Februar 2008 |
080207 |
ENERGIE-CHRONIK |
(Auszug aus dem Plenarprotokoll der 142. Sitzung des Deutschen Bundestags am 14. Februar 2008)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Marie-Luise Dött, Katherina Reiche (Potsdam),
Michael Brand, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Dirk Becker, Marco Bülow, Dr. Axel Berg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz darf nicht durch europäische Vorgaben für
einen Zertifikatehandel unterlaufen werden
- Drucksache 16/8047 -
Die Kolleginnen und Kollegen Dr. Maria Flachsbarth, Dirk Becker, Michael Kauch, Hans-Kurt
Hill und Hans-Josef Fell haben ihre Reden zu Protokoll gegeben (Anlage 11)
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der
SPD auf Drucksache 16/8047 mit dem Titel "Das Erneuerbare-Energien-Gesetz darf
nicht durch europäische Vorgaben für einen Zertifikatehandel unterlaufen
werden". Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Der Antrag
ist bei Gegenstimmen der FDP mit den Stimmen des Rests des Hauses angenommen.
Anlage 11
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz darf nicht durch europäische
Vorgaben für einen Zertifikatehandel unterlaufen werden (Zusatztagesordnungspunkt
6)
Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Das Thema
erneuerbare Energien ist zurzeit in aller Munde. Es vergeht kein Tag, an dem nicht
in den Medien über die Klimaschutzdebatte, Energiepolitik und die regenerativen
Energien berichtet wird.
Ende 2006 machten sowohl der Klimabericht des britischen Regierungsberaters Sir Nicholas
Stern als auch der Weltklimabericht der Vereinten Nationen deutlich, dass der Klimawandel
zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit gehört.
So führte der IPCC im dritten Teil des vierten Weltklimaberichtes "Mitigation
of Climate Change" drastisch vor Augen, dass der weltweite Ausstoß von
Treibhausgasen zwischen 1970 und 2004 um 70 Prozent zugenommen hat. Fortschritte in
der Energieeffizienz wurden durch die wachsende Weltbevölkerung und das steigende
weltweite Einkommen größtenteils wieder zunichte gemacht. Sollte die derzeitige
Entwicklung anhalten, könnte der Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030
gegenüber dem Jahr 2000 um 25 bis 90 Prozent zunehmen.
Klar ist, dass Deutschland und Europa sich der Herausforderung des Klimawandels stellen
müssen. Deutschland, mit seiner Expertise in vielen Bereichen der Produktions-
und Energietechnik, kann und sollte den Klimawandel auch als Chance für einen
großen Innovationsschub begreifen.
Die Große Koalition hat dem Klimaschutz oberste Priorität eingeräumt.
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und die G-8-Präsidentschaft standen
ganz unter dem Primat der internationalen Klimaschutzpolitik, in der Bundeskanzlerin
Angela Merkel bemerkenswert ambitionierte CO2-Reduktionsziele international durchsetzen
konnte.
So hat der Europäische Rat auf seiner Frühjahrskonferenz im März 2007
beschlossen, den Ausstoß der gefährlichen Treibhausgase im Vergleich zu
1990 um ein Fünftel zu reduzieren. Sollten große nichteuropäische
Staaten diesem Beispiel folgen, will die EU die CO2-Emissionen bis 2020 sogar um 30
Prozent mindern. Der Anteil von erneuerbaren Energien aus Sonne, Wasser, Wind, Erdwärme
und Biomasse am europäischen Gesamtenergieverbrauch soll bis dahin mit 20 Prozent
verdreifacht werden. Die Energieeffizienz will die EU bis 2020 um 20 Prozent erhöhen.
Mittelpunkt der deutschen Klimaschutzanstrengungen ist zurzeit die Umsetzung dieser
Beschlüsse. Das Bundeskabinett hatte im August 2007 die Eckpunkte für ein
"Energie- und Klimapaket" beschlossen, welches pünktlich zur Weltklimakonferenz
auf Bali am 5. Dezember als umfangreiches Paket der Bundesregierung mit 14 Gesetzen
und Verordnungen vorgelegt wurde. Ein zweites kleineres Paket mit weiteren Rechtsetzungsvorhaben
wird am 21. Mai dieses Jahres folgen.
