Januar 2008 |
080101 |
ENERGIE-CHRONIK |
(Auszug aus dem Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 17. Januar 2008)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Energiekosten für Privathaushalte mit geringem Einkommen sofort wirksam senken
- Drucksache 16/7745 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE
Umstieg auf den öffentlichen Verkehr fördern und Benzinpreisanstieg sozial
abfedern
- Drucksache 16/7524 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Es ist vorgesehen, hierzu eine halbe Stunde zu debattieren, wobei die Fraktion der
Linken fünf Minuten erhalten soll. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann
ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Kollegen Hans-Kurt Hill für die
Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! "Ich werde mich ... für
eine deutliche Verbesserung beim Wohngeld einsetzen". Mit diesen Worten wurde
Bundesbauminister Tiefensee in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung
zitiert. An die Adresse des Ministers: Das hat die Linke bereits 2006 hier im Hause
gefordert. Wenn auch alle Parteien im Hohen Hause damals unseren Antrag ignoriert
haben - unsere Unterstützung in der Sache wird der Minister bekommen. Nur eines
sagen wir: Ankündigungen reichen nicht. Wir wissen aus Erfahrung: Bei Gesetzesvorschlägen
der Großen Koalition kommt meistens am Ende nichts heraus. Das ist eine bittere
Erkenntnis, vor allem für die Bürgerinnen und Bürger, die seit Jahren
massive Preiserhöhungen im Energiebereich akzeptieren müssen. Der Kollege
Finanzminister Steinbrück nimmt ebenfalls mit der Preistreiberei an den Tankstellen
über die Mehrwertsteuer Milliarden ein. Für die gebeutelten Pendlerinnen
und Pendler hat er aber keinen Cent übrig. Das ist mit uns nicht zu machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Während SPD-Minister Gabriel immer wieder feststellt, dass Strom und Gas zu teuer
sind, erhöhen die Konzerne unbeeindruckt die Preise. CSU-Minister Glos will Energiepreise
und Netze besser kontrollieren, bittet aber die gebeutelten Strom- und Gaskunden um
einige Jahre Geduld. Man müsse erst einmal sehen, ob die neuen Paragrafen wirken.
Ich sage ganz deutlich: Die Leute haben es einfach satt, zu warten. Tun Sie etwas
für die Verbraucherinnen und Verbraucher, und hören Sie auf, die Eons, Vattenfalls,
EnBWs und RWEs zu schonen!
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke hat dazu fünf konkrete Vorschläge vorgelegt.
(Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Enteignung!)
Erstens. Wir fordern die Wiedereinführung der Strom- und Gaspreisaufsicht bei
den Ländern. Verbraucherschützern muss im Interesse der Kundinnen und Kunden
ein Klagerecht eingeräumt werden, um Missbrauch wirksam zu bekämpfen.
Zweitens. Wir fordern deutlich günstigere Tarife bei Strom und Gas für Haushalte
mit geringem Einkommen, und wir fordern ein Verbot von Stromsperren.
(Beifall bei der LINKEN)
Wichtig ist natürlich, dass diese Sozialtarife an eine verpflichtende Energiesparberatung
gekoppelt werden. Es ist ein schlechter Witz, wenn Umweltminister Gabriel heute Morgen
an dieser Stelle die Monopolisten für sogenannte Sozialtarife auch noch lobt.
Vorne ein wenig Imagepflege, und hinten herum schaltet Eon armen Haushalten gleichzeitig
den Strom ab, weil sie bei der Preistreiberei einfach nicht mehr mithalten können.
Sozialtarife sind Aufgabe des Gesetzgebers. Wer Sozialtarife allein in die Hände
profitgieriger Konzerne gibt, hat die betroffenen Menschen im Land doch schon längst
aufgegeben.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Wir fordern, das Wohngeld zu erhöhen und die Warmmiete als Maßstab
heranzuziehen. Eines muss uns doch klar sein. Seit der letzten Wohngeldanhebung sind
die Energiepreise um rund 50 Prozent gestiegen. Das heißt, selbst eine Anhebung
um 15 Prozent, wie es der Mieterbund fordert, kann nur die größte Not lindern.
Was auch beim Wohngeld bisher fehlt, ist eine brauchbare Energieberatung. Das lohnt
sich für beide Seiten.
Im Übrigen ist die beste Hilfe die Einführung des Mindestlohns.
(Widerspruch des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU])
Wer von seinem Einkommen leben kann, Herr Pfeiffer, braucht kein Wohngeld.
(Beifall bei der LINKEN)
Viertens. Wir fordern die Stärkung der Bus- und Bahnverkehre. Mehrwertsteuereinnahmen
dank überteuerter Spritpreise müssen in den öffentlichen Personennahverkehr
fließen.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wahnsinn!)
