibt der Kreml schon seit längerem eine Doppelstrategie zur Ausweitung seines wirtschaftlichen Einflusses in Westeuropa, indem er wahlweise Gazprom oder Novatek vorschickt. Zum anderen hat die EnBW erst vor einem Jahr intensiv mit Novatek über den gemeinsamen Bau von Gaskraftwerken und andere Geschäfte verhandelt. Sie erwog sogar, von ihrer Option auf 49-Prozent an der ostdeutschen VNG bis zu 25 Prozent Novatek zu überlassen. Als Gegenleistung hätten Gazprom und Wingas in der VNG-Hauptversammlung darauf verzichten müssen, die Ausübung der bis Jahresende befristeten Option auf die EWE-Beteiligung an VNG weiterhin zu blockieren (110702).

Nach Veröffentlichung der EnBW-Mitteilung stieg der Kurs der Novatek-Aktie in Moskau binnen einer Woche um fast zwölf Prozent. Der Liefervertrag signalisiert, daß der Kreml das seit 2006 gesetzlich verankerte Exportmonopol von Gazprom (060706) zumindest auflockern möchte. Der Hauptgrund dafür dürfte seine in Westeuropa verfolgte Geschäftsstrategie sein, die sich mit zwei oder mehreren Exportunternehmen besser durchsetzen läßt. Außerdem könnte der Kreml an der gezielten Förderung eines kleineren Konkurrenten interessiert sein, um Gazprom effizienter zu machen. Der Staatskonzern vergeudet nämlich – von der landesüblichen Korruption mal abgesehen – viel Geld und Ressourcen. Zur Aufbesserung seiner Finanzlage will er schon seit längerem die inländischen Gaspreise erhöhen, was das ohnehin nicht große Ansehen der Kreml-Führung bei der russischen Bevölkerung weiter beeinträchtigen würde.

Novatek ist jedenfalls kein "unabhängiges" Gasunternehmen, wie es in westlichen Medien oft dargestellt wird, und kein echter Gegenspieler von Gazprom. Daran ändert auch die Beteiligung des französischen Energiekonzerns Total nichts, der im März vorigen Jahres 12,09 Prozent der Aktien übernahm und innerhalb der nächsten drei Jahre weitere 7,4 Prozent erwerben wollte. Verkäufer waren die beiden Oligarchen Michail Michelson und Gennadi Timtschenko, denen das Unternehmen größtenteils gehört. Vor allem der letztere gilt als enger Freund des Präsidenten Putin, den er bereits aus KGB-Zeiten kennen soll. Die Gazprom besaß früher eine Beteiligung von knapp zwanzig Prozent, hat sie aber neuerdings auf die Hälfte reduziert.

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