Oktober 2007

071002

ENERGIE-CHRONIK


Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE:
Haltung der Bundesregierung zu den von den Stromkonzernen angekündigten massiven Strompreiserhöhungen

(Auszug aus dem vorläufigen Plenarprotokoll der 120. Sitzung des Bundestags am Mittwoch, 24. Oktober 2007)

Die Redner in der Reihenfolge ihres Auftritts:

Hans-Kurt Hill (DIE LINKE)
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
Gudrun Kopp (FDP)
Rolf Hempelmann (SPD)
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU)
Oskar Lafontaine (DIE LINKE)
Manfred Zöllmer (SPD)
Michael Fuchs (CDU/CSU)
Axel Berg (SPD)
Joachim Pfeiffer (CDU/CSU)
Martin Burkert (SPD)
Julia Klöckner (CDU/CSU)

 

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die für die Fragestunde vereinbarte Zeit ist zu Ende. Die nicht aufgerufenen Fragen werden im üblichen Verfahren schriftlich beantwortet.
   Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE
Haltung der Bundesregierung zu den von den Stromkonzernen angekündigten massiven Strompreiserhöhungen
   Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Hill für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)

Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Bürgerinnen und Bürger ist am Strom- und Gasmarkt offenbar, was falsches Handeln und Untätigkeit der Regierung kosten. Anders gesagt: Die Stromkunden können das Versagen der Großen Koalition mittlerweile am Zähler ablesen.
   Aber nun zu den Fakten:
   Erstens: Abschaffung der Aufsicht über die Stromtarife. CDU/CSU und SPD haben einmütig die einzige Kontrollschranke zwischen dem Energiekartell und den Stromkunden ersatzlos gestrichen. Was ist die Folge? Drei Preiserhöhungen in einem Jahr. Im Januar 2008 werden die Stromkosten für private Haushalte um 27 Prozent höher liegen als noch 2004. Die Gaspreise steigen im selben Zeitraum um sage und schreibe 45 Prozent. Was ist im gleichen Zeitraum mit den Reallöhnen passiert? Sie sinken weiter. Anpassungen bei Hartz-IV-Empfängern oder bei den Rentnerinnen und Rentnern? Ebenfalls Fehlanzeige. Das ist völlig inakzeptabel.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit Ihrer unsozialen Energiepolitik schüren Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, auch den sozialen Unfrieden in diesem Land.
   Zweitens: Einführung der Anreizregulierung für Strom- und Gasnetzbetreiber. Schon der Name klingt widersprüchlich. Das ist es auch. Die Regulierung der Netze senkt zwar die Kosten. Aber dies geschieht insbesondere zulasten der kleinen Stadtwerke, und zwar überwiegend durch den Abbau von Personal. Die Energieriesen bleiben weitgehend außen vor. Die Anreizregulierung wird die kleinen Stadtwerke in die Arme von Eon und RWE treiben und verstetigt die Monopolstruktur im Energiesektor. Außerdem kann die Bundesnetzagentur nach Belieben in die Lohnstruktur bei den Stadtwerken eingreifen und per Verordnung die Gehälter kürzen. Das ist ein eklatanter Eingriff in die Tarifautonomie. Das können wir so nicht zulassen.
(Beifall bei der LINKEN)
   Zu erwähnen ist noch, dass der Effekt für private Stromkunden gleich null ist. Die Anreizregulierung wird dem Endverbraucher erst 2013 eine Ersparnis von etwa 50 Euro pro Jahr bringen. Vattenfall hat aber in diesem Sommer den Strom in Berlin um 62 Euro je Haushalt verteuert. Wo das hinführt, kann man sich an fünf Fingern abzählen.
   Drittens: Verschärfung des Kartellrechts. Wenn die Monopolisten die Preise um 10 Prozent willkürlich anheben können, muss, wie sich aktuell zeigt, die Hälfte der Regionalversorger und Stadtwerke mitziehen, da sie am Tropf der Konzerne hängen. Die vorgeschlagene Kartellrechtsänderung wird deshalb weitgehend wirkungslos bleiben. Denn: Wenn über 300 Energieversorger durch Preisanstiege vom Durchschnitt abweichen, ist das der neue Durchschnitt - in der Regel unter 10 Prozent - und somit maßgebend, und das Kartellamt kann nur noch tatenlos zusehen.
   RWE und Eon beherrschen nach wie vor rund 60 Prozent des Strom- und des Gasmarktes. Diese Kartellstrukturen wurden maßgeblich von ehemaligen SPD-Ministern systematisch aufgebaut. Das ist das Problem. Wenn die Bundesregierung nicht bereit ist, diese Kartellstrukturen zu zerschlagen, bleiben die Ankündigungen der Großen Koalition nur heiße Luft. Die Zeche zahlen die Bürgerinnen und Bürger mit überhöhten Strom- und Gaspreisen.
   Die Linke fordert deshalb ganz konkrete Schritte: erstens die Wiedereinführung einer wirksamen Preisaufsicht über die Strom- und Gastarife;
(Beifall bei der LINKEN)
zweitens verpflichtende Sozialtarife für Privathaushalte mit geringem Einkommen;
(Beifall bei der LINKEN)
drittens Offenlegung der Stromhandelspreise, um Missbrauch durch die Energieversorger zu unterbinden, und viertens die Überführung der Strom- und Gasnetze in die öffentliche Hand.
(Beifall bei der LINKEN)
   Zum Schluss einer der für uns wichtigsten Punkte: unbürokratische Heizkostenzuschüsse für Haushalte mit geringem Einkommen und zusätzlich die Anhebung der Hartz-IV-Sätze auf mindestens 435 Euro.
   Ich bedanke mich.
(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Bundeswirtschaftsminister Michael Glos.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen in Deutschland dafür sorgen, dass der Aufschwung weiter anhält. Dazu gehört natürlich auch das Ziel der Bundesregierung, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern von Strom und Gas nicht tiefer in die Tasche gegriffen wird, als es unbedingt sein muss.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wissen, dass hohe Strompreise einerseits die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und andererseits den Geldbeutel der Endverbraucher stark belasten.
   Nun haben mehrere große Energiekonzerne angekündigt, dass sie zur Jahreswende Preiserhöhungen von bis zu 10 Prozent vornehmen wollen. Erhöhungen in dieser Größenordnung sind für mich nicht nachvollziehbar. Ich meine, sie sind eine Zumutung für die Verbraucher.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
   Die allgemeinen Tarife waren früher genehmigungspflichtig; das ist richtig. Zu diesen allgemeinen Tarifen wird aber nur noch ein sehr geringer Teil des Stromes abgesetzt, weil Strom und inzwischen auch Gas ein Stück weit über im Wettbewerb befindliche Anbieter geliefert werden können. Das geht auf einen Beschluss der früheren Koalition zurück. Unser Ziel ist, dass auf den Märkten ein stärkerer Wettbewerb herrscht.
   Nun argumentiert die Versorgungsindustrie mit gestiegenen Terminmarktpreisen zum Beispiel an der Leipziger Strombörse. Aber dort werden nur 15 Prozent des Stromes gehandelt. Wir haben leider noch keine funktionierende europäische Strombörse. Leider haben wir auch noch zu wenig Wettbewerb innerhalb Europas. Deswegen möchten wir, dass Leitungstrassen, die Wettbewerb zwischen den Ländern im Strombereich erlauben, häufiger genehmigt werden. Zudem brauchen wir, was die Preise angeht, vor allen Dingen mehr Transparenz.
   Das andere Argument, das immer wieder gebraucht wird, betrifft die hohen Beschaffungskosten. Wenn wir nachrechnen, ergibt sich allerdings ein sehr differenziertes Bild. Die Beschaffungskosten machen bei dem Preis, den ein normaler Haushalt bzw. der Privatmann zahlt, nur circa 25 bis 30 Prozent des Stromendpreises aus. Um eine Erhöhung des Endpreises um 10 Prozent zu rechtfertigen, hätten also die Beschaffungskosten um 20 bis 25 Prozent steigen müssen. Diese Steigerung sehen wir nicht.
   Ich bringe ein paar Beispiele: Strom wird in Deutschland in hohem Maß in abgeschriebenen Kernkraftwerken produziert. Strom wird aus der Verarbeitung von preiswerter, in Deutschland befindlicher Braunkohle gewonnen; das ist die andere große Stromquelle. Er wird aus importierter Steinkohle gewonnen - deren Preis ist allerdings etwas angestiegen - und zum Teil aus Gas. Der Gaspreis, der ein Stück weit an den Ölpreis gekoppelt ist, ist in der Tat etwas stärker gestiegen. Ein geringer Teil des Stroms kommt aus erneuerbaren Energien. Bei den erneuerbaren Energien steigen allerdings die Kosten, die über die Umlage erhoben werden, nicht weil die Sätze steigen, sondern deswegen, weil die Mengen steigen. Aber dies ist im Verhältnis zu den Strombeschaffungskosten immer noch ein Betrag, der meiner Ansicht nach zu verkraften wäre.
   Nun argumentieren auf ganz andere Weise die Oligopole, die wir in Deutschland bei der Stromerzeugung haben. Wir gehen von einem Wert von 80 Prozent aus. Ich habe aber unlängst in einer Fernsehsendung - Frau Höhn, Sie waren auch dabei - mit einem führenden Manager diskutieren dürfen, der von 73 Prozent gesprochen hat. Belassen wir es also bei diesen 73 Prozent. Wir wollen - das ist das Ziel der Bundesregierung -, dass es mehr Wettbewerb gibt, dass mehr Strom in das Stromnetz eingespeist wird und sich über diesen Wettbewerb ein günstigerer Preis entwickelt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Dazu haben wir - ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die daran mitgewirkt haben - die Netzzugangsverordnung verbessert. Dadurch hat derjenige, der neu Strom anbietet, bevorrechtigt Zugang zum Netz, auch vor denjenigen Anbietern, denen das Netz zum großen Teil gehört. Wir haben durch eine Regulierung der Stromnetze und eine Überprüfung der Kosten zu einer Netzkostensenkung um bis zu 20 Prozent beigetragen; ansonsten wäre der Strombezug für die Privatkunden noch teurer. Wir haben eine Netzanreizregulierung in Kraft gesetzt, die sich künftig an den technisch am besten betriebenen Netzen orientiert und mit der Druck auf die Durchleitungskosten ausgeübt werden soll. Wir brauchen vor allen Dingen neue Kraftwerke und neue Anbieter auf dem Strommarkt. Auch das haben wir, wie gesagt, geregelt.
   Wir wissen natürlich, dass wir ein Instrument brauchen, um den Stromkonzernen auf die Finger schauen zu können, solange es keinen echten Wettbewerb gibt. Deswegen haben wir eine Novelle zum Kartellgesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht. Diese Novelle steht zur Verabschiedung an. Ich kann nur an alle appellieren, diese Novelle möglichst rasch zu verabschieden. Meines Wissens soll noch eine Anhörung stattfinden und das Gesetz spätestens zum 1. Januar in Kraft treten.
   Wir haben das Gesetz - was ich gut finde - befristet. Ich hoffe, dass dieses Gesetz durch den Wettbewerb in Europa überflüssig wird. Wenn dieses Gesetz im Jahr 2011, also in der nächsten Legislaturperiode, nicht verlängert wird, läuft die Regelung automatisch aus.
   Das Wehklagen der großen Stromkonzerne kann ich nicht verstehen. Ich finde, dieses befristete Gesetz kann ihnen in Sachen Glaubwürdigkeit sogar helfen. Die Konzerne könnten beweisen, dass die überdurchschnittlichen Preissteigerungen nicht auf mangelnden Wettbewerb, sondern auf echte Mehrkosten zurückzuführen sind. Das Kartellamt kann die Beweislastumkehr verlangen. Das heißt, solange es keinen echten Wettbewerb gibt, müsste nicht das Kartellamt beweisen, dass die Strompreiserhöhung nicht gerechtfertigt ist, sondern die Konzerne müssten beweisen, dass die Erhöhung gerechtfertigt ist. Das Kartellamt könnte außerdem künftig schneller eingreifen.
   Das hat nichts damit zu tun, dass ich Gegner der freien Marktwirtschaft wäre, was mir unterstellt wird. Im Gegenteil: Die freie, die soziale Marktwirtschaft ist nur dann glaubwürdig, wenn sie dafür sorgt, dass es nicht zu Monopolgewinnen kommt, die nicht sein müssen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
   Eine letzte Bemerkung. Es wird gefordert, die Konzerne zu zerschlagen, ihnen die Netze wegzunehmen usw. Das ist billig. Damit ist niemandem gedient. Wir brauchen nach wie vor ein sehr leistungsfähiges Leitungsnetz. Das gilt insbesondere, wenn wir mehr Windstrom, mehr Strom aus erneuerbaren Energien einspeisen wollen. Dafür sind gewaltige Investitionen in das Netz erforderlich. Das könnte die öffentliche Hand nicht schaffen.
   Deswegen ist der Weg, den die Bundesregierung beschritten hat, der richtige Weg. Wir müssen ihn nur konsequent weitergehen.
   Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Gudrun Kopp ist die nächste Rednerin für die Fraktion der FDP.

