November 2011 |
111103 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der E.ON-Konzern hat Verfassungsbeschwerde gegen den Atomausstieg erhoben. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte, daß die Beschwerde am 15. November einging. Der Konzern gab dazu keine Mitteilung heraus. Aus seinem dritten Zwischenbericht für 2011 geht aber hervor, daß er "den Atomausstieg in der nun gesetzlich geregelten Form für unvereinbar mit unserem durch die Grundrechte geschützten Eigentum und der Berufs- und Gewerbefreiheit" hält. In jedem Falle sei "ein solcher Eingriff ohne Gewährung einer Entschädigung für die entzogenen Rechte verfassungswidrig, so daß wir den gebotenen Ausgleich für den mit diesen Entscheidungen verbundenen Vermögensschaden in Milliardenhöhe erwarten".
Die Klage bezweckt also die Zahlung von Schadenersatz. Dem Vernehmen nach halten Konzernkreise eine Summe im "oberen einstelligen Milliardenbereich" für angemessen. Das Bundesverfassungsgericht wird allerdings, sofern es die Beschwerde zuläßt, nur über die Verfassungsmäßigkeit des Atomausstiegs befinden. Mit Schadenersatz kann E.ON erst rechnen, wenn das Gericht der Beschwerde stattgegeben hat und dadurch der Gesetzgeber in der Pflicht ist, die KKW-Betreiber in mehr oder minder großem Umfang zu entschädigen.
Der RWE-Konzern erwägt ebenfalls eine Klage, um Schadenersatz zu erreichen. "Wir prüfen das zur Zeit sehr intensiv", sagte Vorstandsmitglied Gerd Jäger am 21. November in Biblis. Eine Entscheidung werde in den kommenden Wochen getroffen.
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall, der mit der Abschaltung von Krümmel und Brunsbüttel in Deutschland aus dem Kreis der KKW-Betreiber ausgeschieden ist, geht einen anderen Weg: Er will noch vor Weihnachten Deutschland vor dem Washingtoner Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten (ICSID) wegen des Atomausstiegs auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagen. Laut "Handelsblatt" (2.11.) ist die Klageschrift so gut wie fertig.
Als ausländischer Konzern will sich Vattenfall auf die Investitionsschutzregeln in Artikel 10 des internationalen Energiecharta-Vertrages (ECT) berufen. Dieser Vertrag, der seit 1991 als "Europäische Energie-Charta" konzipiert wurde und im April 1998 in Kraft trat (980405), war ursprünglich einmal dazu gedacht, die Rohstoffe Rußlands mit westlichem Kapital und Know-how zu nutzen. Diesen Zweck erfüllte er aber nicht, da Rußland ihn nicht ratifiziert hat und die darin enthaltenen Bestimmungen lediglich nach eigenem Gusto gelten läßt. Deutschland hat ihn allerdings neben vielen anderen Staaten ratifiziert, womit er für die Bundesrepublik bindend ist.
Vattenfall hat schon einmal die Bundesrepublik vor dem Washingtoner Schiedsgericht verklagt. Damals wollte der Konzern 1,4 Milliarden Euro Schadenersatz wegen der Auflagen für das in Hamburg geplante Steinkohlekraftwerk Moorburg. Es kam dann jedoch im August 2010 zu einem Vergleich mit der Bundesregierung, worauf Vattenfall das ICSID-Schiedsverfahren nicht weiter betrieb (100812). Im März dieses Jahres wurde es schließlich eingestellt. Der genaue Inhalt des damals geschlossenen Vergleichs wurde nie bekannt. Es läßt sich deshalb nicht ausschließen, daß er möglicherweise doch auf eine Art Schadenersatz hinauslief.