Im Bahnfernverkehr muss der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt
werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Letzter Punkt. Wir fordern die Entlastung von Pendlerinnen und Pendlern mit geringem
Einkommen. Der Weg zur Arbeit muss bezahlbar sein. Gerade in Ostdeutschland, wo die
Flächenbahn mit Billigung der Bundesregierung systematisch abgeschafft wird und
wo von den Leuten auch noch verlangt wird, weite Anfahrten in Kauf zu nehmen, muss
für die Betroffenen ein finanzieller Ausgleich her.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unseren Anträgen zu, wenn Sie es ernst
meinen mit sozialer Gerechtigkeit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig - es wurde
dieser Tage auch vom Statistischen Bundesamt festgestellt -: Die Energiepreise sind
im vergangenen Jahr so stark gestiegen wie seit 13 Jahren nicht mehr. Inflationstreibend
wirkt vor allem der Anstieg der Energie- und der Lebensmittelpreise. Die gesamten
Energiekosten der Verbraucher sind im vergangenen Jahr im Durchschnitt um 4 Prozent
gestiegen. Der Strom verteuerte sich gar um 7 Prozent. Auch an der Zapfsäule
musste der Autofahrer deutlich mehr, 4 Prozent, als im Jahr 2006 zahlen.
Wenn man zurückblickt und einmal die letzten acht bis zehn Jahre betrachtet,
dann stellt man fest: Die Preise im Energiebereich sind in der Tat vor allem nach
oben gegangen. Man darf es sich allerdings nicht zu einfach machen und sollte schon
analysieren, was die Gründe dafür sind und wer verantwortlich ist. Falsch
ist der Ruf nach dem Staat: Der Staat soll es regeln, am besten durch die Festlegung
von Tarifen, durch die Festlegung für einzelne Gruppen oder durch irgendwelche
anderen Festlegungen. Das führt sicher in die falsche Richtung.
Preiserhöhungen und auch Preissenkungen sind in einer Marktwirtschaft ein normales
Mittel, das dann funktioniert, wenn der Wettbewerb funktioniert. Da müssen wir
in der Tat ansetzen: Der Wettbewerb im Energiebereich funktioniert noch nicht in ausreichendem
Umfang.
In diesem Hause gibt es in dieser Hinsicht in der Tat grundlegende Unterschiede, zumindest
zwischen der Union und einigen anderen. Wir sagen: Wenn der Wettbewerb noch nicht
richtig funktioniert, dann sollte man darauf nicht in der Form reagieren, dass man
den Wettbewerb wieder abschafft und durch staatliche Reglementierungen ersetzt, sondern
indem man den Wettbewerb funktionsfähig macht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa hat man bereits vor zehn Jahren den
Weg des Wettbewerbs beschritten. Wenn man jetzt einmal analysiert, wo man steht, dann
stellt man fest: Es gibt Bereiche, die sich sehr gut entwickelt haben, auch im vergangenen
Jahr, trotz der Anstiege. Was macht denn den Energiepreisanstieg aus? Dafür gibt
es natürlich weltwirtschaftliche Gründe: Die Importabhängigkeit Deutschlands
und Europas nimmt weiter zu. Auch die globalen Energiemärkte kennen nur einen
Weg, nämlich den des Preisanstiegs, und das hat Rückwirkungen auf Deutschland
und Europa.
Die Gründe dafür liegen aber auch in Strukturen, die wir beeinflussen können.
In der Tat gibt es im Bereich des Wettbewerbsmarktes, im Bereich der Erzeugung von
Strom, aber auch in anderen Bereichen oligopolistische Strukturen; der Wettbewerb
funktioniert dort noch nicht richtig. Es gibt auch Monopolstrukturen, nämlich
im Netzbereich. Hier sind wir den Weg des regulierten Netzzuganges gegangen. Die Netzkosten
hatten den größten Anteil an den Preisanstiegen der vergangenen zehn Jahre.
Die Ex-ante- und die Anreizregulierung, die 2005 eingeführt wurden, stellen einen
Paradigmenwechsel dar. Damit wurde auch im Netzbereich, in dem es ein natürliches
Monopol gibt, klar der Pfad der wettbewerblichen Orientierung betreten. Das ist zukunftsweisend
und trägt nun erste Früchte.
Die Bundesnetzagentur hat es im Dezember dargelegt: Erstmalig sind die Netznutzungsentgelte
nicht nur auf gleichem Niveau geblieben, sondern gesunken. Die Netznutzungsentgelte
für normale Haushaltskunden sind im letzten Jahr um 1 Cent pro Kilowattstunde
- von 7,7 Cent auf 6,7 Cent - gesunken. Der Anteil der Netznutzungsentgelte an den
Stromkosten ist von über 38 Prozent auf 32 Prozent gesunken. Dies ist uns mit
unserer Politik und unseren Maßnahmen, die im vergangenen Jahr Wirkung gezeitigt
haben, gelungen, und zwar unter den schwierigen Bedingungen global ansteigender Preise,
von denen wir uns nicht abkoppeln können.
Mit der Einführung der Anreizregulierung haben wir die Schienen dafür gelegt,
dass die Netznutzungsentgelte in den nächsten Jahren um 20 bis 30 Prozent zurückgehen
werden. Das heißt, in den nächsten fünf bis sieben Jahren werden die
Netznutzungsentgelte, die sich heute in einer Größenordnung von 22 Milliarden
Euro bewegen, auf rund 18 Milliarden Euro sinken. Es müssen also 4 Milliarden
Euro weniger Entgelte gezahlt werden; diese Summe kommt letztlich als Ersparnis bei
den Kunden an. Im Bereich der Netze zeigt unsere Politik Wirkung. Wir sind dort auf
dem richtigen Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Hans-Kurt Hill [DIE
LINKE]: Das hilft den Wohngeldempfängern!)