Gudrun Kopp (FDP):
Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Ich möchte dieser scheinheiligen Debatte zunächst einmal ein Ende setzen.
(Zurufe von der SPD: Oh!)
All denjenigen, die uns zuhören, egal ob hier im Saal oder außerhalb, möchte ich sagen: Bei allem Wehklagen über die zweifellos sehr hohen Energiepreise bleibt festzuhalten, dass der Staat der größte Preistreiber ist.
(Beifall bei der FDP)
Sehr geehrter Herr Minister Glos, Sie haben es fertiggebracht, die Probleme im Strombereich aufzuzeigen, ohne die Verantwortung des Staates in irgendeiner Weise zu erwähnen.
   Ich rufe in Erinnerung, wie sich der Strompreis zusammensetzt: 40, 30, 30. 40 Prozent des Strompreises - es sind exakt 41 Prozent - sind auf Steuern und Abgaben auf Energie zurückzuführen. Von 1998 bis heute ist der Staatsanteil - ich drücke es in Prozenten aus - von 25 Prozent auf 41 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen heißt das: von rund 2 Milliarden Euro auf 13 Milliarden Euro. Das ist eine Zahl, die man unbedingt nennen muss. Nur in Dänemark ist der Staatsanteil noch höher. Häufig wird Großbritannien angeführt, wo es einen recht gut funktionierenden Wettbewerb gibt. Der Staatsanteil liegt in Großbritannien bei gerade einmal 9 Prozent, während er bei uns bei 41 Prozent liegt. Diese circa 40 Prozent staatlichen Lasten müssen berücksichtigt werden.
Hinzu kommen die Mehrkosten, die sich aus der Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energien ergeben. Diese Kosten haben sich von 2006 auf 2007 um 1 Milliarde Euro auf jetzt 4,2 Milliarden Euro erhöht. Auch diese Zahl muss man nennen.
   Die 40 Prozent habe ich genannt. 30 Prozent betreffen Netzentgelte. Die Netze werden jetzt reguliert. Eine starke Anreizregulierung ist in dem Bereich dringend notwendig. Das ist in Ordnung. Dazu haben wir Ja gesagt. Es hat im Strom- und im Gasbereich bislang eine Senkung der Netzkosten um 2,8 Milliarden Euro gegeben. Das ist sehr gut.
   Die letzten 30 Prozent betreffen das - darüber hat Herr Minister Glos hier gesprochen -, was bei der Preisgestaltung von der Energiewirtschaft aufgeschlagen wird. Es ist tatsächlich so, dass wir am deutschen Markt immer noch ein Wettbewerbsproblem haben. Trotz der Steigerung durch die EEG-Umlage und des Anstiegs bei den Beschaffungskosten von Öl und Gas ist das, was einige Energieversorger jetzt fordern, für uns, für die FDP-Bundestagsfraktion, nicht nachvollziehbar.
(Beifall bei der FDP)
Da muss man hinschauen. Das Bundeskartellamt macht das jetzt und prüft. Das ist sehr richtig.
   Ich kann nur sagen: Es ist darauf zu achten, dass die Staatsanteile, die ich eben nannte, zu senken sind. Denken Sie zum Beispiel daran, dass die Erlöse aus der Versteigerung der CO2-Zertifikate - diese Erlöse wird es ja demnächst geben; hier sind Einnahmen in Höhe von 400 Millionen Euro vorgesehen - eigentlich den Verbrauchern, den Endkunden, die die hohen Kosten zu tragen haben, zurückzugeben sind, indem die Stromsteuer gesenkt wird. Das wäre ein Anfang, um den hohen Staatsanteil zu senken. Das fordern wir ausdrücklich.
(Beifall bei der FDP)
   Des Weiteren fordern wir eine konsequente Regulierung. Man kann den Verbrauchern und Verbraucherinnen nur sagen: Wir brauchen mehr neue Wettbewerber. Wir fordern die Kunden angesichts der hohen Preisen ganz massiv zum Wechsel ihres Stromanbieters auf. Die Quote liegt im Moment bei rund 10 Prozent; da ist sehr viel mehr möglich. Ich kann nur ermuntern, diesen Weg weiterzugehen.
   Es ist geradezu unverantwortlich - Herr Minister Glos, das sage ich an Ihre Adresse und an die Adresse der Kanzlerin -, in Meseberg ein Klimapaket zu verabschieden, aber die Kosten-Nutzen-Analyse nachreichen zu wollen. Sie kennen noch nicht einmal die Auswirkungen dessen, was Sie beschlossen haben. Das ist allenfalls eine sehr oberflächliche Wohlfühlpolitik, aber hat mit einer konsequenten Energiepolitik gar nichts zu tun. Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist völlig intransparent.
   Klimapolitik muss so kostengünstig wie möglich betrieben werden.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin!

