April 2008

080401

ENERGIE-CHRONIK


Gabriel lehnt Laufzeitverlängerung für Biblis A endgültig ab

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat am 7. April die von RWE beantragte Laufzeitverlängerung für das Kernkraftwerk Biblis A abgelehnt. Er begründete dies damit, daß Biblis A über über weniger Sicherheitsreserven als das Kernkraftwerk Emsland verfüge, von dem RWE eine Strommenge von 30 Terawattstunden (TWh) auf Biblis A übertragen wollte. Die Strommengenübertragung sei auch nicht zur Sicherstellung der Energieversorgung und zum Klimaschutz erforderlich.

RWE hatte im September 2006 beim Bundesumweltministerium zunächst die Zustimmung zu einer Übertragung von Reststrommengen aus dem Kontingent des stillgelegten Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf Biblis A beantragt (060901). Im Mai 2007 lehnte das Bundesumweltministerium diese Übertragung ab (070303). Der Hessische Verwaltungsgerichtshof bestätigte im Februar 2008 die Entscheidung, da nach dem Atomgesetz eine Übertragung aus dem Kontingent für Mülheim-Kärlich gar nicht zulässig wäre (080205). Durch den jetzigen Bescheid wird auch der hilfsweise gestellte RWE-Antrag zur Übertragung von 30 TWh vom Kernkraftwerk Emsland abgelehnt. In diesem Fall wäre eine Übertragung nach § 7 Abs. 1b des Atomgesetzes nur mit Zustimmung des Bundesumweltministeriums möglich gewesen, weil Biblis A älter als Emsland ist. Zustimmungsfrei wäre nur die Übertragung der Laufzeiten von älteren auf jüngere Anlagen.

Biblis A ist seit 1974 in Betrieb und damit das älteste Kernkraftwerk Deutschlands, das sich noch am Netz befindet. Das Kernkraftwerk Emsland nahm dagegen erst 1988 die Stromerzeugung auf und ist damit die zweitjüngste Anlage (siehe Tabelle).

Bei den Verhandlungen über den Atomausstieg hatte sich RWE den Verzicht auf die Wiederinbetriebnahme des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich mit einem zusätzlichen Kontingent von 107,25 TWh honorieren lassen (000601). Zwischen Bundesregierung und KKW-Betreibern bestand dabei "Einvernehmen, daß die Strommengen auf das KKW Emsland oder andere neuere Anlagen sowie auf die Blöcke B und C des KKW Gundremmingen und max. 20 % auf das KKW Biblis B übertragen werden" dürfen. Das kurz darauf neugefaßte Atomgesetz präzisierte diese Vereinbarung dahingehend, daß die Übertragung nur auf Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf, Gundremmingen B und C (das sind die sogenannten Konvoi-Reaktoren aus den achtziger Jahren) sowie bis zu 21,45 TWh auf den Reaktor Biblis B erfolgen darf.

Bisher gab es nur eine Genehmigung für eine Laufzeiten-Übertragung von jüngeren auf älteren Anlagen: Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) erteilte sie im Oktober 2002 der Energie Baden-Württemberg (EnBW), damit diese ihr Kernkraftwerk Obrigheim noch bis Ende 2004 betreiben konnte. Den Hintergrund bildete dabei allerdings eine Geheimabsprache, die der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei den Verhandlungen über den Atomkonsens mit EnBW-Chef Gerhard Goll getroffen hatte und an die sich auch Trittin gebunden fühlte (021002).

Links (intern)

 

I. In Betrieb befindliche Kernkraftwerke

 

Standort Betreiber Leistung MW (brutto) Leistung MW (netto) Jahr der Inbetriebnahme
Biblis A / Rhein RWE 1.225 1.167 1974
KKB Brunsbüttel / Elbe Vattenfall/E.ON 806 771 1976
GKN 1 Neckarwestheim / Neckar 1) EnBW 840 785 1976
Biblis B / Rhein RWE 1.300 1.240 1976
KKI 1 Isar / Isar E.ON 912 878 1977
KKU Esensham / Unterweser E.ON 1.410 1.345 1978
KKP Philippsburg 1 / Rhein EnBW 926 890 1979
KKG Grafenrheinfeld / Main E.ON 1.345 1.275 1981
KKK Krümmel / Elbe Vattenfall/E.ON 1.316 1.260 1983
KRB Gundremmingen B / Donau RWE/E.ON 1.344 1.284 1984
KRB Gundremmingen C / Donau RWE/E.ON 1.344 1.288 1984
KWG Grohnde / Weser E.ON 1.430 1.360 1984
KKP Philippsburg 2/ Rhein EnBW 1.458 1.392 1984
KBR Brokdorf / Elbe E.ON/Vattenfall 1.440 1.370 1986
KKI 2 Isar / Isar E.ON 1.475 1.400 1988
KKE Emsland / Dortmund-Ems-Kanal RWE 1.400 1.329 1988
GKN 2 Neckarwestheim / Neckar 2) EnBW 1.395 1.305 1989
Summe   21.366 20.339

 

II. Außer Betrieb gestellte Reaktoren

 

Standort Betreiber Leistung MW (brutto) Betriebsdauer
 
Großwelzheim RWE 25 1970 - 1974
KWO Obrigheim / Neckar *) EnBW 910 1968 - 2005
Niederaichbach BAG 107 1973 - 1975
KKS Stade / Elbe E.ON/Vattenfall 672 1972 - 2003
Lingen VEW 267 1977 - 1979
Gundremmingen A RWE/BAG 250 1966 - 1980
Karlsruhe BW 58 1966 - 1980
Kahl RWE/BAG 16 1961 - 1985
Jülich AVR GmbH + 16 EVU 15 1967 - 1988
Hamm-Uentrop VEW/KEM/GKW Weser u.a. 307 1985 - 1988
Rheinsberg Energiewerke Nord GmbH 70 1965 - 1989
Greifswald 1 - 4 Energiewerke Nord GmbH 1.760 1972 - 1990
KNK Karlsruhe Kernforschungszentrum Karlsruhe 20 1960 - 1991
KWW Würgassen / Weser PreussenElektra 670 1972 - 1995
KKW Mülheim-Kärlich / Rhein 3) RWE 1.302 1986 - 1986

 

1) davon ein separater Maschinensatz 152 MW Anteil Deutsche Bahn AG (DB)

2) davon 150 MW Bahnstromumformer

3) lt. Gerichtsbeschluß vom 09.10.1986 abgeschaltet

*) Das Kernkraftwerk Obrigheim wurde am 11.Mai 2005 stillgelegt.