In einem anderen Bereich des Wettbewerbs funktionieren die Dinge noch nicht im notwendigen
Umfang.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Was machen wir dann?)
Die Oligopolunternehmen haben in vielen Bereichen genügend Marktmacht, um etwa
niedrigere Preise für Emissionszertifikate durchzusetzen,
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Können wir auch abschöpfen, mit einer Abschöpfungsteuer?)
während andere, zum Beispiel im Stahlbereich, das nicht können und höhere
Preise zahlen müssen. Insofern ist noch Handlungsbedarf gegeben. Mit den jetzt
angekündigten Maßnahmen und mit den am 1. Januar in Kraft getretenen Änderungen
des GWB haben wir Instrumente geschaffen, die zu einer Verbesserung führen können.
Wir sind also in einem zweiten wichtigen Bereich in die richtige Richtung unterwegs.
Wir müssen uns an die eigene Nase fassen, wenn es um einen dritten Bereich, die
staatlichen Abgaben, geht. Ihr Anteil an den Energiepreisen beträgt noch immer
40 Prozent. Wenn man auf der einen Seite die staatlichen Abgaben erhöht, indem
man ständig neue Instrumente erfindet und die Schraube nach oben dreht, und auf
der anderen Seite, weil das zu weit geht, für eine Entlastung durch den Staat
sorgt, dann ist man wirklich in der DDR. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg
ist. Wir müssen klar sagen, dass wir bei der Erhöhung der staatlichen Abgaben
am Ende angekommen sind.
Der Klimaschutz ist in aller Munde und wird von allen entsprechend unterstützt.
Wir müssen auch sagen, dass der Klimaschutz aufgrund steigender Zertifikatspreise,
der Förderung der erneuerbaren Energien und anderer Dinge kurzfristig Kosten
verursacht. Auch hierbei handelt es sich letztlich um staatliche Instrumente. Auch
die willkürlich gekürzten Laufzeiten der Kernkraftwerke wirken für
den Verbraucher nicht kostensenkend. Wenn wir diese beibehalten würden, hätten
wir eine Chance, hier etwas Positives zu erreichen.
Was müssen wir tun? Wir müssen einen breiten Energiemix haben. Ich lehne
staatliche Eingriffe ganz klar ab.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: 3 Prozent bei der Mehrwertsteuer sind auch ein staatlicher
Eingriff!)
Es geht darum - das hat die Bundeskanzlerin in dieser Woche noch einmal bestätigt
-, mehr Wettbewerb durch einen breiten Energiemix zu erreichen. In diesem Wettbewerb
ist auch der Verbraucher gefordert. Der Verbraucher muss seine Souveränität
ausüben.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Indem man ihm den Strom sperrt!)
Schauen wir einmal, wie sich die Wechselbereitschaft entwickelt hat. Im Telekommunikationsbereich
ist es heute selbstverständlich, dass sich die Leute an den Tarifen orientieren
und die Inanspruchnahme optimieren. Im Strombereich ist es immer noch so, dass 80
bis 90 Prozent der Kunden den Anbieter nicht wechseln, auch wenn sich im letzten Jahr
da einiges getan hat. Von 1998 bis 2007 haben gerade einmal 2 Millionen Menschen den
Anbieter gewechselt. Im Laufe des Jahres 2007 waren es insgesamt 4,5 Millionen. Hier
kommt eine Dynamik in Gang. Der Konsument ist ein wichtiger Player.
Betrachten wir einmal eine Großfamilie in Ulm. Die könnte heute, wenn sie
den Anbieter wechselt, je nach Tarif bis zu 600 Euro pro Jahr sparen. Das ist nicht
nur in Ulm so; das ist in der ganzen Republik so. Es gibt hier auch eine Verantwortung
des einzelnen Konsumenten; er muss etwas tun.
Wenn jetzt nach Sozialtarifen oder Sonstigem gerufen wird, dürfen wir nicht vergessen,
dass diese Tarife subventioniert werden müssten. Wer müsste das bezahlen?
Das wären diejenigen, die gerade knapp über der Grenze liegen, wenn es darum
geht, ob sie einen Sozialtarif in Anspruch nehmen können. Diese sind häufig
eh schon zu sehr belastet.
Insofern ist der richtige Weg der, dass die Unternehmen im Wettbewerb etwas tun; das
haben sie auch angekündigt. Wir werden das im Auge behalten. Es ist mit Sicherheit
falsch, weiter staatliche Eingriffe vorzunehmen. Der beste Verbraucherschutz und das
Beste für den Verbraucher ist ein funktionierender Wettbewerb. Deshalb müssen
wir den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen und die Wettbewerbselemente stärken.
