Mai 2008 |
080502 |
ENERGIE-CHRONIK |
12. Abgeordneter Manfred Grund (CDU/CSU)
Inwieweit sind der Bundesregierung Bestrebungen der EWE-Aktiengesellschaft (Oldenburg) bekannt, die Sperrminorität kommunaler Aktionäre an der VNG-Verbundnetz Gas AG (Leipzig) zu durchbrechen, und wie beurteilt die Bundesregierung die damit einhergehende Gefahr, dass die VNG dadurch ihre Selbständigkeit als Unternehmen in den neuen Bundesländern auch in Bezug auf Standortfragen verliert?
Antwort des Staatssekretärs Dr. Walther Otremba vom 28. April 2008
Der Bundesregierung ist aus Presseberichten bekannt, dass die EWEAktiengesellschaft (Oldenburg) mit den Stadtwerken Jena-Pößneck einen Kaufvertrag über den Erwerb von 1,04 Prozent der von den Stadtwerken an der VNG AG gehaltenen Anteile geschlossen hat und der Erwerb im Jahr 2009 erfolgen soll. EWE-Sprecher Daniel Waschow hat laut Presse (Mitteldeutsche Zeitung vom 10. April 2008) Gespräche über weitere Anteilskäufe mit anderen Aktionären bestätigt. Ob und welche Auswirkungen ein Wegfall der Sperrminorität der kommunalen Aktionäre in der VNG haben könnte, entzieht sich der Kenntnis der Bundesregierung.
13. Abgeordneter Manfred Grund (CDU/CSU)
Inwieweit ist der Bundesregierung ferner bekannt, dass die EWE-Aktiengesellschaft (Oldenburg) nach diversen Zukäufen inzwischen rund 48 Prozent der Anteile an der VNG (Leipzig) hält, und wie gedenkt die Bundesregierung den Geist der Ministererlaubnis vom 5. Juli 2002 zu gewährleisten, die „VNG als einen aktiven Wettbewerber auf der Ferngasstufe zu erhalten und zu fördern und ihr eine Betätigung auch auf anderen Stufen der Gaswirtschaft zu ermöglichen.“?
Antwort des Staatssekretärs Dr. Walther Otremba vom 28. April 2008
Nach Kenntnissen der Bundesregierung hält die EWE AG derzeit 47,9 Prozent der VNG-Anteile. Zu Zukäufen siehe Antwort zu Frage 12.
Die Passage zur Erhaltung der VNG als aktiver Wettbewerber auf der Ferngasstufe und ihrer Betätigung auf anderen Stufen der Gaswirtschaft entstammt einer Auflage aus der Ministererlaubnis im Fall E.ON/Ruhrgas, die von der E.ON AG zu erfüllen war.
Die Auflage verpflichtete E.ON, ihre und sämtliche von Ruhrgas gehaltenen VNG-Anteile an Dritte zu veräußern. Ziel der Auflage war die Beseitigung der wettbewerbsgefährdenden Verflechtung zwischen der Ruhrgas und VNG als führendem Ferngasunternehmen in den neuen Bundesländern. Deshalb mussten 26,84 Prozent der von Ruhrgas gehaltenen VNG-Anteile „an einen von Ruhrgas und E.ON unabhängigen und nicht mit ihnen verbundenen strategischen Erwerber verkauft werden, der VNG als einen aktiven Wettbewerber auf der Ferngasstufe erhalten, fördern und ihr eine Betätigung auch auf anderen Stufen der Gaswirtschaft ermöglichen“ konnte. Diese Auflage diente ausweislich der Begründung der Ministererlaubnis dazu, VNG als aktiven Wettbewerber der Ruhrgas auf der Ferngasstufe zu etablieren.