Mit dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm, IEKP, verdoppelt Deutschland seine
Anstrengungen zum Klimaschutz. Zurzeit wurde eine Reduktion der Treibhausgasemissionen
um 18 Prozent gegenüber 1990 erreicht; das Programm soll eine Reduktion um etwa
36 Prozent erzielen. Damit ist ein großer Schritt hin zur Erreichung des Klimaschutzziels
von minus 40 Prozent bis 2020 getan. Das Integrierte Energie- und Klimaprogramm ist
damit nicht nur in der Geschichte der deutschen Klimapolitik, sondern auch international
einmalig.
Die EU-Kommission hat nun wieder ihrerseits am 23. Januar 2008 ein umfassendes Maßnahmenpaket
zur Energie- und Klimapolitik vorgestellt. Es zeigt den Weg auf, wie die Beschlüsse
des Europäischen Rats vom März 2007 auf die Mitgliedstaaten heruntergebrochen
umgesetzt werden können - nämlich den Anteil der regenerativen Energien
am Endenergieverbrauch in der EU bis 2020 auf insgesamt 20 Prozent zu erhöhen.
Für Deutschland wurde eine nationale Quote von 18 Prozent bis zum Jahr 2020 festgelegt.
Im Zusammenhang mit der Quotenfestsetzung für einzelne Mitgliedstaaten wurde
auch über die möglichst effiziente Allokation der unterschiedlichen erneuerbaren
Energien diskutiert. So macht die Überlegung, zum Beispiel Windkraftanlagen vor
allem an den windstarken Küstenstandorten und Fotovoltaikanlagen vor allem im
sonnigen Südeuropa zu platzieren, durchaus Sinn. Ein Instrument, um dieses Ziel
zu erreichen, könnte der Handel mit Ökozertifikaten sein. Mit dem Zertifikatehandel
versucht die Kommission zudem dem Wunsch einiger Mitgliedstaaten nach zusätzlicher
Flexibilität bei der Zielerfüllung nachzukommen, was ebenfalls grundsätzlich
erstrebenswert ist.
Dennoch ist die CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag strikt dagegen, zum gegenwärtigen
Zeitpunkt diesen Handel zu ermöglichen und begrüßt daher ausdrücklich
den Genehmigungsvorbehalt der Mitgliedstaaten, den das Kommissionspapier für
den Handel von Zertifikaten für erneuerbare Energien auf Unternehmensebene vorsieht.
Einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung unserer Klimaschutzziele im Strombereich
leistet das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit der vorrangigen Einspeisung und
der Vergütungsregelung. Das EEG ist sogar ein besonders effizientes Instrument
für einen zügigen Zubau von erneuerbaren Energien im internationalen Vergleich.
Dies bescheinigt auch die EU-Kommission in ihrem Papier "The support of electricity
from renewable energy sources", das am 7. Dezember 2005 veröffentlicht wurde.
- Außerdem sind wir als Union entschieden der Auffassung, dass die Entscheidung
über die Instrumente zur Zielerreichung beim Ausbau der erneuerbaren Energien
im Sinne der Subsidiarität bei den Mitgliedstaaten selbst liegen muss.
Die Folge eines völlig offenen Zertifikatehandels könnte es nämlich
sein, dass aus Mitgliedstaaten mit ineffizienteren Förderstrukturen und uneffektiverem
Ausbau der erneuerbaren Energien auf deutsche Zertifikate zugegriffen und damit die
Erfüllung des nationalen Ausbauziels verfehlt würde; und das obwohl die
deutschen Stromverbraucher mit ihrer EEG-Umlage den Ausbau in unserem Land finanzieren.
Der so finanzierte Erfolg würde dann aber anderen Mitgliedstaaten zugerechnet
und Deutschland würde bei Nichterreichen des Ziels möglicherweise auch noch
mit Sanktionszahlungen rechnen müssen.
