März 2007

070304

ENERGIE-CHRONIK


Bundeskartellamt untersagt Übernahme der Saar Ferngas durch RWE

Das Bundeskartellamt hat die Übernahme der Saar Ferngas AG (SFG) durch RWE definitiv untersagt. Wie die Behörde am 15. März mitteilte, würde der Zusammenschluss zur Verstärkung marktbeherrschender Stellungen beim Erdgas- und Stromabsatz führen. RWE möchte die SFG-Aktienmehrheit von 76,88 Prozent erwerben, die bisher der Steag bzw. dem RAG-Konzern gehört. Weitere 20 Prozent an SFG hält E.ON Ruhrgas (060505). Nach der im Dezember ergangenen Abmahnung (061206) hatten beide Unternehmen den Verzicht auf ein paar Stadtwerke-Beteiligungen angeboten, um eine endgültige Untersagung abzuwenden. Nach Einschätzung des Bundeskartellamtes waren diese Zusagen aber nicht ausreichend.

In einer ersten Stellungnahme bezeichnete RWE die Entscheidung der Behörde als "unverständlich", zumal die Kompensationsangebote "weit über das übliche Maß hinaus" gegangen seien. Am 23. März legte der Konzern dann beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Untersagung ein. Er vertritt die Ansicht, daß er mit einem Anteil von knapp 10 Prozent am deutschen Gasgeschäft nicht marktbeherrschend sei und es auch durch Übernahme von SFG nicht werde. Durch die Untersagung schwäche das Bundeskartellamt sogar den Wettbewerb.

Laut "Frankfurter Allgemeine" (24.3.) hat der RAG-Konzern im luxemburgischen Stahlkonzern Arcelor-Mittal bereits einen neuen Kaufinteressenten gefunden.

Vorlieferanten sind E.ON Ruhrgas und Wingas

Die SFG betreibt in Rheinland-Pfalz und Saarland ein 1 700 Kilometer langes Hochdrucknetz, über das sie 52 regionale und lokale Energieversorger sowie 20 Industriebetriebe und Kraftwerke beliefert. Ihr wichtigster Vorlieferant (rund 90 Prozent) ist die E.ON Ruhrgas. Der Rest kommt von der Wingas, die BASF und Gazprom gehört. Die Netzgebiete von SFG und RWE grenzen nicht aneinander. Da die Durchleitung durch fremde Netze weiterhin Probleme bereitet, besteht nach Ansicht des Bundeskartellamts insoweit auch kein potentielles Wettbewerbsverhältnis zwischen den beiden Fusionskandidaten.

Bedenken von Electrabel, MVV, VNG und Gasag

Außerhalb von Rheinland-Pfalz/Saarland verfügt die SFG über Beteiligungen an der SpreeGas GmbH, Cottbus, (23,517 %), an der Ferngas Nordbayern GmbH (20 %) sowie an der SOTEC S.A., Luxemburg (10 %). Unter den beigeladenen Unternehmen, die in dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt ihre Bedenken gegen die geplante Fusion vortrugen, waren deshalb neben Electrabel und der Mannheimer MVV auch die ostdeutsche VNG und die Berliner Gasag vertreten.

Übernahme von SFG würde RWE den vollen Zugriff auf Pfalzgas ermöglichen

Der größte Endverteiler der SFG ist die Pfalzgas GmbH, die in Rheinland-Pfalz insgesamt 187 Ortsnetze mit einer Leitungslänge von rund 2 500 Kilometern versorgt. Ursprünglich war die Pfalzgas eine hundertprozentige Tochter der Saar Ferngas. Seit 2002 gehört sie zur Hälfte den Pfalzwerken, die dafür ihr Gasgeschäft in das Unternehmen eingebracht haben (030111). An den Pfalzwerken ist wiederum RWE mit 26,7 Prozent maßgeblich beteiligt (000515), so daß die Pfalzgas bei einem Zustandekommen des Kaufvertrags ganz unter den Einfluß von RWE geraten wäre.

Kartellamt sieht Zunahme von Konzernbeteiligungen an Stadtwerken mit Mißtrauen

Innerhalb ihres eigenen Versorgungsgebiets ist die SFG an rund einem Dutzend kommunaler Versorger beteiligt, darunter den Stadtwerken Trier (24,9 %) und Bad Kreuznach (24,52 %), an denen die RWE Energy ihrerseits 18,7 % bzw. 24,52 Prozent besitzt. Als Gegenleistung für die Genehmigung der Fusion hatten beide Unternehmen den Verkauf dieser Beteiligungen in Trier und Bad Kreuznach sowie den Rückzug der SFG aus den Stadtwerken Pirmasens (13 %), St. Ingbert (12,55 %) und Homburg (10 %) angeboten.

Der RWE-Konzern besitzt ferner über den saarländischen Regionalversorger VSE, an dem er 2002 die Mehrheit übernahm (011215) und inzwischen auf 64,2 Prozent ausbaute, schon jetzt den bestimmenden Einfluß auf die energis GmbH, die als Vertriebstochter von VSE (64,2 %) und SFG (26,12 %) weite Teile des Saarlands mit Strom und Gas versorgt. Als weitere Folge der Fusion befürchtet das Bundeskartellamt deshalb eine Verfestigung der Vorlieferanten-Rolle, die SFG bei einer ganzen Reihe von Kommunen einnimmt. Unter anderem gelte dies für die energis-Beteiligungen an der Gas- und Wasserversorgung Bous-Schwalbach (49 %) sowie an den Stadtwerken Neunkirchen (28,55 %), Dillingen (49 %), Merzig (49,9 %), Saarlouis (49 %) und St. Wendel (49,52 %).

In seinem Beschluß konstatiert das Bundeskartellamt generell eine starke Zunahme von Konzernbeteiligungen an Stadtwerken und Regionalversorgern: Zum 1. Januar 2000 hätten E.ON und RWE erst 125 solcher Minderheitsbeteiligungen (10 % bis 49,99 %) besessen. Innerhalb von nur fünf Jahren sei die Zahl auf 204 angewachsen. Die entsprechenden EnBW- Beteiligungen hätten sich im gleichen Zeitraum von 16 auf 28 erhöht. Lediglich beim Vattenfall-Konzern - der zum Jahresbeginn 2000 noch nicht existierte - habe sich die Situation seit der Gründung kaum verändert und umfasse derzeit sieben Minderheitsbeteiligungen.

Österreichischer Versorger demonstriert "Vergeltungspotential" gegenüber E.ON Ruhrgas

Nach Feststellung des Bundeskartellamts beherrscht die SFG, die ihrerseits hauptsächlich von E.ON Ruhrgas beliefert wird, den Markt für Weiterverteiler in ihrem Netzgebiet bisher zu annähernd hundert Prozent (siehe Karte). Künftig werde er in die Nähe von 95 Prozent absinken, da die Stadtwerke Grünstadt, Speyer und Ludwigshafen Lieferverträge mit der österreichischen EconGas geschlossen haben. Der Markteintritt von EconGas sei allerdings "ganz offensichtlich eine Reaktion auf den Markteintritt von E.ON Ruhrgas in den österreichischen Heimatmarkt der EconGas, der auch den Zweck hat, das in Deutschland bestehende Vergeltungspotential gegenüber potentiellen Wettbewerbern zu demonstrieren". Es handele sich insofern nicht um einen flächendeckenden Markteintritt. Vielmehr verfolge EconGas anscheinend das Ziel, den eigenen Heimatmarkt vor potentiellen Wettbewerbern wie E.ON Ruhrgas zu schützen.

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