Nur dann werden wir im Ergebnis für den Verbraucher, und zwar für den schwachen
genauso wie für den starken, etwas erreichen, und nur so bekommen wir das Thema
Energiepreise in den Griff. Lassen Sie uns in diesem Sinne weiterarbeiten und nicht
mit Planwirtschaft und Sozialismus den Weg ins Gestern antreten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Hill möchte eine Kurzintervention machen, zu der ich ihm das Wort
erteile.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Herr Kollege Pfeiffer, ich habe eigentlich nur eine Frage an Sie: Wenn unser Bundesbauminister
jetzt wirklich eine Erhöhung des Wohngeldes plant und in diesem Zusammenhang
insbesondere mit den erhöhten Energiepreisen argumentiert, werden Sie ihn dann
dabei unterstützen?
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Darüber werden wir diskutieren.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Oh, sehr interessant! - Zuruf von der FDP: Das war
kurz!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich gebe das Wort der Kollegin Gudrun Kopp für die FDP.
(Beifall bei der FDP)
Gudrun Kopp (FDP):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! Ich glaube, die Debatte läuft
in eine falsche Richtung. Wir brauchen bei den zweifellos sehr hohen Energiekosten
in erster Linie mehr netto für die Bürger und mehr Wettbewerb. Wir brauchen
nicht mehr Staat, Zwangsregelungen, staatlich verordnete Sozialtarife und Erstattungsorgien
bei geringen Einkünften, wobei man natürlich - das sage ich an die Adresse
der Antragsteller, der Linken - definieren müsste, was eigentlich geringe Einkünfte
sind. Wo sind Ihrer Meinung nach die Grenzen?
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Wohngeldempfänger! Hartz-IV-Empfänger!
Ist das so schwierig?)
Sie sagen, dass Sie Pendlern, die Geringverdiener sind, die Spritkosten ab einem bestimmten
Satz erstatten möchten. Sie nennen bei Benzin einen Preis von 1,20 Euro pro Liter
und bei Diesel von 1,10 Euro pro Liter. Da frage ich Sie: Setzen Sie solche Preise
selber fest? Sagen Sie, dass die Spritkosten bis dahin akzeptabel sind? Das ist doch
absurd.
Ich kann nur sagen, dass die beiden Anträge, die Sie vorgelegt haben, eine Verstaatlichung
bedeuten. Es ist bereits heute Morgen bei der Klimadebatte sehr deutlich geworden,
dass Sie auf mehr Staat setzen, auf weniger Freiheit und natürlich auch darauf,
dass die Bürger immer weniger mündig sein sollen. Das ist nicht unser Weg.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir Liberale erinnern sehr ausdrücklich daran, dass auch diese Bundesregierung,
lieber Kollege Pfeiffer, längst nicht alle Hausaufgaben gemacht hat. Natürlich
brauchen wir mehr Wettbewerb - darauf gehe ich gleich noch einmal ein -, aber es ist
doch zugleich völlig klar, dass wir dringend eine Strategie zur Steuer- und Abgabenentlastung
brauchen.
(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)
Sie können nicht einfach so tun, als hätten Sie damit nichts zu tun. Die
Energiesteuern und die Abgaben auf Energie steigen doch immer weiter. Das ist nicht
in Ordnung. Ein Anteil von 40 Prozent an den Strompreisen ist staatlich verursacht,
und der Steueranteil bei den Spritpreisen beträgt über 70 Prozent. Dass
sich der Staat hier in erster Linie selber bedient und einen Teil des Problems darstellt,
das sollten wir hier doch nicht verschweigen.
(Beifall bei der FDP)
Wir brauchen selbstverständlich auch mehr Wettbewerb. Gerade im Bereich der Stromerzeugung
gibt es eine starke Marktkonzentration. Unser aller Bemühen muss dahin gehen,
diese Marktkonzentration aufzubrechen.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Wie lange warten wir noch?)
Dazu gibt es verschiedene Gesetze und Initiativen, die wir auf den Weg gebracht haben,
zum Teil auch gemeinsam. Auch die Regulierung der Netze zeigt ihre Wirkung. Das alles
ist richtig und auch gut, aber es reicht bei weitem nicht aus.
Auf der einen Seite haben wir das Problem der staatlichen Lasten, auf der anderen
Seite haben wir - das sage ich ausdrücklich an die Adresse der Union - das Problem
des mangelnden Energiemixes. Dies wird uns einholen; denn unser Blick ist in dieser
Frage verengt. So muss ich leider feststellen, dass bei dem Dreiklang von Klimaschutz,
Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit, dessen Bewahrung eigentlich die
Hauptgrundlage unserer Energiepolitik bilden sollte, der Punkt Versorgungssicherheit
in letzter Zeit völlig außer Acht gelassen wurde. Das hat auch ganz stark
mit der Frage des Energiemixes zu tun. An der Produktion von Strom führt ja kein
Weg vorbei. Zugleich brauchen wir eine möglichst CO2-arme und kostengünstige
Stromproduktion,
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Den wir dann exportieren!)
wenn wir unsere Klimaschutzziele auch nur annähernd erreichen wollen. Dazu benötigen
wir natürlich auch die Kernenergie. Leider müssen wir feststellen, dass
Sie sich damit abgefunden haben, dass man nicht mehr auf dem breiten Energiemix, der
nötig wäre, aufbaut.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch gar nicht wahr!)