Das allerdings würde das sehr erfolgreiche EEG und vergleichbare Regelungen in
anderen EU-Mitgliedstaaten geradezu konterkarieren. Es würde den weiteren Ausbau
der erneuerbaren Energien in Deutschland bedrohen und letztendlich wäre auch
fraglich, ob das 20-Prozent-Ziel auf EU-Ebene insgesamt überhaupt erreicht werden
kann. Außerdem lassen die Ergebnisse von Gutachten annehmen, dass ein solches
System zu weiteren hohen Belastungen für die europäischen Stromverbraucher
führen würde, die überhaupt keine positiven Effekte auf den Klimaschutz
hätten.
Deshalb hatte Deutschland sich im Vorfeld des Green Package erfolgreich gegen einen
völlig offenen Zertifikatehandel stark gemacht. Denn das EEG mit seiner Einspeisevergütung
ist sehr erfolgreich und hat sich über die Grenzen Deutschlands hinaus bewährt.
Um es nicht zu gefährden, bitten wir die Bundesregierung, sich auch weiterhin
- bei den Beratungen des Green Package im Ministerrat und im Hinblick auf die Diskussionen
im Europäischen Parlament - für die individuelle Zielerreichung in den einzelnen
Mitgliedstaaten einzusetzen. Das beinhaltet, die Kommission und den Ministerrat davon
zu überzeugen, die Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten über geeignete
Förderinstrumente zur Zielerfüllung nicht einzuschränken, keinen europaweiten
virtuellen Zertifikatehandel zur Förderung erneuerbarer Energien auf der Ebene
der Unternehmen einzuführen, den Staaten die Möglichkeit zu geben, Zielüberfüllungen
von Staaten mit Defiziten anderer Staaten auszugleichen.
Es macht keinen Sinn, mitten im Rennen die Pferde zu wechseln. Das Erreichen unserer
ehrgeizigen Ausbauziele wird unter Anwendung der bewährten Instrumente schon
schwierig genug werden. Deshalb denken wir im Bundestag nicht über die komplette
Umstellung des Fördersystems nach, sondern sind jetzt dabei, das EEG noch effizienter
zu gestalten und die erneuerbaren Energien näher an den Markt zu führen.
Das EEG ist ein Erfolgsmodell: es forciert effektiv den Ausbau erneuerbarer Energien
und trägt zur Versorgungssicherheit bei, es ist ein Jobmotor, es sorgt für
effizienten Klimaschutz und schafft Innovationen in der Wirtschaft. Wir wollen es
deshalb zur Erreichung der ehrgeizigen Klimaschutzziele erfolgreich weiterentwickeln.
Dies kann aber nur gelingen, wenn sichergestellt ist, dass das Erfolgsmodell EEG nicht
durch europäische Vorgaben unterlaufen wird. Deshalb bitten wir Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen, um Unterstützung des Koalitionsantrags.
Dirk Becker (SPD): Die Bundesrepublik Deutschland
hat durch die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD umfangreiche
Maßnahmen zum Klimaschutz auf den Weg gebracht. Hintergrund ist die im internationalen
und europäischen Kontext eingegangene Verpflichtung, den nationalen Ausstoß
an Treibhausgasen um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 zu reduzieren. Damit wird Deutschland
den größten nationalen Anteil innerhalb der EU leisten, damit diese insgesamt
ihre geplanten Minderungsziele erreichen kann.
Wir unterstützen die EU ausdrücklich in ihrem Bemühen, die Energieeffizienz
bis 2020 um 20 Prozent zu steigern, den Ausstoß der Treibhausgase EU-weit um
30 Prozent zu reduzieren und den Anteil der erneuerbaren Energien auf mindestens 20
Prozent zu steigern. Gerade dem Ausbau der erneuerbaren Energien fällt dabei
eine entscheidende Schlüsselrolle zu.
Die SPD-Bundestagsfraktion verweist daher mit Stolz auf das unter Rot-Grün verabschiedete
erfolgreiche EEG. Mittlerweile ist unbestritten bewiesen, dass das EEG das effizienteste
und günstigste System zur Markteinführung erneuerbarer Energien im Stromsektor
ist. Es hat sich deutlich gegenüber anderen Modellen bewährt, was weder
auf EU-Ebene noch im nationalen Vergleich mit anderen Modellen bestritten wird. Mehr
als 40 Länder haben daher mittlerweile das EEG für ihre nationale Strategie
übernommen. Nicht zuletzt wegen dieser eindeutigen Erfolgsbilanz ist unser heutiger
Koalitionspartner vom EEG-Kritiker zum Befürworter geworden. Dies bestätigt
und freut uns natürlich besonders.