Die Auflage hat E.ON vollständig durch die Veräußerung der VNG-Anteile an EWE, ostdeutsche Stadtwerke sowie einen weiteren Investor in den Jahren 2003/2004 vollzogen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hatte entsprechend den Vorgaben der Ministererlaubnis geprüft, ob der von E.ON vorgeschlagene Erwerber EWE zum Zeitpunkt des Erwerbes den Anforderungen an einen strategischen Investor im Sinne der Auflagen entsprach, dies bejaht und dem Erwerb zugestimmt. Eine spätere Überprüfung des Vorliegens der Auflagenkriterien ist in der Ministererlaubnis nicht vorgesehen. Das für die Ministererlaubnis zuständige BMWi sieht die gesamte Auflage als vollständig und abschließend erfüllt an.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir kommen damit zur Frage 34 des Kollegen Manfred Kolbe:
Steht die Bundesregierung noch zu den Vorgaben der Ministererlaubnis aus dem Jahr 2002, in der für die Übernahme der Ruhrgas AG durch die Eon AG festgeschrieben wurde, dass die Verbundnetz Gas AG, VNG, als unabhängiges Unternehmen in Ostdeutschland weitergeführt werden soll?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Ich würde diese Frage gerne zusammen mit der nächsten Frage beantworten.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Dann rufe ich auch noch die Frage 35 des Kollegen Manfred Kolbe auf:
Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf aufgrund dessen, dass die Ziele der Ministererlaubnis, die VNG gemeinsam mit dem Elektrizitätswerk Weser-Ems AG, EWE, als Großaktionär zum fünften Player auf dem deutschen Energiemarkt zu entwickeln, wofür eine gemeinsame Holding von EWE und VNG in den östlichen Bundesländern gegründet werden sollte, bislang noch nicht umgesetzt wurden?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Eine der Auflagen der Ministererlaubnis für die Fusion von Eon und Ruhrgas bezieht sich auf die VNG. Danach ist Eon verpflichtet, sämtliche von ihr und von Ruhrgas an VNG gehaltenen Anteile an Dritte abzugeben. Bezweckt war die Aufhebung der Verflechtung zwischen Ruhrgas als größtem westdeutschen und VNG als in den neuen Bundesländern führendem Ferngasunternehmen. Daher sollten 26,84 Prozent der VNG-Anteile an einen strategischen Erwerber veräußert werden, der VNG als aktiven Wettbewerber der Ruhrgas auf der Ferngasstufe etablieren kann.
Ferner mussten 5,26 Prozent an einen weiteren Investor veräußert und bis zu 10 Prozent der Anteile vorrangig ostdeutschen Kommunen und/oder der Verbundnetz Gas Verwaltungs- und Beteilungs-GmbH zum Kauf angeboten werden. Damit sollte der Fortbestand der VNG als unabhängiges Unternehmen gewährleistet werden. Mit der Stärkung der kommunalen Anteilseigner war die Erwartung verbunden, dass die VNG ihren Sitz in Leipzig erhalten und vom bisherigen ostdeutschen Schwerpunkt aus in das Gebiet der alten Bundesländer hinein tätig werden kann.
Die Auflage hat Eon durch die Veräußerung der VNG-Anteile an EWE und ostdeutsche Stadtwerke sowie einen weiteren Investor in den Jahren 2003/2004 vollständig erfüllt. Das damalige BMWA – das heutige BMWi – hatte entsprechend den Vorgaben der Ministererlaubnis geprüft, ob der von Eon vorgeschlagene Erwerber EWE zum Zeitpunkt des Erwerbs den Anforderungen an einen strategischen Investor im Sinne der Auflagen entsprach, dies bejaht und dem Erwerb zugestimmt. Eine spätere Überprüfung der Erfüllung der Auflagenkriterien ist in der Ministererlaubnis nicht vorgesehen. Das für die Ministererlaubnis zuständige BMWi sieht die gesamte Auflage als vollständig und abschließend erfüllt an.
Ich darf noch Folgendes ergänzen. Wegen der Stabilität solcher kaufmännischen und unternehmerischen Entscheidungen haben wir ein nachlaufendes Verfahren – wie auch in anderen Fällen – bewusst ausgeschlossen. Denn nachdem ein Vorgang genehmigt ist, darf es nicht permanent die Unsicherheit geben, dass die Entscheidung vielleicht rückgängig gemacht werden könnte. Das würde sehr hohe Schadensersatzforderungen an den Staat ermöglichen. Es ist daher besser, man schließt den Vorgang ab und gibt ihm so in kaufmännischer und unternehmerischer Hinsicht eine stabile Grundlage.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben jetzt die Möglichkeit zu insgesamt vier Nachfragen.