So stellt sich nun die Frage, wie wir uns zum Kraftwerkszubau verhalten. Wir brauchen
dringend neue Kraftwerke. Aber die Pläne zum bundesweiten Ausbau und Neubau von
Kohlekraftwerken sind stark zurückgefahren worden, weil an den vorgesehenen Standorten
häufig die Akzeptanz fehlte. Das Beispiel aus dem Saarland haben wir ja schon
gehört. Aber auch in Dissen-Bad Rothenfelde soll ein Kraftwerk gebaut werden.
Ich war dort vor kurzem und habe mit der Bürgerinitiative gesprochen, die sich
vehement dagegen ausspricht, dass dort ein Kraftwerk entsteht. Auch andernorts gibt
es riesige Probleme. Dies gilt auch für den dringend nötigen Ausbau der
Netze. Es stellt sich also wirklich die Frage, wie wir Versorgungssicherheit gewährleisten
wollen.
Das neueste Gutachten des Hamburgischen Welt-Wirtschaftsinstituts besagt, dass, wenn
es bei dem Ausstieg aus der Kernenergie bleibt, es bis 2020 zu einer Versorgungslücke
bei der Stromproduktion in Höhe von 16 Prozent des benötigten Stroms kommen
wird.
(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es auch andere Studien!)
Das darf uns nicht kaltlassen. Nur mithilfe der erneuerbaren Energien schaffen wir
es nicht, diese Lücke zu schließen.
(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich geht es mit
erneuerbaren Energien!)
Auch wir wollen deren Ausbau, aber insbesondere zur Wärmeproduktion; denn so
produzierter Strom ist zumeist sehr teuer, und wir müssen auch auf die Kosten
achten; das ist ja neben Klimaschutz und Versorgungssicherheit der dritte Punkt im
Dreiklang.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Gudrun Kopp (FDP):
Letzter Satz. - Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, wir dürfen es uns also
nicht zu einfach machen und dem Sozialismus und dem Populismus das Wort reden.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Aber den AKWs reden Sie das Wort!)
Zugleich darf die Bundesregierung wichtige Entscheidungen, die sie zum Beispiel hinsichtlich
des Energiemixes und anderer Fragen fällen müsste, nicht einfach hintanstellen.
Vielmehr brauchen wir den Mut, reale Energiepolitik zu machen. Da kann ich Ihnen nur
empfehlen: Folgen Sie den Anträgen, die die FDP-Bundestagsfraktion hierzu eingebracht
hat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP - Zuruf von der SPD: Niemals!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt spricht der Kollege Rolf Hempelmann für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Rolf Hempelmann (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir diskutieren über
zwei Anträge der Linken, zum einen über einen Antrag zum Thema Energiekosten
und zum anderen über einen Antrag zum Thema Abfederung des Benzinpreisanstiegs.
Es ist in der Tat richtig, dass wir in den letzten Jahren - das gilt für einen
etwas längeren Zeitraum - mit steigenden Energiepreisen konfrontiert waren. Unbestritten
ist auch, dass die Energiekosten für viele Haushalte mittlerweile eine grenzwertige
Belastung darstellen. Deswegen haben wir über dieses Thema auch in diesem Hause
mehrfach diskutiert.
Die Vorschläge der Linken - das ist für diese Fraktion typisch; Herr Dr.
Pfeiffer hat es dementsprechend kommentiert - greifen zu kurz. Sie rufen wie immer
nach mehr Staat. Genau diesen Weg wollen wir nicht gehen. Wir wollen ihn unter anderem
deswegen nicht gehen, weil es sich hier um eine Placebopolitik handelt. Die Forderung
nach einer Wiedereinführung der staatlichen Preisaufsicht etwa führt die
Öffentlichkeit in die Irre. Damit wird nämlich unterstellt, dass die Verbraucher
auf diese Weise vor Preiserhöhungen geschützt werden könnten. Die Erfahrung
mit der Preisaufsicht, die sich nur mit einem Teil der Energiepreise auseinandersetzen
konnte, nämlich mit den Vertriebskosten, hat gezeigt, dass sie eher wie ein staatliches
Gütesiegel für Preiserhöhungen wirkt. Dahin wollen wir nicht zurück.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Es ist nicht alles richtig gemacht worden! Man kann
es ja besser machen!)
Patentrezepte gibt es nicht. Sie gibt es vor allem deswegen nicht, weil wir es hier
mit einer ausgesprochen komplexen Thematik zu tun haben. Deswegen war es richtig,
dass Kollege Pfeiffer betont hat, dass wir den Leuten nicht vormachen dürfen,
wir könnten politisch dafür sorgen, dass die Energiepreise in den nächsten
Jahren radikal und dauerhaft sinken. Es gibt zu viele Faktoren, die genau in die andere
Richtung weisen. Ich nenne beispielsweise die steigenden Primärenergiepreise,
also die Preise für Gas, Kohle und Öl.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Sie sind aber nicht ausschlaggebend für die
jetzigen Preise!)
Zu erwähnen sind auch die dynamisch anwachsende Nachfrage und die gigantischen
Investitionen, vor denen dieser Sektor steht. Daran kann man die Tendenz erkennen,
dass Energie teurer werden wird. Das heißt aber nicht, dass die Politik nicht
gefordert ist, alles das zu tun, was ihr möglich ist, um diesen Preisanstieg
zu dämpfen und andere Akzente zu setzen. In der Vergangenheit haben wir schon
einiges in diesem Bereich getan. Ich will jetzt nicht all das wiederholen, was Herr
Dr. Pfeiffer schon angesprochen hat.