Ebenso freut uns die Entwicklung des tatsächlichen EEG-Anteils an der Stromerzeugung,
die heute deutlich über den ursprünglichen Prognosen liegt. Nur wenn dieses
erfolgreiche deutsche Modell des EEG fortgeführt wird, kann Deutschland seinen
Beitrag im Rahmen der europäischen Minderungsziele erfüllen. Daher muss
auch künftig die Entscheidungsfreiheit über geeignete Förderinstrumente
den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Das von der EU angedachte Zertifikatesystem
hingegen würde die Ausbauziele gefährden und die Kosten für den Einsatz
erneuerbarer Energien in die Höhe treiben. Dies ist weder im europäischen
noch im deutschen Interesse.
Daher fordern wir die Bundesregierung auf, sich bei der Kommission und im Ministerrat,
vor allem im Hinblick auf die kommenden Schlussfolgerungen des EU-Frühjahrsgipfels
zum Lissabon-Prozess, dafür einzusetzen, dass im Sinne des Subsidiaritätsprinzips
die Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten über geeignete Förderinstrumente
zur Zielerfüllung nicht eingeschränkt wird, dass kein europaweiter virtueller
Zertifikathandel zur Förderung erneuerbarer Energien auf der Ebene der Unternehmen
eingeführt wird, da dieser ein untaugliches und den Ausbau erneuerbarer Energien
gefährdendes Instrument wäre, dass den Staaten die Möglichkeit gegeben
wird, Zielüberfüllungen von Staaten mit Defiziten anderer Staaten auszugleichen,
und bei der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten, insbesondere bei der slowenischen
und französischen Ratspräsidentschaft, für diese Positionen zu werben.
Michael Kauch (FDP): Umweltverträglichkeit,
Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit sind die Voraussetzungen für eine
nachhaltige Energieversorgung. Deshalb setzen auch die Freien Demokraten auf einen
deutlich stärkeren Einsatz erneuerbarer Energiequellen in Deutschland und in
Europa. Ja, dazu brauchen wir auch staatliche Fördermaßnahmen. Doch auch
eine Förderpolitik erneuerbarer Energien muss sich an der Wirtschaftlichkeit
messen lassen und mehr Wettbewerb als bislang zulassen. Für einen marktwirtschaftlichen,
effizienten Weg zur Förderung der erneuerbaren Energien - dafür steht die
FDP.
Die Zielsetzungen des Europäischen Rates vom März 2007, wonach der Anteil
erneuerbarer Energien bis 2020 auf 20 Prozent am Primärenergieverbrauch gesteigert
werden soll, begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich. Und
- darin unterscheiden wir uns offensichtlich von den anderen Fraktionen im Bundestag
- wir sehen in dem Vorschlag der Europäischen Kommission Anfang dieses Jahres
nicht zuerst einen Angriff auf das deutsche EEG, sondern vor allem eine Chance, auch
andere Wege zur Förderung der erneuerbaren Energien in ganz Europa zu gehen.
Ein Handel mit "Grünstrom-Zertifikaten" würde bedeuten, dass die
erneuerbaren Energien dort ausgebaut werden, wo es am wirtschaftlichsten ist. Wir
stimmen Ihnen zu, dass es den Mitgliedstaaten überlassen bleiben soll, ob sie
so einen Handel auch auf Unternehmensebene zulassen. Dafür spricht das Subsidiaritätsprinzip.
Aber wir sagen anders als die Koalition: Auch Deutschland sollte sich in nationaler
Entscheidung für den weiteren Zubau bei den erneuerbaren Energien am Modell des
Handels mit "Grünstrom-Zertifikaten" orientieren - zumindest nach einer
angemessenen Übergangsperiode.