Gudrun Kopp (FDP):
Sie dürfen nicht auf Kosten der Verbraucher ins Blaue agieren. Deshalb fordern wir Sie auf: Rufen Sie nicht "Haltet den Dieb!" in Richtung Energiewirtschaft, sondern schauen Sie auf sich selbst! Senken Sie die Kosten und lassen Sie uns gemeinsam für mehr Wettbewerb und hoffentlich niedrige Energiepreise sorgen!
   Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Rolf Hempelmann, SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Rolf Hempelmann (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Gudrun Kopp, ich habe schon oft gehört, dass der Staat der Preistreiber Nummer eins bei den Energiekosten sei.
(Gudrun Kopp (FDP): Ja!)
Ich denke, es ist wirklich Zeit, mit dieser Mär ein Stück weit aufzuräumen. Wir reden über einen Staatsanteil an den Stromkosten von 40 Prozent, meinetwegen: 41 Prozent. Wenn wir uns das im Einzelnen anschauen, dann werden wir sehr schnell feststellen, dass wir bestenfalls über Teilbereiche davon diskutieren können.
   14 Prozent Mehrwertsteuer. Das sind weniger als die 19 Prozent, die auf viele andere Produkte genommen werden.
   9 Prozent Konzessionsabgabe. Da wird eine Leistung bezahlt, die von den Kommunen erbracht wird. Auch darüber kann man nicht wirklich diskutieren.
   Dann gibt es in der Tat eine Stromsteuer in Höhe von 11 Prozent. Ich rufe hier aber erstens in Erinnerung, dass wir mit dem Aufkommen aus der Stromsteuer diejenigen haben entlasten können, die Beiträge in das Rentensystem zahlen. Wenn Sie also Vorschläge machen, die die Stromsteuer betreffen, dann müssen Sie auch sagen, wie Sie das finanzieren wollen; denn Sie nehmen das Geld an anderer Stelle weg.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens ist es unbestritten - dies bestätigen viele Fachleute -, dass die Stromsteuer auch eine Lenkungswirkung entfaltet hat. Wenn es heute Minderverbräuche und ein Stück weit Bewusstsein gibt, dann hat dies genau damit zu tun.
   Bleiben also noch 2 Prozent, die wir ausgeben, um die umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung zu fördern, und 4 Prozent für die erneuerbaren Energien. Wer das in Abrede stellen will, während wir in der Öffentlichkeit ständig die Wichtigkeit erneuerbarer Energien propagieren, der macht sich erst recht unglaubwürdig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
   Stehen wir also zu diesen 40 Prozent und sagen, dass sie notwendig sind und dass sich Strom in keiner Weise negativ von anderen Produkten und Waren unterscheidet.
   So negativ müssen wir auch gar nicht in die Zukunft schauen. Natürlich haben Sie recht: In der Vergangenheit haben nur etwa 10 Prozent der Verbraucher ihren Stromanbieter gewechselt. Die jüngste Emnid-Umfrage macht aber deutlich, dass die Wechselbereitschaft mittlerweile bei etwa 40 Prozent angelangt ist und in den letzten Monaten in dieses Thema ganz erheblich Tempo hineingekommen ist. Das ist auch kein Zufall. Dass wir das vor zwei, drei Jahren so noch nicht erleben konnten, hat auch etwas damit zu tun gehabt, dass wir zu jenem Zeitpunkt die politischen Rahmenbedingungen noch nicht gesetzt hatten. Zwischenzeitlich haben wir ein Energiewirtschaftsgesetz entwickelt und eine Bundesnetzagentur aufgebaut. Letztere hat für diskriminierungsfreien Netzzugang sowie dafür gesorgt, dass das Netz keine Barriere für Wettbewerb mehr ist. Wir brauchen dazu auch keine eigentumsrechtliche Entflechtung. Nach Aussagen der Netzagentur selbst ist sie in der Lage, einen diskriminierungsfreien Netzzugang sicherzustellen.
   Dies führt dazu, dass es mittlerweile echten Anbieterwechsel gibt. Viele Barrieren, die zu Beginn noch bestanden, sind mittlerweile abgebaut worden. Von den Kunden wird heute nicht mehr verlangt, dass sie neue Zähler einbauen, Wechselgebühren zahlen und vieles anderes mehr. Der Wechsel ist eine ganz einfache Angelegenheit geworden. Hier hat Politik in durchaus positiver Weise positive Rahmenbedingungen entwickelt.
   Natürlich können dabei viele mithelfen, beispielsweise die Medien, die dies teilweise schon tun. Sie können auf die Wechselmöglichkeiten hinweisen und auch einmal Tarifvergleiche öffentlich machen. Die Verbraucherberatungsstellen sind in diesem Bereich ebenfalls sehr aktiv.
   Jeder, der seinen Stromanbieter wechselt, hilft dadurch, den bisherigen Anbieter unter Druck zu setzen. Wir bemerken, dass es zunehmend auch von etablierten Anbietern neue Angebote gibt. Dies alles ist kein Allheilmittel; aber es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
   Vieles andere war zu tun und ist teilweise auch getan worden. Der Minister hat bereits die Kraftwerksanschlussverordnung erwähnt, die dazu dienen soll, dass neue Kraftwerke und neue Anbieter auf dem Erzeugermarkt erscheinen. Wenn uns dies gelingen sollte - vieles spricht dafür -, dann wäre dies ein Weg hin zu mehr Wettbewerb und damit auch zur Ausschöpfung von Preissenkungsspielräumen, die trotz steigender Primärenergiekosten vorhanden sind. Andere Dinge haben wir implementiert, etwa ein Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, damit wir auch zu mehr und schnellerem Netzausbau kommen. Hier werden wir noch nachlegen müssen; es funktioniert noch nicht ganz so, wie wir es uns vorstellen. Der Minister hat schon die GWB-Novelle erwähnt, die wir jetzt angehen werden. Ich verspreche dem Minister nochmals, dass wir es schneller als das Ministerium schaffen werden. Es hat anderthalb Jahre gebraucht; wir werden es vor Weihnachten hinbekommen.
   Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Kollegin Höhn ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Grünen.

Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für immer mehr Menschen werden in diesem Land die steigenden Strompreise zu einem ernsten sozialen Problem. Frau Kopp, Herr Hempelmann hat sehr genau einiges zu den Steuern und Abgaben des Staates gesagt.
(Gudrun Kopp (FDP): An denen Sie auch beteiligt sind!)
Ich möchte noch etwas zu den Gewinnen der Energiekonzerne sagen, unter denen nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch große Teile der Wirtschaft leiden, nämlich jene Teile, die selbst keine Energie erzeugen. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass die Gewinne der Energiekonzerne exorbitant gestiegen sind. Im Jahr 2006 verbuchten die vier Großen in der Energiebranche allesamt Rekordgewinne. RWE Power zum Beispiel verzeichnete eine Kapitalrendite von unglaublichen 40 Prozent. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen, meine Damen und Herren: 40 Prozent Kapitalrendite.
   Wenn Sie sich den Gewinn vor Steuern von Eon ansehen, stellen Sie fest: Im Jahr 2002 betrug er 4,2 Milliarden Euro, im Jahr 2006 lag er schon bei 8,1 Milliarden Euro. Es kam also zu einer Gewinnsteigerung von durchschnittlich 1 Milliarde Euro pro Jahr. Es darf nicht sein, dass die großen Energiekonzerne in diesem Land immer höhere Gewinne machen und dass die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wirtschaft immer höhere Energiepreise zahlen müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
   Die Begründungen der Konzerne für die Preiserhöhungen wechseln. Ob die Brennstoffpreise steigen oder sinken und ob CO2-Zertifikate billiger oder teurer werden, auf eines können wir uns verlassen: Die Richtung, die die Strompreise einschlagen, ist immer die gleiche; die Preise steigen. Auch das darf nicht sein. Das ist Folge des fehlenden Wettbewerbs auf dem Strommarkt. Die Energiekonzerne können momentan schalten und walten, wie sie wollen. Das muss ein Ende haben.
   Wir brauchen faire Preise in Deutschland; wir wollen faire Preise zahlen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich spreche von fairen Preisen. Das bedeutet nicht unbedingt: billigen Strom. Auch das muss man klar sagen. Die Strompreise müssen die wahren Kosten der Stromerzeugung, aber auch die wahren Kosten für Umwelt und Klima zum Ausdruck bringen. Der Strom aus erneuerbaren Energien wird immer günstiger. Dagegen sind angesichts der knapper werdenden fossilen Rohstoffe bei Energie aus Öl, Gas und Kohle deutliche Preissteigerungen vorprogrammiert. Umso wichtiger ist, dass wir verstärkt auf erneuerbare Energien setzen; denn sie sind die Zukunft der Stromerzeugung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
   Der Strom wird nicht billig. Er darf aber auch nicht überteuert sein. Andersherum ausgedrückt: Wir dürfen nicht zulassen, dass die Energiekonzerne die Strompreise beliebig erhöhen. Hier ist die Bundesregierung in der Pflicht. Die Maßnahmen, die die Bundesregierung vorschlägt, um den Kampf gegen überhöhte Strompreise aufzunehmen, sind allerdings völlig unzureichend. Im Rahmen der GWB-Novelle will sie die Vorschriften zur Bekämpfung von Preismissbrauch verschärfen. Die Strukturen, die dem Preismissbrauch Tür und Tor öffnen, lassen Sie aber intakt. Statt die Krankheit, den fehlenden Wettbewerb, zu kurieren, doktern Sie an den Symptomen herum. Das wird nicht funktionieren; damit können Sie Eon, RWE & Co. nicht beikommen.
   Es kommt noch schlimmer. Nicht nur, dass Sie die Krankheit nicht kurieren; Sie fallen dem behandelnden Arzt auch noch in den Arm. Wer ist der behandelnde Arzt? Die EU-Kommission. Sie hat sich das eindeutige Ziel gesetzt, für mehr Wettbewerb zu sorgen. Sie hat auch das Mittel genannt, mit dem sie dieses Ziel erreichen will: die Entflechtung von Netz und Produktion. Herr Glos, ich muss Ihnen sagen: Es kann nicht sein, dass Sie diesen guten Vorschlag der EU-Kommission zunächst verwässern und dann den schlechten Kompromiss kritisieren und Ihren Widerstand ankündigen. Unterstützen Sie die EU-Kommission, statt ihr in den Arm zu fallen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Ergebnis dieser Politik hat die Financial Times Deutschland mit der Überschrift "EU knickt vor Stromlobby ein" beschrieben. Das hat die Bundesregierung mit ihrer Politik erreicht.
   Interessant finde ich eine Aussage von Außenminister Steinmeier, der auf der gestrigen Abendveranstaltung von EnBW einmal ganz undiplomatisch die Wahrheit gesagt hat. Ich zitiere die dpa; dort heißt es:
Steinmeier kritisierte die Haltung der Energiekonzerne nach der Ankündigung von Strompreiserhöhungen durch Eon und RWE-Töchter. Dies erschwere die gemeinsamen Bemühungen bei der EU-Kommission, eine mögliche Entflechtung der Energiekonzerne zu verhindern.
Das ist eine bemerkenswerte Aussage. Hier hat der Außenminister ganz offen ausgesprochen, dass die Bemühungen der EU zur Schaffung von mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt verhindert werden sollen, und zwar gemeinsam mit den Energiekonzernen. Das, meine Damen und Herren, ist die falsche Politik.
(Beifall der Abg. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
   Herr Minister Glos, meine Damen und Herren der Koalition, das ist keine Politik zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher, das ist keine Politik zur Schaffung von mehr Wettbewerb. Das ist eine Politik, mit der Sie sich zum Schutzpatron der Stromkonzerne und ihrer Monopolgewinne machen. Deshalb sollten Sie diese Politik beenden. Wir sollten insbesondere im Sinne der Verbraucher und im Sinne des größten Teils der Wirtschaft in diesem Land deutlich machen: Wir brauchen mehr Wettbewerb, und wir brauchen faire Preise. Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie der Entflechtung von Produktion und Netz zu! Denn dadurch wird der Wettbewerb auf dem Energiemarkt garantiert.
   Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Zum Wettbewerb gehört aber auch Atomstrom, Frau Kollegin!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile jetzt dem Kollegen Albert Rupprecht für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Höhn, zur Verschärfung der Missbrauchsaufsicht gibt es kurzfristig keine Alternative. Was uns die großen Energieversorger Eon und RWE in den vergangenen Wochen an Ankündigungen geliefert haben, ist die direkte Aufforderung an uns Parlamentarier, die Missbrauchsaufsicht zu verschärfen.
   Das größte deutsche Unternehmen, Eon, kündigt eine dramatische Preiserhöhung um 10 Prozent an. Die kurze Begründung war: Die Beschaffungskosten und die Kosten durch die erneuerbaren Energien sind erheblich gestiegen. Wir haben das nachgeprüft: Die Beschaffungskosten und die Kosten durch die erneuerbaren Energien sind in diesem Zeitraum nur unwesentlich gestiegen. Zudem sind die Konzessionsabgaben nicht gestiegen, und auch die Stromsteuer ist nicht gestiegen. Ganz im Gegenteil: Die Netzentgelte sind in diesem Zeitraum sogar gesunken. Kurzum - ich glaube, da herrscht Übereinstimmung -: Eine Preiserhöhung um 10 Prozent ist sachlich in keiner Weise nachzuvollziehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Auf die wiederholte Nachfrage, wie diese Preiserhöhung denn im Detail zu rechtfertigen sei, antwortet Eon: Es handelt sich um Geschäftsgeheimnisse, und die gehen niemanden etwas an. - Die einzige Erklärung, die uns bleibt, ist: Eon missbraucht seine Marktmacht, um überhöhte Preise durchzusetzen. Die Zeche zahlen die Verbraucher. Das ist vollkommen inakzeptabel.
   Eine zeitlich befristete Verschärfung der Missbrauchsaufsicht ist zwingend notwendig. Die beiden wesentlichen Änderungen, die wir im November im Parlament beschließen wollen, sind die Beweislastumkehr und der Sofortvollzug. Ab dem 1. Januar 2008 muss Eon dem Kartellamt detailliert begründen, wie eine Preiserhöhung zu rechtfertigen ist. Wenn Eon das nicht kann, wird - das ist die zweite zentrale Neuerung - eine sofortige Preissenkung angeordnet. Die Missbrauchsaufsicht wird ein scharfes Schwert. Es wird nicht nur geredet, es wird gehandelt; das erwarten die Verbraucher zu Recht von uns.
   Einige wenige Anmerkungen zu den Vorstellungen der anderen Fraktionen: Ich kann die bisherige Ablehnung der Verschärfung der Missbrauchsaufsicht durch die FDP nicht nachvollziehen.
(Gudrun Kopp (FDP): Wir haben gesagt: Ultima Ratio!)
Die Missbrauchsaufsicht ist eine zentrale Aufgabe der Kartellbehörden; dies war in der Vergangenheit stets auch die Position der FDP. Der richtige Weg war nie ein Entweder-oder - entweder Wettbewerb oder Missbrauchsaufsicht -, sondern stets ein Sowohl-als-auch: kurzfristig die Missbrauchsaufsicht stärken, aber mittelfristig vor allem für funktionierenden Wettbewerb sorgen. Die FDP weicht hier mit ihrer ablehnenden Haltung von ihrer historischen Grundlinie ab. Ich glaube, das ist ein Fehler.
   Ich glaube zudem, dass die starke Konzentration der Grünen und der Linken auf die eigentumsrechtliche Entflechtung viel zu kurz gesprungen ist.
(Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Weiter springen dürfen Sie jederzeit!)
Man kann die eigentumsrechtliche Entflechtung unterschiedlich bewerten; aber eines ist wohl unstrittig: Kurzfristig bringt eine eigentumsrechtliche Entflechtung keine Lösung. Sie müssen den Verbrauchern schon erklären, was für eine Lösung Sie für 2008, 2009, 2010, 2011, 2012 zu bieten haben; denn früher wird eine eigentumsrechtliche Entflechtung, so sie überhaupt kommt, nicht vollzogen werden, geschweige denn wirksam sein.
(Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann packen Sie es doch an!)
In der Zukunft zu schwelgen, ohne konkrete Lösungen für die Gegenwart vorzulegen, ist zu wenig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Seit einigen Tagen gibt es den Vorschlag vonseiten der SPD-Fraktion, statt einer sofortigen Preissenkung das strittige Geld auf ein Treuhandkonto einzuzahlen. Ich glaube, dass das der falsche Weg wäre; da wir dadurch den Sofortvollzug verwässern würden. Es würde vor Gericht jahrelang um das Geld auf diesem Treuhandkonto gestritten werden. Selbst wenn das Kartellamt letztendlich gewinnen würde, ist kein Verfahren vorstellbar, wie man das Geld den Verbrauchern erstatten könnte. Zuletzt bliebe alles beim Alten: Die Novelle würde verpuffen, und die Verbraucher würden keine Verbesserung erleben. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Deswegen plädiere ich inständig dafür, dass wir den Sofortvollzug in der vorliegenden, vom Kabinett beschlossenen scharfen Form im Parlament verabschieden.
   Von der heutigen Debatte sollten klare Botschaften ausgehen, die Botschaft, dass die parlamentarische Mehrheit ganz klar hinter der Verschärfung der Missbrauchsaufsicht steht, die Botschaft, dass ab dem 1. Januar 2008 gegen Machtmissbrauch und überhöhte Preise scharf und wirkungsvoll ermittelt wird, die Botschaft an das Kartellamt, dass bereits heute die Vorbereitungen für die Verfahren getroffen werden, damit im Januar 2008 auch vollzogen werden kann, und nicht zuletzt die Botschaft an die Verbraucher, dass die deutsche Politik nicht vor Machtstrukturen einknickt, sondern die Kraft hat, zum Wohle der Verbraucher wirkungsvoll gegen überhöhte Preise vorzugehen.
   Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Oskar Lafontaine, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)