Manfred Kolbe (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass der damalige Staatssekretär Dr. Tacke erläutert hat, dass es dem Bundeswirtschaftsministerium in erster Linie darum ging, dass ein unabhängiges ostdeutsches Unternehmen bestehen bleiben soll, das in einen Wettbewerb mit der Ruhrgas AG tritt, und dass die Ministererlaubnis diese beiden strategischen Ziele absichern muss? Sind Sie der Meinung, dass die Vorgaben bis heute erfüllt sind?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Der damalige Staatssekretär des BMWA, Herr Tacke, hat diese Vorgaben – ich unterstelle einmal, dass Sie seine Aussage richtig wiedergegeben haben; ich kann es nicht überprüfen – als erfüllt angesehen und entsprechend entschieden. Wie ich schon am Ende meiner Antwort gesagt habe: Eine Untersuchung dieser Maßnahme im Nachgang – es war keine Bedingung in der Erlaubnis enthalten – verbietet sich grundsätzlich aufgrund der Genehmigungspraxis, die bei solchen Prozessen angewandt wird. Ich nehme deswegen auch gar keine Spekulation oder Bewertung vor; denn wir reden über ein konkretes Unternehmen und würden Beurteilungen abgeben, die am Ende sogar börsenrelevant sind. Dies ist nicht meine Aufgabe als Staatssekretär.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Manfred Kolbe (CDU/CSU):
Wie beurteilen Sie dann das jetzige, seit mehreren Monaten – möglicherweise auch Jahren – stattfindende Verhalten der EWE AG Oldenburg, des damaligen strategischen Investors? Interessiert Sie das überhaupt nicht mehr, oder haben Sie dazu eine Meinung?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Ich habe dazu zurzeit keine Meinung.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wann wird die denn kommen?)
Vizepräsidentin Petra Pau: Eine dritte Nachfrage ist möglich.
Manfred Kolbe (CDU/CSU): Ist Ihnen bekannt, dass die EWE AG Oldenburg versucht, einzelne Anteile ostdeutscher Kommunen zu deutlich überhöhten Preisen am Markt zu erwerben, die Finanznot einiger ostdeutscher Kommunen ausnutzend, und dadurch versucht, eine Mehrheit an VNG zu erreichen und deren Sitz möglicherweise von Leipzig woandershin zu verlagern? Ist Ihnen dies bekannt, und interessiert Sie dies?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Zunächst einmal ist mir das nicht bekannt. Aber wenn es so ist, dann muss man feststellen: Ist in den Verträgen eine Regelung verabredet, die vorsieht, dass der Gesellschafterkreis, der bei der Herauslösung aus dem Eon-Bereich erstmalig zusammengefügt wurde, satzungsmäßig – gesetzlich sicherlich nicht, auflagenmäßig auch nicht – festgeschrieben ist? Wenn dies nicht festgeschrieben ist, dann sind die Gesellschafter frei, untereinander Gesellschaftsanteile zu handeln. Auch die Preisfindung liegt in der Freiheit der Gesellschafter. Wenn dieser Umstand, wie Sie konstatieren bzw. vermuten, ein Mangel ist, dann ist das ein Mangel des damaligen Genehmigungsverfahrens, aber heute nicht aufzugreifen.
Bei der Ministererlaubnis bewegen wir uns in der rechtlichen Verwaltungspraxis im eigentlichen Sinne. Da haben wir keine rechtliche Möglichkeit, über die vertraglichen Bestimmungen hinaus, die die Partner damals getroffen haben, nachgängig tätig zu werden. Insoweit ist das dann eine Schwäche des damals gefundenen Lösungsansatzes, den wir ministeriell bzw. verwaltungsrechtlich nicht behandeln können.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben noch eine Möglichkeit zu einer Nachfrage.
Manfred Kolbe (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, wie viele größere privatwirtschaftliche Unternehmen ihren Hauptsitz in den östlichen Bundesländern haben, und hat die Bundesregierung ein Interesse daran, dass es auch in Zukunft ein größeres privatwirtschaftliches Unternehmen gibt, das seinen Hauptsitz in den östlichen Bundesländern hat, oder legen Sie nur auf verlängerte Werkbänke Wert?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Kollege Kolbe, wir legen großen Wert darauf, dass selbstständige, attraktive, wettbewerbsstarke Unternehmen in den neuen Ländern an möglichst vielen Plätzen entstehen bzw. ihren Sitz behalten können. Das ist völlig klar.
