August 2008 |
080810 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der österreichische Öl- und Gaskonzern OMV hat am 6. August nach mehr als einjährigen Bemühungen den Versuch zur feindlichen Übernahme des ungarischen Rivalen MOL aufgegeben. Die Europäische Kommission sei nicht bereit, die von OMV gewünschten Bedingungen für die Übernahme zu akzeptieren, hieß es zur Begründung. Das Übernahmeangebot an die MOL-Aktionäre werde deshalb nicht mehr aufrechterhalten und die in Brüssel eingereichte Fusionskontrollanmeldung zurückgenommen.
Zunächst hatte OMV das MOL-Management umworben, dem insbesondere "ein Bar-Übernahmeangebot mit einer signifikanten Prämie" sowie weitere "attraktive Konditionen" für den Zusammenschluss geboten wurden. Nachdem darauf nicht eingegangen wurde, ließ die OMV am 25. Juni 2007 öffentlich wissen, daß sie ihre "strategische Beteiligung" an dem ungarischen Konkurrenten von zehn auf 18,6 Prozent erhöht habe und "vom langfristigen Nutzen einer engeren Zusammenarbeit mit MOL überzeugt" sei. Am 25. September folgte die offizielle Absichtserklärung, den Konkurrenten zu übernehmen, an dem OMV inzwischen 20,2 Prozent besaß, verbunden mit dem Angebot an die MOL-Aktionäre, pro Aktie 32000 Forint (286 Euro) zu zahlen. Allerdings müßten zuvor zwei Hindernisse beseitigt werden, die der Erlangung der Stimmenmehrheit entgegenstünden. Dies seien die staatlich auferlegte Beschränkung der Stimmrechte in der Hauptversammlung auf zehn Prozent und die faktische Kontrolle von Aktien durch das MOL-Management.
In der Tat hat das MOL-Management zur Abwehr der feindlichen Übernahme in beträchtlichem Umfang eigene Aktien aufgekauft, die größtenteils bei anderen Unternehmen "geparkt" wurden, da der zulässige Besitz an eigenen Aktien auf zehn Prozent begrenzt ist. Außerdem vereinbarten die Ungarn eine strategische Partnerschaft mit der tschechischen CEZ. Bei der letzten Hauptversammlung der MOL am 23. April 2008 übte der österreichische Großaktionär deshalb heftige Kritik am Management und warf ihm mißbräuchliche Verwendung des Aktionärsvermögens vor. Er hatte indessen mit seinen Anträgen keinerlei Chance, zumal er nur halb soviel Stimmrechte wie Anteile besaß. Die Aktionäre ermächtigten sogar das Management, eigene Aktien im Umfang von bis zu 25 Prozent des Kapitals zu kaufen. Angeblich hat MOL am Ende noch mehr eigene Aktien besessen.
Am 6. März teilte die EU-Kommission mit, daß sie die am 31. Januar 2008 eingereichte Fusionskontrollanmeldung einer "vertieften Prüfung" unterziehen werde, weil sie zwei starke, integrierte Öl- und Gaskonzerne betreffe, die in mehreren mittel- und osteuropäischen Ländern tätig sind. Die definitive Ablehnung aus Brüssel kam somit Anfang August nicht ganz überraschend und bot OMV den Anlaß, den faktisch schon gescheiterten Übernahmeversuch auch offiziell abzubrechen.
Der OMV-Konzern ist mit einem Umsatz von 20 Milliarden Euro und 33.665 Mitarbeitern eines der größten börsennotierten Industrieunternehmen Österreichs. Er betreibt die einzige Erdölraffinerie in Österreich (Schwechat) und zwei Raffinerien in Bayern. Außerdem hält er eine Kontrollbeteiligung an der rumänischen Ölgesellschaft Petrom, der wiederum Raffinerien in Pitesti und Ploesti gehören. Der Konzern ist auf den Groß- und Endabnehmermärkten für Raffinerieerzeugnisse in Österreich, der Tschechischen Republik, Deutschland, Ungarn, der Slowakei und Slowenien tätig. Im Gasgeschäft ist der größte Lieferant und Übertragungsnetzbetreiber in Österreich. Ein weiterer Geschäftsbereich ist die Exploration und Produktion von Erdöl und Ergas. Über das von ihm kontrollierte Unternehmen Borealis ist er auch auf dem Markt für petrochemische Erzeugnisse präsent. Der Konzern gehört zu 31,5 Prozent der staatlichen Österreichischen Industrieholding AG. Weitere 17,6 Prozent hält die International Petroleum Investment Company in Abu Dhabi. Der Rest von 50,9 Prozent befindet sich in Streubesitz.
Der MOL-Konzern ist ein privatisiertes ungarisches Mineralöl- und Gasunternehmen mit knapp 14.000 Beschäftigten und zuletzt etwa 11,5 Milliarden Euro Umsatz. Er ist in Ungarn führend ist und betreibt über die slowakische Tochter Slovnaft die einzige slowakische Raffinerie. Außerdem hält er 25 Prozent an der kroatischen Ölgesellschaft INA und hat unlängst das italienische Erdölunternehmen Italiana Energia e Servizi SpA (IES) erworben, zu dem eine Raffinerie in Mantua gehört. Er ist auf den Groß- und Endabnehmermärkten für Raffinerieerzeugnisse in Ungarn, der Slowakei, Österreich, der Tschechischen Republik und Slowenien tätig. Außerdem betreibt er das ungarische Gasübertragungsnetz und ist auch in der Exploration und Produktion von Erdöl und Ergas aktiv.