Oskar Lafontaine (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Wort "Machtstrukturen" ist hier oft gefallen, und die Machtstrukturen sind natürlich der Kern des Problems. Es war richtig, dass Sie die Machtstrukturen angesprochen haben, aber wir dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Politik die jetzt vorhandenen Machstrukturen geschaffen hat.
(Martin Zeil (FDP): Ja!)
Mit anderen Worten: Im Grunde haben Sie hier gesagt, dass wir zeigen wollen, dass wir nicht vor den Machtstrukturen einknicken, die wir selbst geschaffen haben.
(Martin Zeil (FDP): Ministererlaubnis!)
Sinnvoll wäre es, aus dieser Analyse die Konsequenz zu ziehen, einmal darüber nachzudenken, ob wir an den Machtstrukturen, die wir selbst geschaffen haben, nicht irgendetwas ändern müssen. Darüber möchte ich jetzt reden.
(Beifall bei der LINKEN - Ernst Burgbacher (FDP): Waren Sie einmal Finanzminister?)
   Zunächst einmal muss auf die langjährige Entwicklung hingewiesen werden, in der der Wettbewerb im Strommarkt immer weiter ausgeschaltet worden ist. Es hat überhaupt keinen Sinn, darüber zu reden, dass man hier Wettbewerb will, wenn die Strukturen dafür überhaupt nicht gegeben sind. Insofern kann ich der Kollegin Höhn nur zustimmen. Wir brauchen Strukturen, durch die Wettbewerb tatsächlich ermöglicht wird. Bei den gegenwärtigen Strukturen in Deutschland werden Sie keinen Wettbewerb organisieren können.
   Herr Minister Glos, die Wirkung Ihrer Novellierung des Kartellrechts ist ja von meinem Kollegen Hill infrage gestellt worden, indem er Sie gefragt hat, was Sie tun, wenn sich die Durchschnittspreise, auf die man Bezug nimmt, bei den jetzigen Strukturen erhöhen. Darauf haben Sie keine Antwort gegeben. Deshalb möchte ich hier für meine Fraktion feststellen, dass die Absicht zwar löblich ist, dass es aber nicht funktionieren wird. Ohne eine Veränderung der Strukturen bei den Erzeugern und beim Netz werden Sie nichts bewirken und niemals Wettbewerb in Deutschland organisieren können.
(Beifall bei der LINKEN)
   Meine Fraktion vertritt die Auffassung, dass wir alles tun müssen, um die Strom- und die Energieversorgung zu rekommunalisieren,
(Beifall bei der LINKEN)
   weil die damalige Struktur die Grundlage für vernünftigen Wettbewerb war. Das möchte ich einmal am Beispiel einer Stadt darstellen, in der ich jahrelang Oberbürgermeister war. Dort gab es drei Erzeugungsanlagen, die nichts mit Eon, RWE oder einem sonstigen Großanbieter zu tun hatten; sie befanden sich im Besitz der Stadt. Es handelte sich um ein Kohlekraftwerk, das abgeschrieben und insoweit aus Sicht der Stadtwerke eine Gelddruckmaschine war. Daneben gab es eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage, die notwendig war, um Energieversorgung einigermaßen ökologisch gerecht zu ermöglichen. Um Spitzen abzufangen, gab es dann noch eine Gasturbine, die in einem dicht besiedelten Wohngebiet stand. So sah die damalige Struktur aus. Nur aufgrund dieser Struktur konnten wir preisgünstig Strom anbieten. Wir waren nicht auf irgendwelche Oligopole angewiesen, die die Preise gewissermaßen diktieren. Deswegen sage ich noch einmal: Rekommunalisierung der Energieversorgung ist der beste Weg, um ökologisch und verbrauchergerecht eine Neuorganisation der Energieversorgung zu erreichen.
(Beifall bei der LINKEN - Julia Klöckner (CDU/CSU): Bund-Länder-Finanzausgleich!)
   Außerdem, Herr Kollege, versuchen Sie jetzt im Nachhinein, etwas auf den Weg zu bringen, was Sie abgeschafft haben; denn letztendlich wollen Sie eine Art Preiskontrolle durch das Kartellamt installieren. Das Kartellamt soll prüfen, ob die Preiserhöhungen richtig sind. Wenn sie es nicht sind, dann soll es eingreifen und die Preise festsetzen. So habe ich Sie hier verstanden; das haben Sie hier vorgetragen. In dieser Situation müssen Sie den Zuhörerinnen und Zuhörern aber doch einmal erklären, warum Sie die Preiskontrolle mit vereinten Kräften abgeschafft haben. Das ist doch unsinnig.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Preiskontrolle hat über viele Jahre funktioniert. Ich war auf verschiedenen Ebenen selbst daran beteiligt. Es gab auch Missbrauch - ich will das hier nicht alles darlegen; es wird auch in Zukunft Missbrauch geben -, aber die Preiskontrolle hat funktioniert. Deswegen sage ich hier für die Fraktion Die Linke: Es ist auf regionaler und gesamtstaatlicher Ebene notwendig, Preiskontrollen wieder einzuführen. Die Abschaffung war ein Fehler. Wir sollten diesen Fehler korrigieren.
(Beifall bei der LINKEN)
   Wenn man Wettbewerb organisieren will, dann darf man sich nicht allein auf die Erzeugerseite beschränken - das ist aber ein sehr wichtiger Gesichtspunkt, wie ich anhand der kommunalen Energieversorgung darzustellen versucht habe -, sondern man muss beim Netz beginnen. Wenn man das Netz monopolisiert, dann wird man ähnliche Erfahrungen machen wie jetzt auf der Erzeugerseite. Deshalb ist der Vorschlag, die Netze mehr oder weniger zu regulieren, mit größtem Vorbehalt zu betrachten. Es wäre sinnvoll, bei dem anzusetzen, was die EU-Kommission vorgeschlagen hat, und zunächst einmal auf eine unabhängige Besitzstruktur beim Netz hinzuwirken. Wir sind der Auffassung, dass die Netze in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung sein müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist der richtige Weg. Darüber, wie die Eigentümerstruktur beschaffen sein muss, kann man dann reden.
   Wenn Liberale skeptisch sind, dann empfehle ich, nachzulesen, was John Stuart Mill einst über die Frage von Wettbewerb und leitungsgebundenen Strukturen geschrieben hat. Er hat darauf hingewiesen, dass bei leitungsgebundenen Wirtschaftsstrukturen Wettbewerb im klassischen Sinne nicht möglich ist und dass es eine Instanz geben muss, die den Wettbewerb durchsetzt und funktionsfähig hält.
   In diesem Zusammenhang stelle ich fest: Sie haben die Machtstrukturen geschaffen, die zu den gewaltigen Preisschüben geführt haben, die derzeit im Energiesektor festzustellen sind. Die Leidtragenden sind insbesondere Arbeitnehmer, Rentner und Empfänger sozialer Leistungen, die niedrige Einkommen haben. Es wäre dringend geboten, nicht wie seit Jahren über die Preisschübe zu reden, sondern endlich die Strukturen im Energieversorgungssektor durchgreifend zu ändern.
(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Manfred Zöllmer, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Manfred Zöllmer (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Lafontaine, wir sind angetreten, um die Zukunft zu bewältigen. Das schaffen wir nicht, wenn wir zu John Stuart Mill in die Vergangenheit zurückblicken.
(Lachen bei der LINKEN - Sevim Dagdelen (DIE LINKE): Ein Blick zurück hilft manchmal nach vorne!)
- Das haben wir gemerkt. Die Nostalgie hat Ihre Rede von vorne bis hinten durchzogen. Die sicheren 70er-Jahre haben wieder fröhliche Urständ gefeiert.
(Beifall bei der SPD)
   Wenn Umfragen ergeben, dass Finanzämter inzwischen beliebter sind als Stromkonzerne, dann zeigt das deutlich, wie ernst die Lage ist.
(Heiterkeit bei der SPD)
Die Strompreise haben sich in den vergangenen Jahren, seit der Liberalisierung zum Teil drastisch erhöht. Dies ist eine Zumutung für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich zu Recht gegen die Abzocke wehren. Das ist hier deutlich geworden.
   Wichtigste Preistreiber sind einem Gutachten der TU Dresden zufolge in der Tat die vier großen Energiekonzerne, die ihre Marktmacht nutzen und für überhöhte Großhandelspreise an der Leipziger Strombörse sorgen. Beispielsweise haben sich zwischen 2005 und Juni 2006 die Preise rechnerisch zwischen 20 und 30 Prozent über dem Niveau bewegt, das bei besserem Wettbewerb herrschen würde. Wir brauchen mehr Transparenz bei der Preisbildung an der Strombörse. Es wurde bereits erwähnt, dass nur ein geringer Teil des Stroms dort gehandelt wird. Trotzdem bestimmt dieser Preis weitgehend das Preisniveau insgesamt. Mein Eindruck ist, dass in Leipzig sozusagen ein schwarzes Loch der Preisbildung entstanden ist.
   Wir brauchen Wettbewerb und eine gute Regulierung. Wettbewerb ist zwar der Schlüssel für marktgerechte Preise, aber nicht unbedingt auch für niedrigere Preise. Frau Höhn hat dankenswerterweise darauf hingewiesen. Ich hüte mich davor, den Verbraucherinnen und Verbrauchern weismachen zu wollen, dass mit jedem neuen Anbieter automatisch die Preise sinken. Einen Preisverfall, wie wir ihn etwa im Telekommunikationssektor erlebt haben, wird es im Energiebereich nicht geben; dort gibt es ganz andere Rahmenbedingungen.
   Für einen funktionierenden Wettbewerb tragen auch die Verbraucherinnen und Verbraucher Mitverantwortung. Ich habe insbesondere bei den Beiträgen von den Vertretern der Linken ein merkwürdiges Verbraucherbild erlebt. Sie nehmen die Verbraucherinnen und Verbraucher als Akteure im Wirtschaftsgeschehen nicht ernst.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Bitte?)
Der Anbieterwechsel wurde vom Gesetzgeber so stark vereinfacht, dass diese Möglichkeit von jedermann völlig unbürokratisch genutzt werden kann. In diesem Bereich liegen erhebliche Einsparpotenziale; Herr Kollege Hempelmann hat darauf hingewiesen. Die Verbraucherzentralen helfen vor Ort. Der Anbieterwechsel ist eine wirksame Maßnahme gegen überhöhte Energiepreise.
   Wer die vorhandenen Möglichkeiten nutzt, um Preise zu vergleichen - ganz wichtig -, sollte allerdings nicht auf unseriöse "Billigheimer" hereinfallen. Keinesfalls sollte man Vorkasseangebote akzeptieren. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten mit ihrer Anbieterwahl den Wettbewerb und die Anbietervielfalt stärken, auch zum Beispiel Stadtwerke unterstützen, lieber Herr Kollege Hill, die für ihre Kommunen häufig wichtige zusätzliche Dienstleistungen erbringen, so etwa im Nahverkehr.
(Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Solange es sie noch gibt!)
- Nein, es gibt sie ja,
(Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Noch!)
und sie machen das wirklich gut. Ich glaube, darauf sollte man auch einmal hinweisen.
   Natürlich geht es auch darum - das muss man deutlich sagen -, Einsparpotenziale beim Energieverbrauch im Haushalt zu nutzen. Stand-by-Geräte zum Beispiel sollten abgestellt werden, und bei Neuanschaffungen sollte auf die Energieeffizienz geachtet werden. Hier gibt es ein sehr großes Aufgabenfeld der EU. All das sind wichtige Punkte.
   Wenn mehr Wettbewerb der Schlüssel ist, dann ist zu sagen, dass seitens der Politik - Herr Kollege Hempelmann hat darauf hingewiesen - einiges getan worden ist, um mehr Wettbewerb zu erreichen. Ich will kurz auf die Diskussion um die Netze eingehen. Wir haben in Deutschland eine gesellschaftsrechtliche Trennung und eine strikte Regulierung durch die Bundesnetzagentur. Dass sie erfolgreich dabei war, haben wir gesehen: Sie hat die Durchleitungsgebühren um bis zu 20 Prozent gesenkt.
   Der Vorschlag der EU - Eigentumsentflechtung oder einen unabhängigen Netzbetreiber - muss auf jeden Fall sehr sorgfältig geprüft werden. Schauen Sie sich doch einmal den Zustand der Netze in den USA und in anderen Ländern an! Wenn der Strom ausfällt, dann hat derjenige, der den Inhalt seiner Tiefkühltruhe entsorgen muss, extrem hohe Kosten. Die Versorgungssicherheit ist aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher ein sehr wichtiges Gut.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege!