Die bisherige Ausrichtung des EEG, wodurch allein die Erzeugung von elektrischem Strom
und dessen Einspeisung in ein bestehendes Netz zu staatlich vorgegebenen Preisen und
bei selektiver Förderung bestimmter Techniken gefördert wird, ist nicht
sinnvoll; denn das EEG ist anfällig für das Lobby-Gezerre bei der Festlegung
der Einspeisepreise. Und das EEG ist zwar empirisch leistungsfähig beim Zubau
von Kapazitäten, aber dabei eben nicht effizient. Wenn die Koalition das behauptet,
dann hat sie die Gutachten der EU-Kommission eben nicht richtig gelesen. Man kann
nicht einfach Windstrom in Deutschland und Großbritannien vergleichen und dann
sagen, das EEG sei billiger. Was ist denn mit den Preisen der anderen erneuerbaren
Energien, die das EEG fördert? Hier wird doch zum Teil deutlich mehr vom Verbraucher
aufgewendet. Solch eine Rosinenpickerei beim Vergleich der Effizienz von Systemen
kann man nicht seriös machen.
Die FDP plädiert nicht für ein reines Mengensteuerungsmodell wie in Großbritannien,
sondern für ein Modell der differenzierten Mengensteuerung. Wir halten dabei
eine prinzipielle Fortsetzung der EEG-Förderung für Altanlagen für
richtig. Für den Neubau wollen wir aber den Einstieg in den EU-weiten Handel
mit "Grünstrom-Zertifikaten". Dabei sollten die Energieversorger in
Deutschland verpflichtet werden, bis 2020 im Stromsektor für 30 Prozent ihrer
verkauften Energiemenge Zertifikate nachzuweisen, um das Gesamtziel "20 Prozent
erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch" zu erreichen. EEG-Mengen
aus Bestandsanlagen sind darauf anzurechnen.
Die wichtigste Abweichung von der reinen Mengensteuerung im FDP-Modell besteht aber
in Folgendem: Innovative und vielversprechende Technologien, die aufgrund ihres Entwicklungsstandes
im Markt noch nicht eigenständig bestehen können, sollen aus unserer Sicht
zusätzlich steuerfinanzierte, zeitlich befristete und degressive Zuschüsse
zu den Erlösen erhalten, die die Betreiber im System der Mengensteuerung erwirtschaften.
Nutznießer solcher Erlöszuschüsse wäre unter anderem die Fotovoltaik,
da sie, von einem hohen Kostenniveau kommend, massive Kostensenkungsraten pro Jahr
realisiert. Eine solche Technologiepolitik sollte aber vom Steuerzahler und nicht
vom Stromverbraucher finanziert werden, denn den Nutzen für den Standort Deutschland
haben nicht nur diejenigen, die einen hohen Stromverbrauch haben.
Die Entscheidung der EU-Kommission zur Förderung der erneuerbaren Energien in
Europa ist keine Gefahr für Deutschland, sondern eine Chance. Wir sollten auch
im nationalen Interesse diese Chance annehmen und nicht allein in Abwehrhaltung gegenüber
der EU verfallen, wie es der vorliegende Antrag von Union und SPD vormacht. Das EEG
als heilige Kuh der deutschen Energiepolitik - die ideologische Lobhudelei aufs EEG
im Feststellungsteil des Antrags, die ein Instrument quasi zum eigenständigen
Ziel erhebt, ist mit der FDP nicht zu machen. Der Antrag ist im Übrigen völlig
überholt; denn das, was Sie in Ihrem Antrag letztlich fordern, nämlich die
nationale Entscheidung über das Förderinstrument, hat die EU-Kommission
doch längst vorgesehen. Wir werden deshalb den unausgegorenen Schaufenster-Antrag
der Koalition ablehnen.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
ist ein Erfolgsmodell, das weltweit Schule macht. Es ist ein Garant für die Erreichung
der erforderlichen Klimaschutzziele und ersetzt knappes und teures Öl und Gas.
Das EEG ist ein Beschäftigungsmotor und eine wirksame Friedensdividende. Denn
um Solar- und Windenergie wird kein Krieg geführt, während Öl und Atomenergie
immer näher an militärische Tendenzen heranrücken.
