August 2011

110809

ENERGIE-CHRONIK


Tiefenbegrenzung bei Erdwärme-Bohrungen soll Gebäudeschäden verhindern

Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) kündigte am 18. August an, Bohrungen im Rahmen der sogenannten oberflächennahen Geothermie nur noch bis zur ersten Grundwasserschicht zuzulassen. Er reagierte damit auf Gebäudeschäden, die in Leonberg infolge der Niederbringung einer Erdsonde auftraten. Die beauftragte Firma hatte etwa achtzig Meter tief in die Erde gebohrt. Ein paar Tage später, in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli, traten an zwei Dutzend Gebäuden Risse auf. Ursache war offenbar, daß die Bohrung zwei Grundwasser-Schichten miteinander verbunden hatte. Nachdem das obere Grundwasser in die untere Schicht gelaufen war, entstand ein Hohlraum, der einbrach und eine Senkung des Geländes zur Folge hatte.

Mit der generellen Tiefenbegrenzung bis zum ersten Grundwasserstockwerk will das Ministerium solche stockwerksübergreifenden Bohrungen verhindern, die bei unsachgemäßer Ausführung mehrere Grundwasserschichten miteinander in Kontakt treten lassen. Untersteller räumte ein, daß damit die Wirtschaftlichkeit mancher Bohrvorhaben in Frage gestellt werde. In Bayern praktiziere man aber diese Regelung bereits, und trotz dieser Beschränkung habe sich auch dort ein Markt für erdgekoppelte Wärmepumpen entwickelt. Die Beschränkung der oberflächennahen Geothermie auf geringere Tiefen könne im übrigen auch wieder zurückgenommen werden. Voraussetzung seien aber praxistaugliche Vorschlägen der Geothermie-Branche, wie Qualitätsstandards bei Bohrungen künftig eingehalten und wie Geschädigte bei Verstößen schnell entschädigt werden können.

Der Minister machte zugleich deutlich, daß die die betroffenen Hausbesitzer nicht mit Unterstützung durch die Landesregierung rechnen können. Zunächst sei der Verursacher in die Pflicht zu nehmen. In Leonberg liege der Fall anders als in der südbadischen Stadt Staufen, wo sich das Land zu finanzieller Hilfe bereit erklärt hat. In Staufen sind in den vergangenen drei Jahren durch das Aufquellen einer Gipskeuper-Schicht etwa 260 Häuser der Altstadt beschädigt worden. Als Ursache gilt auch hier eine unsachgemäß durchgeführte Erdsonden-Bohrung, die den Gipskeuper mit Wasser in Verbindung gebracht hat (090415).

Branche befürchtet "Vertrauensverlust in der Bevölkerung"

Die Branche, die bereits seit der Affäre in Staufen um Geschäft und Image bangt, reagierte auf den neuen Alarm offensiv: In einer Pressemitteilung vom 2. August forderte der GtV-Bundesverband Geothermie eine "umfassende Aufklärung der Vorkommnisse in Leonberg". Die Sektion "Oberflächennahe Geothermie" des Bundesverbandes Geothermie biete dabei ihre uneingeschränkte fachliche Unterstützung an. Man messe der Aufklärung große Bedeutung bei, um künftig Vorfälle wie in Leonberg vermeiden zu können. Deutschlandweit seien bereits rund 300.000 Projekte der oberflächennahen Geothermie erfolgreich ausgeführt worden. "Diese Erfolgsgeschichte der oberflächennahen Geothermie darf nicht durch einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung verspielt werden".

Die Tiefenbegrenzung will der Verband allerdings nicht akzeptieren. Er sieht darin eine "voreilige und den Tatsachen nicht angemessene Reaktion von Politik und Verwaltung". Für den 26. August lud er zu einer Pressekonferenz nach Stuttgart ein, auf der zwei Vertreter der Sektion "Oberflächennahe Geothermie" die Einrichtung einer Info-Hotline für Geothermie-Geschädigte bekanntgaben und die Gründung eines Hilfsfonds in Aussicht stellten. Sektionsvorstand Jakob Sierig sagte, daß in Baden-Württemberg schon mehr als 10.000 Anlagen der oberflächennahen Geothermie verwirklicht worden seien. Das seien 30 Prozent aller Anlagen in Deutschland. Baden-Württemberg liege damit im Ländervergleich weit vorn. Die Tiefenbegrenzung betreffe landesweit vermutlich 500 bis 1000 Geothermiebohrungen. Wenn es dabei bleibe, würden "in spätestens drei Monaten die Hälfte aller Bohrfirmen im Südwesten pleitegehen".

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