Manfred Zöllmer (SPD):
Jede Regelung muss sich daran orientieren, dass auch zukünftig in die Netze investiert wird. Wir brauchen mehr Investitionen und nicht weniger.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das ist ein sehr schöner Schlusssatz, Herr Kollege Zöllmer.
(Heiterkeit)

Manfred Zöllmer (SPD):
Schade, ich wollte noch auf Frau Höhn eingehen, die den Wettbewerb damit garantiert sah. Leider ist es nicht so. Frau Höhn, das müssen wir dann privat klären.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Genau. Vielleicht setzen Sie sich am Rande des Plenums noch einmal zusammen.
(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)

Manfred Zöllmer (SPD):
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der nächste Redner ist der Kollege Michael Fuchs für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich finde, dass der Wirtschaftsminister hier völlig zu Recht eingreift, indem er mit der GWB-Novelle, die sein Ministerium nach vorne bringt, dafür sorgt, dass wir die Strukturen und die Gründe für diese Preiserhöhungen erkennen. Der Kollege Rupprecht hat das sehr eindrucksvoll ausgeführt. § 29, durch den die Beweislast umgekehrt wird, ist genau der richtige Weg. Das brauchen wir, damit endlich Klarheit in dieses Geschäft hineinkommt. Dass es nicht klar ist und dass da Strukturen herrschen, die mit Wettbewerb nicht viel zu tun haben, darüber sind wir uns, glaube ich, alle im Klaren. Wir sollten dafür sorgen, dass sich das ändert.
   Allerdings sollten wir auch darüber nachdenken, welche Fehler wir selbst machen. Was ist denn eigentlich der Grund für diese hohen Strompreise? Ich will Ihnen nicht ersparen - das wird meinen geschätzten Koalitionspartner nicht unbedingt in jeder Hinsicht erfreuen -, darauf hinzuweisen, dass wir an verschiedenen Strukturen festhalten, die dazu führen, dass die Strompreise so hoch sind. Da bin ich sehr schnell bei dem Thema Kernkraft.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir alle wissen, dass es uns die Kernkraft durchaus ermöglicht, den Strompreis günstiger zu halten, als er ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wir sollten uns bitte schön nichts vormachen: Wer heute sagt - wie Sie, Frau Höhn -, dass er die Stromversorgung in der Zukunft nur mit erneuerbaren Energien sicherstellen will, der muss dem Verbraucher dann auch sagen, dass der Strom noch erheblich teurer wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will das an einem Beispiel klarmachen. In meinem Wahlkreis befindet sich ein Unternehmen, das heißt Kimberly-Clark. Es ist mehr unter dem Markennamen Kleenex bekannt und stellt Papiertücher etc. her. Ich habe dort vor kurzem eine Betriebsbesichtigung gemacht und mir dabei natürlich auch die Papiermaschine angesehen. Die Papiermaschinen kauft Kimberly-Clark weltweit. Eine solche Maschine steht beispielsweise in Rouen; das ist gerade einmal 250 Kilometer von meinem Wahlkreis entfernt.
(Rolf Hempelmann (SPD): Ist das jetzt der Werbeblock?)
Die Papiermaschine verbraucht in Koblenz für 25 Millionen Euro Strom im Jahr. In Rouen verbraucht dieselbe Maschine für dieselbe Leistung nur 17 Millionen Euro Strom im Jahr. Das ist ein Unterschied von 8 Millionen Euro. Wenn man in der Zentrale des Unternehmens in Dallas irgendwann einmal auf die Landkarte schaut, dann wird man nur zwei Stecknadelköpfe sehen - so nahe liegen Koblenz und Rouen beieinander - und sich fragen, ob man das Werk in Koblenz nicht nach Frankreich verlegen sollte. Wir müssen uns fragen, ob die Energiepreise, die wir durch unsere Politik mitverursachen, sozialverträglich sind oder ob sie dazu führen, dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden. Das hätten wir dann mitzuverantworten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
   Machen wir uns bitte nichts vor: Wer nicht darüber nachdenkt, wie wir im Rahmen eines vernünftigen Energiemixes - dazu gehören selbstverständlich auch die erneuerbaren Energien und neue Technologien und alles andere, was damit zusammenhängt - vernünftige Preise behalten können, der macht meiner Meinung nach einen gewaltigen Fehler und ist nicht glaubwürdig. Herr Kollege Lafontaine, wenn die Linke nichts Besseres zu fordern weiß als die sofortige Abschaffung der Kernkraft, dann kann ich Sie nicht ernst nehmen. Das ist Ihr üblicher Populismus. Darin sind Sie Weltmeister. Aber mit realer Politik hat das sicherlich nichts zu tun. Das ist erst recht keine Politik im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Unternehmen.
   Wir brauchen vernünftige, bezahlbare Energiepreise. Die Mietnebenkosten dürfen nicht höher sein als die Miete. Wenn es aber so weitergeht, werden wir auch bei den KdU erhebliche Probleme bekommen. Deswegen sind wir alle gefordert, auf vernünftige, bezahlbare Energiepreise zu achten. In diesem Zusammenhang werden wir um die Diskussion über die Kernkraft nicht herumkommen.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nur zur Erläuterung vergeblicher Anfragen: Zwischenfragen sind in Aktuellen Stunden laut unserer Geschäftsordnung nicht vorgesehen.
(Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig! Leider!)
Das setzt selbst besonders großzügigen Präsidenten natürliche Grenzen.
   Nächster Redner ist der Kollege Dr. Axel Berg für die SPD-Fraktion.

Dr. Axel Berg (SPD):
Verehrter Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Linke, ich finde es gut, dass Sie heute dieses Thema aufgeworfen haben, obwohl mir nicht ganz klar ist, in welche Richtung Sie gehen wollen. Zuerst fordert Herr Hill mehr Planwirtschaft. Dann strebt Herr Lafontaine mehr Wettbewerb an. Vielleicht werden Sie sich darüber noch einig, was genau Sie wollen. Dann fällt es uns leichter, darüber nachzudenken, ob wir das übernehmen werden.
   Die Argumentation der Großkonzerne - das ist der Anlass für die heutige Aktuelle Stunde -, die erklären soll, warum die Preise erhöht werden müssen, hinkt nicht nur, sondern ist schlichtweg falsch. Es wurden schon viele Punkte genannt. Ich möchte insbesondere auf die erneuerbaren Energien eingehen. Wir verschweigen nicht, dass das Modell des EEG auf den ersten Blick Mehrkosten zu verursachen scheint, aber nur, wenn man nicht die gesamte Rechnung aufmacht. Wenn man über Energie diskutiert, geht es immer um drei Kostenpunkte. Der erste Punkt sind die Investitionskosten. Dabei geht es um die Frage, wie viel ein Kraftwerk kostet. Der zweite Punkt ist der Brennstoff. Dabei geht es um die Frage, wie sich diese variablen Kosten in Zukunft entwickeln werden. Der dritte Punkt betrifft die Entsorgung. Dabei geht es um die Frage, was die Entsorgung der nach der Energieproduktion anfallenden Reststoffe kostet. Wenn man alle Kostenpunkte berücksichtigt - die Fachleute sprechen hier von der Internalisierung der externen Kosten -, dann stellt man fest, dass die erneuerbaren Energien in der Gesamtheit keine Mehrkosten verursachen; denn bei den erneuerbaren Energien - bis auf die Biomasse - fällt der Brennstoff als Kostenfaktor total weg. Die Sonne, der Wind oder das Meer schicken keine Rechnung. Zudem entfällt eine Entsorgung bei den erneuerbaren Energien fast ganz, da Reststoffe nach der Energieproduktion kaum vorhanden sind. Wenn die Gesamtbilanz erstellt würde, dann wäre erkennbar, dass schon heute die fossilen Energien und die atomaren erst recht überhaupt nicht rentabel sind. Entsprechend hätten erneuerbare Energien die Marktreife schon längst erreicht, wenn man überhaupt einen Markt hätte. Diese wären natürlich gegenüber den fossilen Energien im Vorteil.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Von den eingesparten Emissionen - das wäre ein weiterer finanzieller Vorteil der erneuerbaren Energien, wenn sie im Emissionshandel angemessen berücksichtigt würden - will ich jetzt gar nicht sprechen. Das müssen wir in Zukunft ausbauen. Lassen Sie uns eines im Blick behalten: Die durch das EEG aktuell verursachten Abgaben sind Investitionen in die Zukunft. Sie machen die erneuerbaren Energien marktfähig. Sie werden mittel- und langfristig die Kosten für Energie gerade in unserem Land auf einem bezahlbaren Niveau halten.
   Als ein weiteres Argument für Preiserhöhungen führen die Herren aus den Führungsetagen von Eon etc. die gestiegenen Rohstoffpreise an. Die meisten Menschen denken gleich an Öl, wenn es um Rohstoffpreise geht. Der Ölpreis ist massiv gestiegen. Ich bin 1998 in den Bundestag gekommen. Damals lag der Barrelpreis bei 10 bis 12 Dollar, jetzt liegt er bei 90 Dollar. Das ist eine Steigerung von 800 Prozent. Das ist eine irre Steigerung. Die Preise für Kohle sind praktisch stabil geblieben. Die Hälfte unseres Stroms wird aber aus Kohle gewonnen. Wie viel Öl wird denn für die Stromproduktion in unserem Land genutzt? Praktisch nichts. Insofern handelt es sich hier um eine Rosstäuschung der EVUs.
   Denken Sie an mein Bild von den drei Rechnungen. Die Investitionen für die Kraftwerke in unserem Land sind längst abgeschrieben. Auch die Entsorgung ist kein Problem. Diese überlässt man lässig den nächsten Generationen. Also geht es doch nur um den zweiten Posten. Personal wurde im großen Stil in den letzten Jahren gefeuert, und die Rohstoffe sind billig geblieben. Nach der Logik der Energieversorger müssten jetzt die Preise sinken, weil die Kosten extrem niedrig sind. Wenn Investitionen in den Bau neuer Kraftwerke getätigt werden, dann steigen die Kosten der Energieversorger tatsächlich. Doch derzeit werden gerade keine höheren Kosten weitergereicht, sondern es werden einfach die Gewinne erhöht.
   Die Philosophie der Konzerne ist verständlich: Gewinnmaximierung durch Erhöhung der Preise. Das muss dann aber auch so gesagt werden. Die Konzerne handeln zwar illegitim, aber nicht illegal. Sie nutzen nur das System aus. Deswegen ist es unser Job, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das nicht mehr ermöglichen.
   Die totale sofortige Liberalisierung des Strommarkts vor ungefähr zwölf Jahren war ein Fehler. Das hat uns damals die Regierung Kohl eingebrockt, und die Regierung Merkel muss jetzt die Suppe auslöffeln. Hat Herr Fuchs - er ist, so glaube ich, leider gerade gegangen - gerade die Forderung nach einem AKW-Neubau in Koblenz aufgestellt, oder wie will er die Welt retten?
(Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Ich bin hier! Sie haben mich nur nicht gesehen!)
- Entschuldigung, Herr Dr. Fuchs, ich sehe Sie erst jetzt. - Man wüsste gerne noch mehr über Ihre Ansichten. Insbesondere die Koblenzer wüssten gerne mehr von Ihnen.
   Wir sind jetzt langsam da, wo wir schon vor zehn Jahren hätten sein können. Langsam beginnt der Wettbewerb auf dem Strommarkt, auf dem Gasmarkt noch nicht so richtig. Aber auch dieser wird kommen. Energieversorger, bitte nutzt die Chance und verdient auch mit anderen Produkten Geld! Ich denke an Energieeffizienz. Das wäre vorausschauende Konzernpolitik. Man kann nicht nur mit dem Verkauf von Kilowattstunden Geld verdienen, sondern auch mit dem Verkauf von Energiedienstleistungen, Stichwort "Contracting".

Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Berg, es tut mir leid, weitere Stichworte können Sie jetzt nicht mehr ausführen. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Axel Berg (SPD):
Ich komme zu meinem letzten Satz. Ich bitte um Vergebung.
(Heiterkeit)
   Auf geht’s, Freunde, wechseln Sie zum günstigsten Anbieter, den es gibt! Letztlich schießen sich Eon und die anderen selbst ins Knie, weil die EU das alles beobachtet.
(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Unionsfraktion hat der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Preisveränderungen sind in der Marktwirtschaft eigentlich selbstverständlich, und zwar nach oben und nach unten.
(Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Aha!)
Aber sie müssen natürlich das Resultat des Wettbewerbs und fundamentaler Marktdaten sein. Es ist in der Tat die Frage, ob die Erhöhung des Strompreises um 10 Prozent, die zum 1. Januar nächsten Jahres angekündigt wurde, richtig ist.
Ich will das gerne im Einzelnen darlegen. Es ist richtig ausgeführt worden, dass staatlich administrierte Abgaben und Belastungen in der Tat für über 40 Prozent des Haushaltsstrompreises verantwortlich sind. Daran ändert sich zum 1. Januar 2008 aber nichts: Weder bei der Konzessionsabgabe noch bei der Stromsteuer noch im Bereich der erneuerbaren Energien kommt es zu Veränderungen. Auch auf dem Gebiet des Emissionshandels, wo im nächsten Jahr eine teilentgeltliche Vergabe und eine Auktionierung beginnen - die Kosten dafür sind schon eingepreist -, ändert sich nichts. Mit diesen 40 Prozent kann eine Stromerhöhung im nächsten Jahr also nicht begründet werden.
   Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Stromkosten sind die Netznutzungsentgelte. Der Betreiber des Netzes verfügt über ein natürliches Monopol. Kraft Definition ist ein solches Monopol durch Marktversagen gekennzeichnet. Diese Entgelte machen 35 Prozent des Strompreises aus. Was diesen Wert angeht, hat die Bundesregierung schon jetzt viel getan - sie hat den richtigen Weg beschritten -: Dadurch, dass wir 2005 die Regulierung eingeführt haben, sind die Netznutzungsentgelte bereits jetzt gleichbleibend, oder sie sind sogar gesunken. Die Höhe der Netznutzungsentgelte liegt bei 23 Milliarden Euro. Netznutzungsentgelte in Höhe von 2,3 Milliarden Euro wurden im letzten Jahr nicht genehmigt bzw. gekürzt. Von den Netznutzungsentgelten kann also ebenfalls keine den Preis zum 1. Januar 2008 erhöhende Wirkung ausgehen.
   Daraus folgt: 75 Prozent des Strompreises können nicht herangezogen werden, um eine 10-prozentige Strompreiserhöhung zu begründen. Wenn 25 Prozent der Stromkostenbestandteile die Preiserhöhung um 10 Prozent rechtfertigen sollen, dann müssten damit verbundenen Kosten um 40 Prozent gestiegen sein.
(Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt!)
   Es lohnt sich ein Blick auf die Details. 30 Prozent der Stromproduktion in Deutschland erfolgt - wenn es nach uns geht, bleibt es so - durch die Nutzung von Kernkraft. Diese Energieproduktion ist versorgungssicher und preiswert. Weniger als 5 Prozent der Kosten für den Betrieb eines Kernkraftwerks gehen auf die Verwertung von Uran zurück. Der Uranpreis ist zwar gestiegen, aber in einer vernachlässigbaren Höhe. Das heißt, diese 30 Prozent sind ebenfalls nicht mit höheren Kosten verbunden. Auch die Braunkohlenpreise - die Nutzung von Braunkohle macht immerhin 25 Prozent der Stromproduktion aus - sind stabil. So könnte man fortfahren.
   Ich komme zu dem Ergebnis: Die Erhöhung der Strompreise kann in keiner Weise mit gestiegenen Bezugskosten gerechtfertigt werden; schließlich sind die Kosten für Öl und Gas vernachlässigbar. Was diesen vermeintlichen Wettbewerbsbereich angeht, liegt in der Tat der Schluss nahe, dass ein Oligopol, das 90 Prozent des Stroms erzeugt, Marktmissbrauch betreibt. Dieser Marktmissbrauch muss beendet werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
   Er wird aber sicher nicht beendet, indem wir den Marsch in die Planwirtschaft und in die Staatswirtschaft antreten, aus der wir kommen. Das ist mit Sicherheit der falsche Weg; die DDR wollen wir nicht zurückhaben. Wohin dieser Weg dort geführt hat, war offensichtlich.
   Auch die vielgelobte staatliche Tarifpreisfestsetzung wäre absurd. So etwas haben wir gerade abgeschafft. Das war eine Einladung zur Kostenverursachung und zur Strompreiserhöhung. Das Ganze hat so funktioniert, dass die Deckung aller nachgewiesenen, tatsächlich angefallenen Kosten - egal ob sie begründet waren oder nicht - genehmigt werden musste. Hinzu kam ein Gewinnaufschlag. Das ist die Politik, die Sie wieder einfordern. Sie versuchen wirklich, die Leute an der Nase herumzuführen. Würde man diesen Weg gehen, wären die Strompreise und die Kosten weit höher, als dies jetzt der Fall ist.
   Unsere Reaktion, die Reaktion der Union, auf den bisher noch nicht in ausreichendem Maße funktionierenden Wettbewerb ist nicht, den Wettbewerb wieder abzuschaffen und durch ein staatliches Monopol - durch ein Monopol der Kommune, des Landes, des Bundes oder wessen auch immer - zu ersetzen, sondern, den Wettbewerb funktionsfähig zu machen. Ein konkreter weiterer Schritt dazu ist die zügige Umsetzung der GWB-Novelle, wodurch der Marktmissbrauch durch ein Oligopol ab 1. Januar 2008 abgestellt werden kann. Wir würden den entsprechenden Gesetzentwurf gern schon früher verabschieden. Wir alle können nur daran arbeiten, dass dies zügig geschieht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja ein Eingriff des Staates! Das ist nach Ihrer Argumentation nicht logisch!)
- Natürlich ist es logisch. Wir können es machen.
Auch das Ownership-Unbundling, das hier als Allheilmittel gefordert wird, würde in der Tat nicht morgen wirken können. Es könnte eine Art Ultima Ratio sein; aber jetzt muss gehandelt werden. Wir handeln jetzt mit der GWB-Novelle, wir handeln jetzt mit der Kraftwerksanschlussverordnung, und wir handeln jetzt mit der Umsetzung der Anreizregulierung, die zu weiteren Netznutzungsentgeltsenkungen auf diesem Gebiet eines natürlichen Monopols führt. Wir wollen auch aus dem staatlichen Bereich den Bürgern wieder etwas zurückgeben; mithilfe der beim Emissionshandel erzielten Versteigerungserlöse können wir die Stromsteuer senken. So wird ein Schuh daraus.
   Alle können ihren Beitrag leisten. Wir müssen den Wettbewerb stärken. Der Staat darf die staatlich administrierten Abgaben nicht weiter nach oben treiben, und beim natürlichen Monopol "Netz" muss Wettbewerb stimuliert bzw. geschaffen werden.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Pfeiffer, Sie müssen trotzdem zum Schluss kommen.

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Dann werden wir die Strompreise stabil halten bzw. senken können. Das ist unser Ziel. Unser Konzept zur Erreichung dieses Ziels habe ich dargelegt. Ich fordere Sie auf, uns zu unterstützen und nicht den Leuten Sand in die Augen zu streuen, etwa mit der Behauptung, dass wir mit staatlicher Preissetzung hier weiterkommen würden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Rainer Wend (SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Martin Burkert das Wort.
(Beifall bei der SPD)