Klar ist jedenfalls, dass wir in den letzten Jahren eine ganze Menge getan haben,
gerade was das Thema Wettbewerbspolitik angeht. Die Bundesnetzagentur, die wir eingerichtet
haben, arbeitet - ich denke, das ist das Urteil des gesamten Hauses - ausgesprochen
erfolgreich. Sie hat dafür gesorgt, dass es für den Durchschnittshaushalt
- ich will einmal diese Zahl nennen - eine Kostenersparnis von bis zu 50 Euro pro
Jahr gab. Ich denke, das ist durchaus erwähnens- und lobenswert.
(Beifall bei der SPD)
Auch die Anreizregulierung, die noch nicht läuft, sondern zurzeit noch vorbereitet
wird, verspricht, dass wir auf diesem Weg zu weiteren Preissenkungen kommen werden.
Die Strategie für mehr Wettbewerb wird uns mittel- und langfristig in die Lage
versetzen, das, was an Preissenkung und Preisdämpfung möglich ist, auch
tatsächlich durchzusetzen.
Trotzdem ist es sicherlich richtig, dass wir für die besonders stark betroffenen
Verbraucher Regelungen brauchen, um besondere Härten abzufedern. Der Bundesbauminister
hat in diesem Zusammenhang den Vorschlag gemacht, das Wohngeld zu erhöhen und
es künftig an die Warmmiete zu koppeln. Man wird sich diesen Vorschlag sehr genau
anschauen müssen. Wenn wir in diesem Bereich handeln, wollen wir natürlich
keine Schleichwege eröffnen, auf denen das, was gut gemeint ist, möglicherweise
zu anderen Zwecken missbraucht wird. Aber beim Wohngeld anzusetzen, ist genau richtig.
Wir werden - das ist gerade gesagt worden - über diesen Vorschlag konstruktiv
miteinander diskutieren.
Gleichzeitig ist es sicherlich so - auch das ist angesprochen worden -, dass wir mehr
und mehr darauf setzen müssen, dass Verbraucher die Dinge selbst in die Hand
nehmen. Das soll die Politik nicht entlasten. Aber mit den Rahmensetzungen, die wir
in der Vergangenheit vorgenommen haben, haben wir es geschafft, dass im letzten Jahr
immerhin circa 1,5 Millionen Stromkunden ihren Anbieter gewechselt haben. Sie sind
von einem teureren zu einem preiswerteren, einem billigeren Anbieter gegangen. Das
ist möglich geworden, weil wir die entsprechenden Rahmenbedingungen gesetzt haben.
Ich glaube, dass dies ein weites Feld für Energieberatung ist. Noch mehr Menschen
müssen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie die Chance haben, sich selbst
von entsprechenden Kosten zu entlasten.
Auch das wird sicherlich nicht ausreichen. Ich habe gerade gesagt, dass der Staat
hier eine Verantwortung hat. Deswegen müssen wir auf die Energieversorgungsunternehmen
Druck ausüben, damit sie ihrerseits Sozialtarife anbieten. Das muss der erste
Schritt sein. Wir haben bereits in der Vergangenheit Druck ausgeübt. Diese Aufforderung
zeigt durchaus Wirkung. Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die auf diesem Sektor
aktiv geworden sind und Sozialtarife für besonders betroffene Kundengruppen anbieten.
Im Übrigen ist das auch ein europäisches Thema. Die Europäische Kommission
hat sich dieses Themas schon bemächtigt und hierzu Richtlinien veröffentlicht.
Die Politik besitzt also einen Hebel, um auf die Unternehmen Druck auszuüben.
Es muss in der Tat klar sein: Wenn keine überzeugenden Angebote unterbreitet
werden, wird der Gesetzgeber das Thema selbst in die Hand nehmen müssen.
Sie haben wahrscheinlich in den letzten Wochen verfolgt, dass Gesprächsangebote
aus den Reihen der großen Versorgungsunternehmen vorliegen. Es ist uns gegenüber
sogar gesagt worden, man habe eingesehen, dass man in der Vergangenheit Fehler gemacht
habe, nicht nur allgemein im Bereich der Kommunikation, sondern insbesondere hinsichtlich
der Preisbildung und der Preishöhe. Auf diesem Feld erwarten wir von den Unternehmen
Vorschläge, die über das hinausgehen, was in den letzten Wochen vorgelegt
worden ist.
Es ist interessant zu beobachten, dass sich mittlerweile nicht mehr nur Energieunternehmen
dieses Feldes annehmen. Ladenketten haben dieses Thema entdeckt und machen ihren Kunden
günstige Angebote. Ich denke, das ist ein Bereich, den wir sehr genau beobachten
müssen. Möglicherweise ist das ein Weg, um motivierend auf die Energiebranche
einzuwirken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Lidl und Aldi dieses Thema überlassen
will. Ich sage aber noch einmal ganz ausdrücklich: Sollte es in absehbarer Zeit
keine entsprechenden Angebote geben, wird sich der Gesetzgeber dieses Themas bemächtigen.