Es gibt jedoch Hindernisse beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Dabei meine ich
nicht die FDP, die sich mit der ablehnenden Haltung gegenüber dem EEG bereits
ins Abseits befördert hat. Vielmehr schürt die kartellartige Energiewirtschaft
Stimmung gegen die Zukunftsenergien. Da ist es doch erstaunlich, dass SPD-Umweltminister
Gabriel der Kohlelobby das Wort redet und Herr Clement der Atomindustrie beispringt.
Wofür stehen die Sozialdemokraten eigentlich? Ist ihnen nicht bewusst, dass sie
mit den EEG-Verhinderern Tango tanzen? Sie lassen sich besser von Frau Ypsilanti in
Hessen beraten. Die sagt ganz klar: Keine neuen Kohlekraftwerke, raus aus der Atomkraft
und 100 Prozent erneuerbare Energien!
Man muss festhalten, dass die Verhinderer unter den Energiebossen auf EU-Ebene fast
einen Sieg davongetragen haben. Sie wollten das Erfolgsmodell EEG europaweit abschaffen
und durch einen Zertifikatehandel ersetzen. Die Folge wäre ein Stillstand bei
den erneuerbaren Energien gewesen. Denn wenn in jedem Land nur noch Unternehmen bestimmte
Anteile erneuerbarer Energien europaweit handeln, wäre ein Technologie-Dumping
die Folge: Nur was billig ist und einfach zu realisieren, käme zum Zuge. Innovation,
Weiterentwicklung und kluge Netzintegration würden auf der Strecke bleiben. Darüber
hinaus ist die Zertifikatelösung für die Stromkunden teurer als das EEG.
Das zeigen die Beispiele in den Ländern, die mit diesem Modell leben müssen.
Deshalb ist es richtig, mit dem vorliegenden Antrag im Bundestag die Reihen zu schließen
- vielleicht auch mit Hilfe der Liberalen - und ein klares Signal an die EU-Kommission
und die Energiebosse zu senden: Das EEG muss erhalten bleiben und als Erfolgsmodell
EU-weit durchgesetzt werden. Deshalb wird die Linksfraktion dem Antrag zustimmen.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Die Linke deutlich höhere
Anteile an erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa für machbar hält.
Aus unserer Sicht ist auch eine stärkere Senkung des Klimagasausstoßes
erforderlich. Das haben wir an anderer Stelle deutlich gemacht. Auch halten wir einen
Austausch von erneuerbaren Energiemengen bei Übererfüllung der einzelstaatlichen
Ziele für falsch. Gleichwohl stellen wir uns hinter die Hauptforderung des Antrags:
Kein Zertifikatehandel für erneuerbare Energien auf Kosten von Arbeitsplätzen
und Innovation. Das EEG darf nicht durch die Energiekonzerne unterlaufen werden.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat einen unerwartet erfolgreichen Siegeszug hinter
sich. Bei der Verabschiedung im Jahre 2000 gab es vor allem Kritiker und Zweifler,
ob das angepeilte Ziel von 12,5 Prozent Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung
bis 2010 überhaupt erreichbar sei. Ende 2007 wurden allen Unkenrufen zum Trotz
bereits 14,3 Prozent erreicht. Hätten wir 2000 auf die Gegner des EEGs gehört
und ein Quoten-Zertifikatssystem eingeführt, hätte dies zwei Konsequenzen
gehabt: Erstens. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wäre ins Stocken gekommen.
Und zweitens wäre der Ausbau viel teurer gekommen. Deutschland nutzt zehnmal
mehr Windenergie als Großbritannien, und das, obwohl in Großbritannien
viel mehr Wind weht als hierzulande und obwohl in Großbritannien fast doppelt
so viel für die Kilowattstunde Windstrom gezahlt wird.
Deutschland hat mit dem EEG das weltweit bedeutendste Innovationsprogramm. Nur mit
diesem Fördermodell konnten Technologien wie die Fotovoltaik einen Markt entwickeln.
Es gibt kein Quoten-Zertifikatsmodell, das der Fotovoltaik einen Markt gegeben hätte.
Deutschland ist heute nicht nur Weltmeister bei der Fotovoltaik. Hierzulande werden
auch die niedrigsten Preise für Fotovoltaikanlagen bezahlt. Dies hat sogar die
Internationale Energieagentur bestätigt.
