April 2008 |
080414 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die deutschen Energiemärkte für Strom und Gas haben sich seit ihrer Liberalisierung im Jahr 1998 nicht wie gewünscht entwickelt. Dabei bestehen in Deutschland aufgrund der Vielzahl der Akteure auf den Energiemärkten grundsätzlich die besten Voraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb. So haben insbesondere die kommunalen Energieversorgungsunternehmen seit Beginn der Liberalisierung den Wettbewerb angenommen und erbringen mit ihren innovativen Produkten und wichtigen Infrastruktureinrichtungen einen wesentlichen Beitrag für die örtliche Gemeinschaft. Schon früh haben die Stadtwerke den Wettbewerb als Chance erkannt und ihre Kräfte in kommunal geprägten Kooperationen gebündelt. Die Südwestdeutsche Stromhandelsgesellschaft (SWS) oder die Energiepartner Süd (EPS) sind hierfür hervorragende Beispiele.
Die Ursachen für den insgesamt mangelhaften Wettbewerb auf den Energiemärkten sind im Wesentlichen hausgemacht und das Ergebnis einer verfehlten Liberalisierungspolitik in den 90er Jahren: Mit staatlicher Unterstützung und teilweise gegen den Widerstand der Kartellbehörden wurden Großfusionen möglich, die schließlich in der Übernahme der Ruhrgas AG durch die Eon AG ihren unrühmlichen Höhepunkt fanden. Im Ergebnis kontrollieren heute vier marktbeherrschende Großkonzerne den überwiegenden Teil der Stromproduktion und damit das Niveau der Strompreise in Deutschland. Mit hohen Gewinnen aus Monopolzeiten und staatlicher Steuerförderung in Milliardenhöhe aus abgeschriebenen Kernkraftwerken haben sich diese Konzerne zudem umfassend an Stadtwerken und Regionalversorgern beteiligt. Die Beteiligungsunternehmen werden als Vertriebskanäle missbraucht und können nur in den seltensten Fällen aktiven Wettbewerb außerhalb ihrer Stammgebiete betreiben.
Nach dem offenkundigen Scheitern der Liberalisierung versucht die Politik nun, den Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten zu erzwingen. Leider sollen dabei nicht die Fehler der Vergangenheit korrigiert werden. Stattdessen werden für den schleppenden Wettbewerb einseitig die Betreiber von Strom- und Gasnetzen verantwortlich gemacht, während die eigentlichen Probleme, das Erzeugungsoligopol und die zu hohe Anbieterkonzentration, ignoriert werden. Es ist sicher richtig, dass faire Bedingungen und angemessene Preise für die Nutzung der Netze eine wichtige Voraussetzung für den Wettbewerb sind. Diese Voraussetzung ist aber bereits heute in weiten Teilen erfüllt.
Die Anreizregulierung in der beschlossenen Form wird nicht zu mehr Wettbewerb, sondern zur existenziellen Bedrohung vieler mittelständischer Stadtwerke führen. Es ist zu befürchten, dass ein großer Teil der Stadtwerke mittelfristig von den großen Energiekonzernen übernommen wird oder gänzlich vom Markt verschwindet. Die Strom- und Gasnetze werden dann höchstwahrscheinlich von den wenigen, übrig gebliebenen „Global Playern“ betrieben. Das zu befürchtende Stadtwerke-Sterben wird aber nicht nur zu einer Konzentration im Bereich der Netze führen, sondern Alternativen auf den Handelsmärkten zu den dominierenden Konzernen werden vollends wegbrechen. Gleichzeitig wird kommunales Vermögen in bisher nicht bekanntem Umfang vernichtet.
Wettbewerb braucht Vielfalt.
Wettbewerb braucht Stadtwerke.
Wir fordern deshalb:
• Regulierung mit Augenmaß betreiben
Die Regulierungsziele müssen auch für mittelständische Unternehmen erfüllbar sein. Kostendruck um jeden Preis geht zu Lasten der Qualität und des Wettbewerbs. Überbordende Regulierungs- Bürokratie überfordert die Unternehmen und belastet die Kunden mit zusätzlichen Kosten.
• Erzeugungsoligopol aufbrechen
Die Möglichkeiten und Anreize für den Aufbau von Stromerzeugungskapazitäten für unabhängige Unternehmen müssen deutlich verbessert werden. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Ausbau der Klima schonenden Kraft–Wärme– Kopplung auf kommunaler Ebene. Zur effektiven Förderung der KWK müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die deren wirtschaftlichen Erfolg sicherstellen.
• Beteiligungsstrukturen aufbrechen
Die umfassenden Beteiligungen der vier großen Energiekonzerne an Stadtwerken sind eines der größten Hemmnisse für den Wettbewerb im Energiemarkt. Die Konzerne müssen gezwungen werden, sich von Beteiligungen an Stadtwerken zu trennen. Die entsprechende Initiative des Bundeskartellamtes unterstützen wir ausdrücklich.
Beteiligte Städte und Kommunen
• Oberbürgermeister Dr. Jürgen Gneveckow, Albstadt
• Bürgermeister Johannes Häfele, Bad Saulgau
• Bürgermeister Kurt Liebenstein, Baden-Baden
• Oberbürgermeister Jürgen Kessing, Bietigheim-Bissingen
• Oberbürgermeister Paul Metzger, Bretten
• Oberbürgermeister Andreas Raab, Crailsheim
• Bürgermeister Bernhard Martin, Eberbach/Baden
• Bürgermeister Johannes Moser, Engen/Hegau
• Oberbürgermeister Erwin Reichert , Freudenstadt
• Oberbürgermeister Josef Büchelmeier, Friedrichshafen
• Bürgermeister Holger Jerg, Gammertingen
• Erster Bürgermeister Thomas Schmid, Garmisch-Partenkirchen
• Oberbürgermeister Wolfgang Amann, Geislingen a. d. Steige
• Bürgermeister Michael Roschach, Gengenbach
• Bürgermeister Dr. Reinhard Bentler, Gundelfingen
• Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner, Heidelberg
• Bürgermeister Jürgen Mailänder, Hermaringen
• Oberbürgermeister Dieter Gummer, Hockenheim
• Oberbürgermeister Horst Frank, Konstanz
• Oberbürgermeister Werner Spec, Ludwigsburg
• Oberbürgermeister Arno Schütterle, Mühlacker
• Bürgermeister Peter Traub, Oberkochen
• Beigeordneter Manfred Moll, Pfullendorf
• Oberbürgermeister Hans Jürgen Pütsch, Rastatt
• Oberbürgermeister Thomas J. Engeser, Rottweil
• Oberbürgermeister Matthias Klopfer, Schorndorf
• Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim, Schwäbisch Hall
• Bürgermeister Dr. Daniel Rapp, Sigmaringen
• Oberbürgermeister Werner Schineller, Speyer
• Bürgermeister Dr. Clemens Maier, Trossingen
• Oberbürgermeister Boris Palmer, Tübingen
• Oberbürgermeister Michael Beck, Tuttlingen
• Oberbürgermeister Volkmar Weber, Überlingen
• Bürgermeister Richard Leibinger, Waldkirch
• Bürgermeister Heinz Merklinger, Walldorf
• Bürgermeister Markus Günther, Walldürn