Die Frage ist: Kann die Bundesregierung bei einer konkreten Unternehmensentscheidung ohne klare gesetzliche Basis eingreifen? Wenn das eine politische Begleitung sein soll, wenn Gespräche geführt werden sollen, wenn dokumentiert werden soll, dass es ein politisches Interesse gibt, dass das damalige Ziel möglichst eingehalten wird, dann kann das sicherlich in einer zwar nicht rechtsverbindlichen, aber politischen Form geschehen. Aber ein konkretes Handeln im Sinne von: „Wir rügen; wir verweisen auf eine Verletzung des Vertrages“ ist in dieser Situation ausgeschlossen. So funktioniert unsere soziale Marktwirtschaft nicht. Das können wir so nicht machen.
Wir können das politisch noch einmal aufgreifen; das sage ich gerne zu. Ich bin bereit, ein Gespräch auch mit den Beteiligten aus den Unternehmen zu führen, um das noch einmal abzugleichen. Das ist aber eine Gesprächsführung mit politischem Einfluss ohne Druck. Alles andere schließt sich aus.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Zu einer Zusatzfrage hat der Kollege Grund das Wort.
Manfred Grund (CDU/CSU):
Herr Staatssekretär, ich möchte den Umgang mit der Ministererlaubnis hinterfragen. Die Ministererlaubnis von 2002, VNG betreffend, hatte einen wirtschaftlichen und einen politischen Hintergrund. Der wirtschaftliche Hintergrund ist: VNG erhält einen strategischen Partner, der in das Unternehmensfeld passt. Gleichzeitig erhielten die ostdeutschen Kommunen eine Sperrminorität, die dafür sorgen sollte, dass der strategische Partner, wenn er eines Tages stärker werden sollte, nicht die Möglichkeit hat, den Unternehmenssitz aus Ostdeutschland, aus Leipzig heraus zu verlagern; das war der politische Hintergrund.
Nun hält der strategische Partner, EWE – mein Kollege Manfred Kolbe hat das eben geschildert –, mittlerweile fast 49 Prozent der Unternehmensanteile und ist bestrebt, weitere Anteile zu erwerben, um die Sperrminorität der kommunalen Versorgungsunternehmen auszuhebeln. All das geschieht mit dem Ziel, die Unternehmensstrategie und den Unternehmenssitz zu verändern.
Wenn auf diese Art und Weise nach einigen Jahren der politische Hintergrund einer Ministererlaubnis konterkariert wird, zeigt uns das nicht, dass wir uns das Instrument Ministererlaubnis unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Kontrollmöglichkeit vornehmen müssen; denn sonst läuft das Instrument ins Leere?
(Beifall des Abg. Manfred Kolbe [CDU/CSU])
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Ich sehe das Instrument Ministererlaubnis ähnlich kritisch wie Sie. Ich sage noch einmal: Wir haben keine Möglichkeit, wirkungsmächtig einzugreifen. Zwar sind Gespräche immer möglich, und es ist auch möglich, Besorgnis zu äußern und Interesse zu bekunden – das ist ganz klar –, wir können aber nichts zurückrufen. Wir können nicht drohen, weil wir keine rechtliche Möglichkeit haben, gegen das Unternehmen wegen Vertragsverletzung vorzugehen. Diese Möglichkeit müssen wir ausschließen. Das ist eine bittere Erkenntnis.
Sie werden sich erinnern, dass ich persönlich damals alles darangesetzt habe, diese Ministererlaubnis zu verhindern. Jetzt sehen wir, dass sie wenig praktikabel ist. Daher war sie in doppeltem Sinne ein Fehler.
(Dr. Ditmar Staffelt [SPD]: Sie vertreten jetzt aber ein Ministerium! Zeigen Sie doch einmal Exekutivqualitäten! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für wen reden Sie gerade, wenn Sie die Worte so aus Ihrem Körper herausquälen müssen?)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir sind damit am Ende
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, einige sind am Ende!)
der Fragestunde. Die übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet.