Dezember 2008 |
081213 |
ENERGIE-CHRONIK |
Ein örtlicher Erdgasversorger hat in seinem angestammten Versorgungsgebiet eine marktbeherrschende Stellung und unterliegt daher bei der Gestaltung seiner Endverbraucherpreise der Mißbrauchsaufsicht der Kartellbehörden. Mit dieser Begründung hob der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs am 10. Dezember ein vorangegangenes Urteil des Oberlandesgerichts Celle auf, das die Landeskartellbehörde Niedersachsen zur Rücknahme einer Mißbrauchsverfügung gegen die Stadtwerke Uelzen verpflichtet hatte. Das höchste Gericht beseitigte damit zugleich eine erhebliche Verwirrung und Rechtsunsicherheit, die durch seine eigene Rechtsprechung entstanden war.
Die Stadtwerke Uelzen hatten nach Feststellung der Landeskartellbehörde in
der Zeit vom 1. November 2005 bis 31. März 2006 mißbräuchlich überhöhte
Jahresgesamtpreise gefordert. Sie waren deshalb verpflichtet worden, den Kunden die
zuviel erhobenen Gaspreise mit der Jahresabrechnung 2006 zurückzuerstatten. Es
handelte sich dabei je nach Zeitraum und Abnahmemenge um Beträge zwischen 0,3
und 0,5 Cent/kWh.
Das Oberlandesgericht Celle hatte indessen der Beschwerde der Stadtwerke Uelzen stattgegeben
und die Verfügung der Landeskartellbehörde aufgehoben, weil Gasversorgungsunternehmen
keine marktbeherrschende Stellung hätten. Die Stadtwerke seien vielmehr auf dem
allgemeinen Angebotsmarkt für Wärmeenergie tätig, auf dem sie mit Anbietern
konkurrierender Energieträger wie Heizöl, Strom und Fernwärme im Wettbewerb
stünden.
Das Gericht berief sich bei dieser Fiktion, die wenig mit der Realität zu tun
hat, auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2007 (070614),
in dem tatsächlich mehrfach von einem Substitutions-Wettbewerb auf dem Wärmemarkt
die Rede war. Zum Beispiel hieß es da:
"Zwar ist die Beklagte im Bereich der Stadt H. der einzige Anbieter von leitungsgebundener Versorgung mit Gas und daher auf dem Gasversorgungsmarkt keinem unmittelbaren Wettbewerb ausgesetzt. Sie steht aber - wie alle Gasversorgungsunternehmen - auf dem Wärmemarkt in einem (Substitutions-)Wettbewerb mit Anbietern konkurrierender Heizenergieträger wie Heizöl, Strom, Kohle und Fernwärme."
Für den damals verhandelten Fall, in dem ein pensionierter Richter gegen die Stadtwerke Heilbronn klagte, waren diese Bemerkungen nicht von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Sie tauchten deshalb auch nicht in den Leitsätzen der Urteilsbegründung auf. Das Oberlandesgericht Celle nahm sie jedoch am 20. November 2007 zum Anlaß und zur Begründung, den Stadtwerken freie Hand bei Gaspreiserhöhungen zu geben, da sie laut höchstinstanzlicher Rechtsprechung im Wettbewerb mit anderen Anbietern stünden.
Am 19. Februar 2009 folgte das Oberlandesgericht Frankfurt ebenfalls dieser Lesart des BGH-Urteils. Es rechtfertigte damit die Dumping-Gaspreise, mit denen die HEAG Südhessische Energie AG eine Strafaktion gegen den kleinen Kommunalversorger GGEW gestartet hatte, der dem großen Nachbarn geschäftlich mehrfach in die Quere gekommen war (080415).
"In Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung" – so hieß es wörtlich in der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs – habe der Kartellsenat in dem nun verkündeten Urteil "den Markt für die Versorgung von Kleinkunden mit Erdgas als maßgeblich angesehen. Einen einheitlichen Wärmeenergiemarkt gebe es nicht, weil der Endkunde seine Heizung nicht ohne weiteres von Gas auf eine andere Heizenergie umstellen könne."
Der Wortlaut des neuen BGH-Urteils (KVR 2/08) lag zum Jahresende noch nicht vor.
In einem weiteren Urteil vom vom 17. Dezember entschied der Bundesgerichtshof, daß Preisanpassungsklauseln den Gaskunden benachteiligen, wenn sie nicht hinreichend klar und verständlich sind. Konkret beanstandete er die Formulierung "Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarifpreise eintritt", die ein regionaler Gasversorger seinen Sondervertragskunden in die Lieferverträge geschrieben hatte. Diese Formulierung nenne zwar die Voraussetzung für eine Preisänderung, regele aber nicht hinreichend klar, wie sich die Gaspreise bei Vorliegen der Voraussetzung ändern sollen. Unklar bleibe insbesondere, ob die Änderung in einem bestimmten Verhältnis zur Änderung der allgemeinen Tarifpreise erfolgen und welches Verhältnis dies gegebenenfalls sein soll. Die Klausel und die darauf gründenden Gaspreiserhöhungen seien deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam. (VIII ZR 274/06)