April 2008

080402

ENERGIE-CHRONIK


Schwarz-grüne Koalition in Hamburg klammert Streit um Kohlekraftwerk aus

In Hamburg besiegelten Christdemokraten und Grüne am 17. April ihre erste Koalition auf Landesebene. Ende April wurde die 65 Seiten umfassende Koalitionsvereinbarung auch von den Parteigremien gebilligt. Eines der Haupthindernisse, das die beiden Koalitionspartner bei ihren Verhandlungen zu umschiffen hatten, war der Konflikt um ein neues Kohlekraftwerk, das Vattenfall in Hamburg-Moorburg errichten möchte und das von der Grün-Alternativen Liste (GAL) bisher heftig abgelehnt wurde. Am Ende einigte man sich darauf, diese Frage einfach auszuklammern. In den Koalitionsvertrag wurde lediglich folgender Passus aufgenommen:

Kohlekraftwerk Moorburg

Die Vertragspartner wollen für Hamburg eine Energieversorgung, die dem Anspruch der Verbraucher und Verbraucherinnen auf eine verlässliche und kostengünstige Energielieferung, den Klimaschutzzielen und insbesondere einem hohen Wirkungsgrad von Kraftwerken und niedrigem spezifischem CO2-Ausstoß gerecht wird.

Auf der Grundlage dieser Rahmenbedingungen und vor dem Hintergrund des im Jahre 2014 auslaufenden Konzessionsvertrages über den Betrieb des Fernwärmenetzes wird eine europaweite, transparente und diskriminierungsfreie Ausschreibung zum Betrieb dieses Netzes inklusive der Schaffung grundlastfähiger Kraftwerkskapazitäten in der Region Hamburg durchgeführt.

Die zuständige Behörde entscheidet rechtlich über die Genehmigungs- und Erlaubnisanträge zum Bau eines Kohlekraftwerks in Moorburg.

Daß der 2014 auslaufende Konzessionsvertrag für das Fernwärmenetz nicht automatisch verlängert werden soll, dürfte Vattenfall nicht allzusehr in Verlegenheit bringen, denn schon bisher verlangen SPD und Grüne die Neugründung von Hamburger Stadtwerken, die nach dem Auslaufen der jeweiligen Konzessionsverträge die Versorgung für Strom, Gas und Fernwärme übernehmen. Der bisherige CDU-Senat hat deshalb am 29. Januar schnell noch den Konzessionsvertrag für die Gasversorgung mit der E.ON Hanse erneuert, der sonst Ende dieses Jahres ausgelaufen wäre. Die GAL-Fraktion kritisierte dies als "unverschämte Entscheidung des Bürgermeisters, die E.ON Millionen-Gewinne sichert und die Gründung von Stadtwerken für mindestens sechs Jahre blockiert".

Vattenfall Europe bekräftigte nach Bekanntwerden des Koalitionsvertrages, daß man am Bau des Kraftwerks Moorburg festhalten werde und auf Erteilung der Genehmigung bestehe. Zur Ankündigung, das Hamburger Fernwärmenetz ab 2014 europaweit auszuschreiben, sagte der Vorstandsvorsitzende Tuomo Hatakka unter Anspielung auf die soeben erfolgte Verlängerung der Gas-Konzession für E.ON Hanse: "Wir stellen uns gern dem Wettbewerb. In Hamburg wurde zum Beispiel vor kurzem der Betrieb des Gasnetzes europaweit ausgeschrieben – den Zuschlag hat der bisherige Betreiber erhalten."

Der Standort Moorburg wurde schon von den HEW für die Stromerzeugung genutzt

Bis 1997 befand sich in Hamburg die Versorgung mit Strom, Gas, Fernwärme und Wasser komplett in kommunaler Hand. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre begann die damals regierende SPD jedoch mit der Privatisierung der "Hamburgischen Electricitäts-Werke" (HEW), die im Herbst 2000 eine Tochter des Vattenfall-Konzerns wurden und schließlich völlig in diesem aufgingen. Die HEW-Tochter Hein Gas, die für die Gasversorgung zuständig war, gelangte im Wege eines Tauschhandels an die E.ON Hanse, wofür Vattenfall das E.ON-Aktienpaket an der Berliner Bewag erhielt. Derzeit verfügt die Stadt Hamburg nur noch über die Wasserversorgung.

Das an der Süderelbe gelegene Gelände, auf dem Vattenfall das Kraftwerk Moorburg errichten will, wurde schon von den HEW für die Stromerzeugung genutzt. Sie betrieben hier ein Gaskraftwerk mit 2 x 515 MW, das 2001 stillgelegt und inzwischen beseitigt wurde. Außerdem befindet sich hier eine ölbefeuerte Gasturbinen-Anlage mit 2 x 75 MW, die auch weiterhin Spitzenlast-Strom liefern soll. Das von Vattenfall neu geplante Steinkohlekraftwerk soll bis 2012 eine elektrische Leistung von 1.640 MW erbringen und bis zu 450 MW Fernwärme auskoppeln. Im Mai 2007 beteiligte sich auch die Norddeutsche Affinerie (NA) mit einer "Scheibe" von 114 MW an der neuen Anlage und stoppte ihre bisherigen Planungen für ein eigenes Kraftwerk (070508).

CDU-Senat stellte bereits vor den Wahlen die Weichen für den Kraftwerksbau

Wie an anderen Standorten in Deutschland war inzwischen aber auch in Hamburg eine Protestbewegung entstanden, die neue Kohlekraftwerke wegen der CO2-Emissionen und mit anderen Umwelt-Argumenten ablehnte. So posierte die GAL-Spitzenkandidatin Christa Goetsch noch im Februar mit einem Genehmigungsantrag Vattenfalls, den sie symbolisch mit dem Stempel-Aufdruck "ABGELEHNT!" versehen hatte, und erklärte: "Das Kraftwerk ist nicht nur ein Klimakiller, sondern schädigt massiv die Elbe. Wir können nicht zulassen, daß Hamburgs Energiezukunft für die nächsten Jahrzehnte verbaut wird und die Elbe auf Badewannen-Temperatur aufgeheizt wird."

Der bisherige CDU-Senat sorgte indessen bereits im November 2007 für eine Vorentscheidung, indem er unabhängig vom noch laufenden Genehmigungsverfahren Vattenfall die Genehmigung für den Baubeginn erteilte (071119). Mit der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zögerte er aber mit Blick auf die Wahlen am 24. Februar. Anschließend kam es wegen der Koalitionsverhandlungen zu weiterer Verzögerung, denn zeitweilig sah es so aus, als wollten die Grünen auf dem Bau eines Gas- anstelle eines Kohlekraftwerks bestehen. Der Vattenfall-Konzern übte seinerseits Druck aus, indem er am 14. April beim Verwaltungsgericht Hamburg Untätigkeitsklage gegen den Senat einreichte: Die gesetzlich vorgegebene Frist für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sei spätestens am 10. März abgelaufen.

Anscheinend vertrauen nun sowohl die CDU als auch die Grünen darauf, daß Vattenfall ohnehin rechtlich am längeren Hebel sitzt, so daß sich die GAL exkulpiert fühlen kann, wenn das Kraftwerk trotz ihres Widerstands gebaut wird. Die GAL erhält in der neuen Landesregierung unter Ole von Beust (CDU) die Zuständigkeit für Umwelt, Justiz und Bildung. Neue Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt wird Anja Hajduk.

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