Mai 2006

060506

ENERGIE-CHRONIK


Wintershall soll Gazprom zum Vertragsbruch verleitet haben

Das amerikanische Unternehmen Moncrief Oil International verlangt von der Wintershall AG Schadenersatz in Höhe von mehreren Milliarden Dollar, weil die BASF-Tochter den russischen Gasmonopolisten Gazprom zum Vertragsbruch verleitet habe. Es geht dabei um die Beteiligung von Wintershall an der Ausbeutung des sibirischen Gasfelds Juschno-Russkoje, die am 27. April 2006 im Beisein von Kremlchef Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel vereinbart wurde (060403). Das US-Unternehmen beruft sich auf ältere Abmachungen mit Gazprom zur gemeinsamen Ausbeutung dieses Erdgasfelds, die der Staatsmonopolist durch die neue Partnerschaft mit Wintershall gebrochen habe. Zugleich macht Moncrief geltend, daß in Rußland keine rechtsstaatlichen Verhältnisse herrschen würden und deshalb eine Klage gegen Gazprom vor russischen Gerichten aussichtslos sei. Ersatzweise will Moncrief nun auf Grundlage des deutschen Gesetzes über unlauteren Wettbewerb den Schadenersatz von der Wintershall eintreiben, weil diese Gazprom zum Vertragsbruch angestiftet habe. Ferner drohte das US-Unternehmen dem E.ON-Konzern mit einer ähnlichen Schadenersatzforderung, falls dieser sich an der Ausbeutung des Erdgasfelds Juschno-Russkoje beteiligen sollte. (FAZ, 17.5.; SZ, 23.5.)

Moncrief pocht auf Vereinbarungen aus der Zeit schlimmster Korruption

Die abenteuerlich wirkende juristische Argumentation des US-Unternehmens wirft ein weiteres Schlaglicht auf die mafiösen Strukturen von Politik und Wirtschaft in Rußland, die es in der Tat aussichtslos erscheinen lassen, die eng mit dem Kreml verbundene Gazprom vor Gericht zu verklagen. Wie gelenkt die russische Justiz ist, hat Ende 2005 der Schauprozeß gegen den Ölmagnaten Chodorkowskij gezeigt, der auf Anweisung von Kremlchef Putin zu neun Jahren Haft verurteilt wurde (050914).

Moncrief will mit Gazprom seit 1997 mehrere Vereinbarungen getroffen haben, die dem in Texas ansässigen Unternehmen einen Anteil von vierzig Prozent an der Ausbeutung des Gasfelds Juschno-Russkoje zusicherten. Diese Vereinbarungen kamen demnach in einer Zeit zustande, als der Staatsmonopolist so tief im Sumpf von Korruption und Nepotismus steckte, daß er vom eigenen Management ausgeplündert wurde und seine Rolle als wichtigster Devisenbringer des russischen Staates nicht mehr erfüllen konnte. Möglicherweise handelt es sich bei den beträchtlichen Summen, die Moncrief aufgrund dieser Vereinbarungen investiert haben will, schlicht um Schmiergelder. Allerdings soll auch der neue Gazprom-Chef Alexej Miller, der im Juni 2001 von Putin eingesetzt wurde (010615), die Vereinbarungen mit Moncrief nicht widerrufen haben. Vielmehr soll sich Miller noch im Juli 2004 mit Richard Moncrief getroffen und anschließend um eine Ergänzung von dessen Vorschlägen für die Zusammenarbeit gebeten haben. Damals verhandelte Gazprom allerdings bereits mit E.ON und Wintershall über die Beteiligung an Juschno-Russkoje. Zunächst sah es so aus, als ob E.ON der Favorit wäre (040808). Im April 2005 kam dann aber - wiederum im Beisein von Kremlchef Putin und Bundeskanzler Gerhard Schröder - eine neue Vereinbarung mit der BASF-Tochter Wintershall zustande (050404), die ein Jahr später im Beisein von Putin und Merkel abschließend besiegelt wurde (060403).

Im Frühjahr 2005 hatte Moncrief sowohl Wintershall als auch E.ON auf die angeblich bestehenden Ansprüche aufmerksam gemacht, ohne indessen eine Antwort zu erhalten. Nach Abschluß der Grundsatzvereinbarung mit Wintershall rief Moncrief im Juni 2005 ein texanisches Gericht an, um von Gazprom Schadenersatz in Milliardenhöhe oder einen Anteil von 40 Prozent an der Ausbeutung von Juschno-Russkoje zu verlangen. Das texanische Gericht erklärte sich indessen für unzuständig.

"Unsere Vereinbarungen mit Gazprom sehen wir nicht beeinträchtigt", erklärte dazu Wintershall am 17. Mai. "Für eine Klage der Moncrief gegen BASF/Wintershall vor einem Gericht in Deutschland können wir keine Rechtsgrundlage erkennen."