Mai 2007

070505

ENERGIE-CHRONIK


Netzbetreiber protestieren gegen Entwurf für Anreizregulierung

Die Netzbetreiber machen weiter Front gegen die geplante Verordnung zur Durchführung der Anreizregulierung, die gemäß § 21a des neuen Energiewirtschaftsgesetzes von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassen werden kann. Die Eckpunkte der neuen Verordnung wurden bereits vor einem Jahr in einem Bericht der Bundesnetzagentur abgesteckt (060502). Der darauf basierende Verordnungsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums soll in Kürze vom Kabinett verabschiedet werden. Der Grundgedanke der Anreizregulierung besteht darin, die bestehenden Effizienzunterschiede bei den Netzbetreibern abzubauen, indem sich die zulässige Höhe der Netzentgelte für eine Gruppe vergleichbarer Unternehmen an den jeweils effizientesten Unternehmen dieser Gruppe orientiert.

Stadtwerke bangen um ihre bisherigen Einnahmen

Am härtesten trifft die geplante neue Regelung zahlreiche Stadtwerke, die als reine Verteilnetzbetreiber ihre Erlöse überwiegend aus den Netznutzungsgebühren beziehen und an möglichst hohen Netzentgelten auch deshalb interessiert sind, um konkurrierende Strom- oder Gasanbieter aus ihrem angestammten Vertriebsgebiet fernzuhalten. Bei den im "Querverbund" organisierten Stadtwerken wird bisher mit den Erlösen aus der Strom- und Gasverteilung vielfach das defizitäre Geschäft in anderen Bereichen wie dem öffentlichen Nahverkehr subventioniert.

VKU verlangt Orientierung am Durchschnitt

Als der Verordnungsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums Anfang April bekannt wurde, protestierte deshalb sogleich der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) als Vertreter der Stadtwerke. "Das Wirtschaftsministerium legt die Hürde zu hoch", meinte der stellvertretende VKU-Hauptgeschäftsführer Michael Wübbels. "Die Vorgabe, innerhalb von nur acht Jahren das Niveau des effizientesten Netzbetreibers zu erreichen, ist nicht zu schaffen." Nach dem Verordnungsentwurf hätten sich die Netzbetreiber am Branchenprimus zu orientieren, und selbst der müsse seine Kosten noch um 1,5 Prozent pro Jahr senken. Um weniger effiziente Stadtwerke nicht zu überfordern, müsse sich die Anreizregulierung am durchschnittlich effizienten Netzbetreiber orientieren. Außerdem müsse die generelle Produktivitätsvorgabe von 1,5 Prozent zunächst ausgesetzt werden bis entsprechende Branchendaten vorliegen. Zu bemängeln sei schließlich auch die vorgesehene Regelung für kleine Netzbetreiber mit bis zu 20.000 angeschlossenen Kunden, da sich diese innerhalb von nur zwei Monaten für ein Verfahren entscheiden müßten, das acht Jahre angewandt werden soll, ohne daß sie die wirtschaftlichen Folgen abschätzen könnten.

VDEW spricht von "überdrehten Stellschrauben"

Ähnlich äußerten sich im Mai der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), der Verband der Netzbetreiber (VDN) sowie der Verband der Verbundunternehmen und Regionalen Energieversorger (VRE): Das vorgesehene Regulierungssystem sei mit den Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes nicht vereinbar und setzt falsche Anreize. Zudem seien die Anforderungen für viele Netzbetreiber nicht erreichbar. "Die entscheidenden Stellschrauben sind überdreht", meinte VDEW-Präsident Werner Brinker. "Die geplante Anreizregulierung würde die Netzbetreiber überfordern und letztlich dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden."

Bürgermeister appellieren an die Ministerpräsidenten der Länder

Für die dem E.ON-Konzern verbundenen Stadtwerke organisierte die "Syneco" erneut eine Anzeigenkampagne, in der die Bürgermeister von 84 Kommunen an die Ministerpräsidenten der Länder appellierten, die Verabschiedung der Anreizregulierungsverordnung in der vorgesehenen Form über den Bundesrat zu verhindern. Andernfalls sei die Rentabilität des Netzgeschäfts für die Kommunen nicht mehr gewährleistet. Es drohe der Verkauf der Netze "an internationale Hedgefonds oder die großen Energiekonzerne". Eine ähnliche Anzeigenkampagne gab es bereits im Juli 2006, nachdem die Bundesnetzagentur die Grundrisse der neuen Verordnung vorgelegt hatte. Damals warnten 26 Bürgermeister, an deren Stadtwerken die E.ON-Tochter Thüga beteiligt ist, vor dem "Spiel mit dem Feuer" (060713).

Glos verteidigt Effizienzvorgaben

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sah indessen keinen Anlaß, von den vorgesehenen Effizienzvorgaben abzurücken. "Die Effizienzziele müssen anspruchsvoll sein, wenn wir ernsthaft unseren gesetzlichen Auftrag erfüllen wollen", erklärte er am 23. Mai vor den Branchenvertretern, die sich in Berlin zum "VDEW-Kongreß 2007" zusammengefunden hatten. "Die Effizienzvorgaben für die Netzbetreiber können sich deshalb nicht am Durchschnitt orientieren."