Noch eine kurze Anmerkung zum Thema Benzinpreise. Das Kartellamt hat dieses Thema
entdeckt und will den Mineralölmarkt genau unter die Lupe nehmen. Klar ist aber
auch - wir haben in der Vergangenheit unsere Erfahrungen damit gemacht -, dass eine
Senkung der Mineralölsteuer nicht automatisch zu sinkenden Benzinpreisen führt,
sondern eher zu einer Veränderung der Preisanteile zwischen Staat und Mineralölunternehmen.
Deswegen wird dieser Vorschlag mittlerweile kaum noch gemacht.
Es geht aber auch darum, dass wir weiterhin Druck auf die Automobilindustrie ausüben,
insbesondere hinsichtlich der Herstellung verbrauchsarmer Kraftfahrzeuge. Wir müssen
aber auch alles tun - dieser Hinweis ist sicherlich richtig -, um den ÖPNV so
attraktiv wie möglich zu erhalten. Ich denke, die Verabschiedung des Regionalisierungsgesetzes,
das die Finanzgrundlage des ÖPNV abgesichert hat, ist ein Schritt in die richtige
Richtung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben also deutlich gemacht, dass wir uns dieses Themas schon vor längerer
Zeit angenommen haben und auf sehr vielfältige Art und Weise versuchen, nicht
nur ein kurzes Strohfeuer zu entfachen, sondern langfristig Wirkung zu erzielen. Machen
Sie bei den Diskussionen in den Ausschüssen und der anschließenden Diskussion
im Plenum des Deutschen Bundestages mit. Argumentieren Sie dabei aber bitte nicht
in Richtung mehr Staat, sondern in Richtung Marktwirtschaft, die von einer Gesetzgebung
begleitet wird, die die Dinge dann, wenn der Markt es alleine nicht regelt, in die
richtige Richtung schiebt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Eine Kurzintervention des Kollegen Hill.
(Dr. Karl Addicks [FDP]: Schon wieder? - Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das Jahr
hat gerade angefangen! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Haben wir so viel Zeit heute?)
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Ich werde mich kurzfassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Herr Hempelmann, wenn
ich Sie richtig verstanden habe, fällt das, was der Bundesbauminister vorgeschlagen
hat, bei Ihnen auf fruchtbaren Boden. Allerdings wird es in der Koalition noch - ich
nenne es einmal so - diverse Abstimmungen dazu geben. Dann muss man einmal schauen,
was am Ende dabei herauskommt. Ich gehe davon aus, dass es so ist.
Die Frage geht in eine andere Richtung. Wohngeldempfänger und Haushalte mit geringem
Einkommen haben natürlich ein Problem, in dem Markt, in dem wir uns jetzt befinden,
mit ihrem Geld auszukommen. Das bedeutet letztendlich: Wenn die Sozialtarife, die
eventuell von den Stromkonzernen angeboten werden, immer noch eine Höhe haben,
die sich diese Kunden nicht leisten können - wie gehen wir dann damit um, wenn
der Strom abgeschaltet wird? Ich bin der Meinung, dass der Staat da handeln muss.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Sie möchten antworten? - Bitte schön.
Rolf Hempelmann (SPD):
Zunächst einmal habe ich, glaube ich, eben deutlich gesagt, dass wir in der Tat
den Vorschlag des Bundesbauministers in seiner Ausrichtung unterstützen. Es ist
aber so, dass man sich solche Vorschläge im Einzelnen ansehen muss. Vielleicht
fällt uns noch manches zur instrumentellen Ausgestaltung eines solchen Vorschlages
und zur Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen ein. Das habe ich ja eben angedeutet.
Hinsichtlich der Vorschläge von Unternehmen sind wir alle, glaube ich, im Moment
in einer Sammelphase. Es hat sich in den letzten Wochen ja sehr viel entwickelt. Ich
denke, es empfiehlt sich, einen Dialog gerade mit den Verbraucherschützern zu
führen, um herauszufinden, welche dieser Modelle tatsächlich tauglich sind
und welche nicht. Heute schon vorherzusagen, welche Größenordungen und
Modelle man wählen müsste, würde insinuieren, dass wir die Diskussion
überhaupt nicht brauchen. Den Fehler werde ich mit Sicherheit nicht machen. Wir
erwarten Vorschläge und Modelle, die bei den betroffenen Haushalten tatsächlich
entlastende Wirkung erzielen.
Ich würde mir vor allen Dingen Modelle wünschen, die zwei Dinge zugleich
schaffen: auf der einen Seite eine finanzielle Entlastung der besonders Betroffenen,
auf der anderen Seite einen Anreiz zum Energiesparen. Dies müssen wir intelligent
zusammenführen. Damit gibt es im Ausland Erfahrungen. Diese wollen wir in unsere
Diskussion einbeziehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt hat Nicole Maisch das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linke hat
in ihren Anträgen ein relevantes Problem erkannt und schlägt die falschen
Maßnahmen zur Lösung vor.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Wir sind nicht so liberal wie die Grünen!)
- Das werde ich gleich ausführen.