Martin Burkert (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die angekündigten Preissteigerungen bei Eon und RWE von 10 Prozent sind für uns alle, glaube ich, nicht nachvollziehbar. Die Konzerne verschleiern ihre wahren Beweggründe und reden sich damit heraus, höhere Beschaffungskosten, größere Belastungen durch den Staat und vor allem - das betrifft mich als Umweltpolitiker besonders - die Förderung der erneuerbaren Energien seien an den Strompreiserhöhungen schuld. Diese Argumentation ist schlichtweg falsch.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
   Übrigens ist auch das Bundeskartellamt sehr verärgert, was die angeführten Begründungen angeht. Als fadenscheinig und nicht nachvollziehbar werden sie heute von den Wettbewerbshütern beurteilt. Die Sache ist jetzt in der Prüfung. Es werden sicherlich Vorschläge für Maßnahmen gegen die unverschämten Preiserhöhungen auf den Tisch gelegt werden. Dann gilt es, zu handeln.
   Dass es sich bei dem, was Eon und RWE vortragen, um eine Milchmädchenrechnung handelt, will ich beispielhaft an der Förderung der erneuerbaren Energien aufzeigen:
   Nach aktuellen Berechnungen macht die Förderungsumlage nach dem EEG tatsächlich nur einen Bruchteil der angekündigten Strompreissteigerung und nicht die Hälfte aus, wie zum Teil behauptet wird. Die Preissteigerung bei Eon ist 15-mal so hoch wie der Anstieg der EEG-bedingten Kosten. Die erneuerbaren Energien sollen offensichtlich wieder einmal als Sündenbock herhalten.
   Die Förderung von erneuerbaren Energien macht für einen Durchschnittshaushalt in unserem Land nur 0,7 Cent an Mehrkosten pro Kilowattstunde aus. Am derzeitigen Strompreis von durchschnittlich 22 Cent pro Kilowattstunde hat die Förderung der erneuerbaren Energien also nur einen Anteil von 3,3 Prozent.
   Im kommenden Jahr wird sich die EEG-Umlage um etwa 0,1 Cent pro Kilowattstunde erhöhen. Das macht für den Durchschnittshaushalt in Deutschland dann unter dem Strich maximal - maximal! - 30 Cent im Monat zusätzlich aus. Die angekündigten Preiserhöhungen bedeuten aber für den Haushalt im Schnitt 5 Euro Mehrkosten pro Monat. Da geht doch die Rechnung von RWE nicht auf, wonach 50 Prozent der Anhebung allein auf die gestiegenen Kosten für die Einspeisung erneuerbarer Energien zurückgingen. Die 30 Cent an Mehrkosten, die im nächsten Jahr dem EEG zuzuschreiben sind, können für eine 5-Euro-Erhöhung also mit Sicherheit nicht herhalten.
Noch etwas möchte ich in diesem Zusammenhang klar sagen: Tatsächlich führt das mittlerweile große Angebot von rund 14 Prozent an Strom aus erneuerbaren Energien sogar zu niedrigeren Großhandelspreisen für Strom. Im Umweltministerium werden die preisdämpfenden Effekte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf 5 Milliarden Euro im Jahr beziffert. Berücksichtigt man, dass erneuerbare Energien Importkosten für fossile Brennstoffe senken und Umweltschäden vermeiden, betrug der volkswirtschaftliche Nutzen im Jahr 2006 sage und schreibe etwa 9 Milliarden Euro. Ich wiederhole: Der volkswirtschaftliche Nutzen im Jahr 2006 betrug etwa 9 Milliarden Euro. Aufgrund der höheren Einspeisungen von erneuerbaren Energien in diesem Jahr wird der volkswirtschaftliche Gewinn 2008 sogar zweistellige Milliardenwerte erreichen; etwa 10,7 Milliarden Euro werden prognostiziert. Aber die Versorger haben diese enormen Einsparungen bisher nicht an die Verbraucher weitergegeben. Die Strompreise wurden nicht gesenkt. Das Gegenteil ist der Fall.
   In diesem Zusammenhang möchte ich die Erfolge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes noch einmal betonen. Schließlich hat es den entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass wir in Deutschland unsere bis 2010 geplanten Ausbauziele bereits in diesem Jahr erreichen und Ende 2007 mit mehr als 14 Prozent Anteil an erneuerbaren Energien das Ziel bereits übertreffen werden. Deshalb müssen wir an eine Novellierung des Gesetzes vorsichtig und sorgfältig herangehen. Wir dürfen dieses erfolgreiche Gesetz nicht beschädigen, sondern müssen es zukunftsfähig ausbauen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
   Den kleinen Anteil des EEG am Strompreis, derzeit weniger als 4 Prozent, halte ich hinsichtlich der zentralen Rolle der erneuerbaren Energien beim Kampf gegen den Klimawandel für angemessen. Ich kann nur an die Verbraucher appellieren, die Preise zu vergleichen und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln. Diejenigen, die sich nach einem neuen Anbieter umschauen, sollten dabei die Gelegenheit nutzen, auf klimafreundlich erzeugten Strom umzusteigen. Wer seinen Strom von einem Ökostrom-Anbieter bezieht, handelt nicht nur umwelt-, sondern auch kostenbewusst; denn häufig sind die heutigen alternativen Stromangebote nicht einmal teurer als konventionell erzeugter Strom.
   Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat die Kollegin Julia Klöckner für die Unionsfraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Julia Klöckner (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf als letzte Rednerin in dieser Runde jetzt das nachholen, was heute bisher nicht zur Sprache kam, nämlich das Lob für die Bundesregierung.
(Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der LINKEN und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Ich kann Ihnen das Lob für unseren Bundeswirtschaftsminister Michael Glos auch begründen. Er hat nämlich auch den Mittelstand und die Verbraucherinnen und Verbraucher im Blick, während es bei der Linksfraktion ja nur die bösen Großkonzerne und die armen, machtlosen Verbraucher gibt. Ich möchte erwähnen, dass das Haus von Herrn Glos den Verbraucherzentralen 7,1 Millionen Euro für eine effektive Energieberatung zur Verfügung stellt.
(Beifall bei der CDU/CSU - Klaus Barthel (SPD): Das Parlament macht das!)
   Mein zweiter Hinweis betrifft den Verbraucherschutz. Frau Heinen vom Verbraucherschutzministerium ist anwesend. Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung haben zusammen eines erwirkt: Sie haben das nachgebessert, was Frau Künast versäumt hat. Bei ihr wäre 2007 der wirtschaftliche Verbraucherschutz ausgelaufen.
(Widerspruch der Abg. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Das ist Ihnen neu? - Das zeigt mal wieder, dass Sie nicht richtig im Thema sind.
(Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das müssen Sie nun gerade sagen! Das ist ja wirklich unverschämt!)
Wir werden den wirtschaftlichen Verbraucherschutz bei den Verbraucherzentralen auch im kommenden Jahr mit 2,5 Millionen Euro mitfinanzieren.
(Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gehen Sie mal in die Verbraucherzentralen und fragen Sie, was die dazu sagen! Unglaublich!)
Die Verbraucherzentralen sind bei den Menschen. Die Menschen brauchen keine Diskussion auf hoher Ebene, sondern eine Beratung unmittelbar vor Ort. Deshalb sind wir für einen aktiven Verbraucherschutz.
   Natürlich ist der Wechsel von einem Stromanbieter zum anderen emotional und mental nicht so ganz einfach,
(Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Die Menschen brauchen keine Preiserhöhungen!)
wenngleich der Wechsel des Stromanbieters einfacher ist als der Wechsel des Mobilfunkanbieters. Wir haben aber festgestellt, dass nach dem Aufruf durch die Verbraucherzentralen der Länder und des Bundes mittlerweile schon 1,4 Millionen Haushalte den Anbieter gewechselt haben, wenngleich man natürlich auch einräumen muss, dass der Verbraucher machtlos ist, wenn alle marktbeherrschenden Anbieter gleichzeitig die Preise erhöhen.
   Der Weg, den die Bundesregierung jetzt geht, ist richtig. Die Beweislast wird umgekehrt, und in Zukunft wird man Preiserhöhungen wirklich begründen müssen. Diese Regelung wird sofort greifen, und wir werden nicht erst den langen Klageweg abwarten müssen.
(Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Einfach keine Preiserhöhungen!)
Sie wird sofort greifen, auch wenn es die Linksfraktion nicht kapiert und nicht glaubt. Das tut mir leid für Sie, aber wir machen es halt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bei allem, was ich immer wieder von der Linksfraktion höre, habe ich den Eindruck, dass Ihnen die kommunalen Gegebenheiten nicht klar sind. Sie sagen immer - auch in Interviews -, dass wir den Hartz-IV-Satz anheben müssen, weil die Energiekosten so stark gestiegen sind. Es sind aber die Kommunen, die diese höheren Kosten tragen müssen. Letztlich sind diejenigen gekniffen, die jeden Tag zur Arbeit gehen und deren Verdienst über dem Hartz-IV-Satz liegt, weil sie doppelt zahlen: zum einen die Steuerabgaben und zum anderen die höheren Preise. Es ist wichtig, das einmal zur Kenntnis zu nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
   Wir müssen nach vorne schauen und uns fragen, was wir unmittelbar tun können. Wir müssen Anreize schaffen, dass der Wettbewerb bei energiesparenden Geräten auf den Weg gebracht wird.
(Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Die der Hartz-IV-Empfänger dann zahlt!)
Letztlich machen Waschmaschinen - Sie kennen sich damit wahrscheinlich nicht aus, Herr Kollege -, Spülmaschinen und Kühlschränke 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs eines Durchschnittshaushaltes aus.
   Energiekennzeichnung ist eine ganz wichtige Forderung von uns. Außerdem ist Transparenz wichtig. Denn der Verbraucher soll einen Teil seines Energieverbrauchs selber in der Hand haben. Uns geht es auch darum, Energieverluste zu minimieren. Es ist sehr ärgerlich, dass es in Haushalten nach wie vor energiefressende Elektrogeräte gibt, deren Stand-by-Betrieb man nicht ausschalten kann. Energiekennzeichnung und der Wettbewerb bei der Energieeffizienz sind für uns also entscheidende Punkte.
   Zum Abschluss möchte ich das aufgreifen, was mein Kollege Michael Fuchs zur Kernenergie vorhin gesagt hat. Wir sollen die Quadratur des Kreises schaffen. Zum einen wollen wir Energieeffizienz, und zum anderen soll die Energiesicherheit gewährleistet sein. Außerdem soll die Energie bezahlbar und gleichzeitig umweltverträglich sein.
(Klaus Barthel (SPD): Genau!)
   Wenn man aufgrund mangelnder Umweltverträglichkeit Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke abschalten will, dann weiß ich nicht, wie man es schaffen kann, abends nicht nur bei Kerzenlicht zu sitzen.
(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das haben Sie aber schön gesagt!)
Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Wettbewerb ist unserer Meinung nach der beste Verbraucherschutz.
(Beifall bei der CDU/CSU - Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie kann man nur eine solche Rede halten?)

Vizepräsidentin Petra Pau:
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.