Bestätigt wurde sowohl die Effektivität des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
als auch dessen Effizienz von der EU-Kommission. Das heißt die EU-Kommission
ist sich vollkommen bewusst, dass mit diesem Instrument der Ausbau der erneuerbaren
Energien besonders umfassend und kostengünstig vorangetrieben wird. Umso unverständlicher
sind die Versuche von Teilen der EU-Kommission, das EEG durch ein Fördermodell
abzulösen, das sich bislang nirgends auf der Welt bewährt hat. Getrieben
wird die EU-Kommission vor allem von der europäischen konventionellen Energiewirtschaft,
die Jahr für Jahr mitansehen muss, wie erneuerbare Energien ihren Atom- und Kohlekraftwerken
Konkurrenz machen und die Preise senken.
Die Stromkonzerne wollen die erneuerbaren Energien mit einem Quoten-Zertifikatssystem
ähnlich in ihren Herrschaftsbereich übernehmen, wie dies den Mineralölkonzernen
mit den nationalen Quotensystemen für Biokraftstoffe gelungen ist. Mehr noch:
Die Energiekonzerne erhoffen sich Mitnahmeeffekte mit dem ineffizienten Zertifikatssystem.
Als Vorbild soll der Emissionshandel dienen, der den Energiekonzernen Mitnahmeeffekte
in mehrstelliger Milliardenhöhe ermöglicht hat, aber faktisch noch kein
CO2 eingespart hat. Wissenschaftler schätzen die möglichen Mehrkosten eines
Quoten-Zertifikatssystems auf etwa 100 Milliarden Euro im Vergleich zu Stromeinspeisungssystemen.
Kein Wunder, dass hier die Lobbyisten scharren, damit dieser neuer Fettnapf geschaffen
wird. Es fragt sich nur, wieso Teile der EU-Kommission die Interessen der Stromkonzerne
vertreten anstatt die der Bürger.
Der Richtlinienentwurf sieht entgegen den Befürchtungen keine Verpflichtung zu
einem Quoten-Zertifikatssystem vor. Dennoch enthält er eine Reihe von Ansätzen,
die in diese Richtung gehen. Mehr noch: Die EU-Kommission arbeitet im Hintergrund
weiter in Richtung Quoten-Zertifikatssystem. Umso wichtiger ist, dass die Regierungen
hier dagegenhalten. Es ist daher von großer Bedeutung, dass der Deutsche Bundestag
der Bundesregierung einen eindeutigen Auftrag gibt.
Wir begrüßen daher den Antrag der Regierungsfraktionen, der genau dies
tut, nämlich die Bundesregierung auf die Verteidigung des bewährten Erneuerbare-Energien-Gesetzes
festzulegen, und dazu auffordert, dass sie gegen ein europäisches Quoten-Zertifikatssystem
angeht. Der Antrag der Regierungsfraktionen findet daher unsere Zustimmung.
Sicher, es gibt auch Punkte, wo wir uns mehr Mut in dem Antrag gewünscht hätten.
So begrüßt der Antrag die Ziele der EU zur Einsparung von CO2 und zum Ausbau
der erneuerbaren Energien. Wir sind uns sehr bewusst, dass diese Ziele mutlos und
viel zu vorsichtig sind. Aber das deutsche Beispiel hat gezeigt, dass Ziele nachrangig
sind, wenn das Instrument stimmt. Wenn die 20 Prozent für erneuerbare Energien
europaweit deutlich vor 2020 erreicht werden, ist das Ziel Makulatur. Erforderlich
wäre hierfür allerdings die europaweite Einführung von Stromeinspeisungssystemen
im Stromsektor. Die Bundesregierung sollte sich genau dafür einsetzen. Damit
könnte sie auch die Peinlichkeit ausgleichen, dass die Kanzlerin sich in der
EU für ein 20-Prozent-Ziel für erneuerbare Energien eingesetzt hat, ihre
Minister aber später in Brüssel dafür kämpften und kämpfen,
dass Deutschland lediglich 18 Prozent erreichen muss.