Februar 2008 |
080210 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Block A im Kernkraftwerk Biblis wurde Mitte Februar nach 16 Monaten Stillstand wieder angefahren. Das derzeit noch CDU-geführte Umweltministerium erteilte die Genehmigung wenige Tage nach den hessischen Landtagswahlen, die wahrscheinlich eine rot-grüne Landesregierung unter Tolerierung durch "Die Linke" zur Folge haben werden. Das Klima für die Kernenergie würde damit in Hessen wieder rauher.
Die beiden Blöcke des Kernkraftwerks Biblis waren im Oktober 2006 wegen falsch ausgeführter Nachrüstungsmaßnahmen zum Schutz vor Erdbeben abgeschaltet worden (061006). Block B ging schon am 1. Dezember wieder ans Netz, nachdem die falsch montierten Dübel ausgetauscht worden waren (071109).
Noch immer abgeschaltet sind dagegen die Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel, die am 28. Juni nach Kurzschlüssen im konventionellen Teil der Anlagen vom Netz genommen wurden und bei denen sich inzwischen weitere Mängel herausstellten (071109). Die Anlage in Krümmel mußte am 4. Februar wegen eines Schwelbrands vorübergehend erneut geräumt werden. Nach Angaben von Vattenfall entstand das Feuer aus ungeklärter Ursache in einer Lüftungsanlage und wurde von der Werksfeuerwehr gelöscht. In Brunsbüttel schaltete sich am 20. Februar ein Transformator in der Notstromanlage ungewollt ab. Dadurch war eine von sechs Notstromschienen, die die Versorgung von Hilfs- und Nebeneinrichtungen des Sicherheitssystems garantieren sollen, vorübergehend ohne Spannung.
Obwohl die Kernkraftwerksbetreiber darüber klagen, daß sie jeder Tag Stillstand eine Million Euro kosten würde (070909), dürfte ihnen die erzwungene Abschaltung der Reaktoren insofern nicht unwillkommen sein, als sich dadurch die Laufzeit der Anlagen entsprechend verlängert. Zu Beginn der Großen Koalition aus Union und SPD sah es noch so aus, als müßten sowohl Biblis als auch Brunsbüttel noch in der laufenden Legislaturperiode abgeschaltet werden: Biblis A wäre bereits im Juni 2008 fällig gewesen, Biblis B im April 2009 und Brunsbüttel im September 2009 (051001). Infolge des langen Stillstands verfügen nun alle drei Anlagen über genügend Reststrommengen, um auch ohne die beantragten Verlängerungen ihrer Laufzeit (080205) bis nach den nächsten Bundestagswahlen am Netz bleiben zu können.
Nicht sehr überzeugend waren auch Warnungen vor angeblich drohenden Stromausfällen,
mit denen RWE-Chef Jürgen Großmann am 27. Februar die Leser der "Bild-Zeitung"
erschreckte. "In ganz Europa wird Strom knapp, weil Kraftwerke fehlen",
behauptete Großmann, um die Notwendigkeit neuer Kohlekraftwerke und das Festhalten
an der Kernenergie zu begründen. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums hielt
ihm entgegen, daß die Branche für das vergangene Jahr trotz des überwiegenden
Stillstandes von vier großen Kernkraftwerken deutliche Stromüberschüsse
ausweise. Recht habe Großmann allerdings, wenn er unzureichende Investitionen
in Stromnetze beklage. Hier aber seien die Netzbetreiber selbst gefragt. Mit der Verzögerung
staatlicher Genehmigungsverfahren habe das "eher nichts zu tun".