Ich denke, unstrittig ist, dass die Energiekosten in einem dramatischen Maß
angestiegen sind. Allein im Strombereich verzeichnen wir in den vergangenen Jahren
für Haushaltskunden um 50 Prozent und für Industriekunden um 77 Prozent
steigende Strompreise. Gleichzeitig steigen die Gewinne der großen vier Energiekonzerne
um 12 Milliarden Euro. Ich empfehle Ihnen als Lektüre dazu eine Studie der grünen
Bundestagsfraktion. Das heißt auf der einen Seite steigende Preise, die sich
nicht allein mit den steigenden Rohstoffpreisen rechtfertigen lassen, und auf der
anderen Seite steigende Gewinne.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Insbesondere für einkommensschwache Familien und Haushalte besteht hier ein reales
soziales Problem, auf das vor allem die Bundesregierung reagieren muss.
(Gudrun Kopp [FDP]: Für alle Haushalte ist das ein Problem!)
Es besteht dringender Handlungsbedarf, allerdings nicht in der Richtung, die die Linke
vorschlägt. Die Linke möchte einen nicht funktionierenden Energiemarkt,
der schlimme Regulierungsdefizite aufweist, nicht strukturell verändern, so wie
wir es wollen, sondern mehr Geld in ein System pumpen, das so nicht funktioniert.
Erlauben Sie mir die Bemerkung, dass ich von einer Linken, die sich gerne als sehr
revolutionär geriert, ein bisschen mehr Mut bei den Forderungen erwartet hätte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der LINKEN)
Sie möchten einen nicht funktionierenden Energiemarkt in der Struktur erhalten
und die Abzocke der Energieversorger alimentieren.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Dann kennen Sie aber unsere Papiere nicht!)
- Ich kenne Ihre Papiere.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Nein!)
Statt auf Sozialtransfers sollten Sie lieber auf die Schaffung eines echten und fairen
ökologischen Energiemarktes setzen.
Ich möchte mich jetzt im Einzelnen mit Ihren Forderungen auseinandersetzen. Die
Wiedereinführung der Strom- und Gaspreisaufsicht halten wir für den falschen
Weg. Die Strom- und Gaspreisaufsicht der Länder hat nie wirklich funktioniert.
Mit dem, was wir im Moment haben, nämlich eine unabhängige Netzagentur und
ein Kartellamt, sind wir weiter. Natürlich ist die Senkung der Netznutzungsgebühren
eine grüne Forderung. Wir finden es gut, dass sie erreicht wurde. Es wäre
schön - das fordern wir -, wenn das bei den Endverbrauchern ankommen würde.
Ich denke, es ist unstrittig, dass die Regelsätze des Arbeitslosengeldes II den
steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden müssen. Unstrittig ist auch,
dass bei Transferleistungen ökologische Komponenten, die auch Sie vorschlagen,
sinnvoll und gut sind. Falsch ist aber, günstige Preise per Gesetz vorzuschreiben.
Außerhalb einer Planwirtschaft muss man sich da fragen: Wer bekommt diese günstigen
Preise? Wer zahlt sie? Ist das rechtlich überhaupt so möglich, wie Sie es
behaupten? Wir brauchen keine Gewinnabschöpfungssteuer. Wir brauchen einen echten
Handel mit CO2-Zertifikaten statt einer Schenkung von Zertifikaten an bestimmte Unternehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Und
die Gewinne überlassen wir dann den Konzernen, oder was? Das ist ja interessant!)
Was wir brauchen - das ist eine der grünen Forderungen -, ist eine eigentumsrechtliche
Trennung von Stromnetzen und Stromerzeugern. Damit setzt man bei der Struktur an und
pumpt nicht Geld in ein System, das so nicht funktioniert - so wie Sie es vorhaben.
Wir brauchen eine kartellrechtliche Entflechtung der marktbeherrschenden Unternehmen.
Sogar die Monopolkommission hat gesagt, dass wir es mit duopolistischen Strukturen
zu tun haben, die keinen echten Wettbewerb ermöglichen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Wir brauchen eine konsequente Umstellung
auf erneuerbare Energieträger. Angesichts sich immer weiter verknappender Ressourcen
ist es unumgänglich, auf Wind, Sonne und Biogas zu setzen. Wir haben vorhin gehört,
die Atomkraft sei ein günstiges Mittel, um unsere Energiekrise zu lösen.
Lassen Sie mich dazu sagen: Die Atomkraft ist nicht billig, sondern kommt uns alle
teuer zu stehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wind und Sonne steigen nicht im Preis. Hier gehen die Preise sogar nach unten, weil
diese Technologien besser sind. Durch diese Technologien wurde Deutschland in diesem
Bereich zum Exportweltmeister. Ich denke, die Lösungen liegen auf der Hand. Dabei
geht es insbesondere um die Investition in erneuerbare Energien. Das, was Sie vorschlagen,
findet leider nicht unsere Zustimmung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jörg van Essen [FDP]: Gott
sei Dank findet das nicht Ihre Zustimmung!)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich schließe die Aussprache.
Zwischen den Fraktionen ist verabredet worden, die Vorlagen auf Drucksachen 16/7745
und 16/7524 an die Ausschüsse zu überweisen, die in der Tagesordnung aufgeführt
sind. - Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so beschlossen.