Februar 2006 |
060201 |
ENERGIE-CHRONIK |
Wie der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, am 31. Januar
2006 vor der Presse in Bonn erklärte, wird das neue Gasnetzzugangsmodell "nach
weitgehend übereinstimmender Auffassung" zwischen Bundesnetzagentur und
VKU/BGW" die folgenden Kernpunkte enthalten (wörtlicher Auszug aus seinem
Redemanuskript):
(1) Grundsatz: Abschluss von nur zwei Verträgen
Allen Lieferanten/Transportkunden wird es zukünftig ermöglicht, einen Letztverbraucher/Kunden
mit dem Abschluss von nur zwei Zugangsverträgen und nur zwei
Kapazitätsbuchungen zu beliefern. Erforderlich ist zukünftig nur noch der
Abschluss eines Einspeisevertrags und eines Ausspeisevertrags.
Alle weiteren für die Abwicklung des Netzzugangs notwendigen Maßnahmen
werden im Innenverhältnis der Netzbetreiber untereinander abgewickelt. Dies erleichtert
den Abwicklungsaufwand für alle neuen und alten Lieferanten erheblich.
(2) Abwicklung in Anlehnung an den Strombereich
Der Netzzugang wird in diesem Modell in Anlehnung an den Strombereich
abgewickelt, das heißt über einen Ausspeisevertrag wird der Zugang zur
"höchsten Netzebene" und damit zum Handelspunkt gewährleistet.
Parallel zum Strombereich wird innerhalb eines Marktgebiets eine Kosten- und
Entgeltwälzung über alle beteiligten Netzebenen durchgeführt.
Die Kosten- und Entgeltwälzung erfolgt auf Basis interner Bestellungen der Netzbetreiber
untereinander für die gesamten aus den vorgelagerten Netzen übernommenen
Gasmengen (Mengen aus Einzelbuchungen werden im Wege einer "als ob Betrachtung"
einbezogen). Auf diese Weise kann auf die im Strombereich bereits etablierten
Abwicklungs- und Abrechnungsmechanismen sowie Verträge und EDV zurückgegriffen
werden. Dies ist kostengünstig und effizient, wie es der Gesetzgeber
fordert.
(3) Netzbetreiberübergreifende Marktgebiete
Es werden vertikal integrierte netzbetreiberübergreifende Marktgebiete
definiert und veröffentlicht, in denen der Transportkunde gebuchte Kapazitäten
an Ein- und Ausspeisepunkten flexibel nutzen kann. Innerhalb dieser Marktgebiete sind
Kundenwechsel nach einem stark vereinfachten Verfahren möglich. Die Zahl der
Marktgebiete wird im ersten Schritt die Zahl 20 nicht überschreiten und wird
durch die Gaswirtschaft sukzessive weiter verringert. Die Bundesnetzagentur wird die
Zahl der Marktgebiete überprüfen und diese ggf. zusammenlegen. Die Minimierung
der Zahl der Marktgebiete wird wesentlich für das Funktionieren des Zugangssystems
sein.
(4) Virtuelle Handelspunkte
Innerhalb jedes Marktgebiets werden auf der Ebene der überregionalen Ferngasnetze
sog. virtuelle Handelspunkte eingerichtet, an denen Gas geliefert
und gehandelt werden kann. Der Zugang zu diesem virtuellen Handelsplatz erfolgt über
einen Einspeisevertrag/Einspeisekapazitätsbuchung mit dem Einspeisenetzbetreiber
und einem Ausspeisevertrag/Ausspeisekapazitätsbuchung mit dem Ausspeisenetzbetreiber.
Für den reinen Handel von Gas an diesen Punkten ist keine gesonderte Buchung
von Kapazitäten erforderlich. Dies wird den Handel erleichtern, sofern sich an
den Punkten eine ausreichende Liquidität einstellt.
(5) Preistransparenz
Es wird eine Preistransparenz hinsichtlich der Netznutzungsentgelte
dadurch geschaffen, dass jeder Netzbetreiber, aus dessen Netz Gas an Kunden ausgespeist
bzw. geliefert wird, die Höhe der Netznutzungsentgelte bis zum jeweiligen
virtuellen Handelspunkt ausweist und veröffentlicht. Auf diese Weise
wird eine Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit der Netznutzungsentgelte
ermöglicht.
(6) Lieferantenwechsel
Reine Lieferantenwechsel (ohne Kapazitätserhöhungen) innerhalb
eines Marktgebiets sind zukünftig ohne zusätzliche Kapazitätsprüfungen
möglich. Lieferantenwechsel über Marktgebiete hinweg sind im Rahmen ungenutzter
saldierter Kapazitäten zu den vorgelagerten Netzen möglich. Diese werden
auf Basis der Differenz zwischen installierter maximaler Kapazität zum vorgelagerten
Netz und der auf der Grundlage historischer Lastflüsse zwischen den Netzbetreibern
bestellten maximalen Kapazitäten zum vorgelagerten Netz ermittelt. Hierfür
ist die Durchführung eines internen Bestellverfahrens zwischen den Netzbetreibern
für alle Mengen (auch jene aus dem Einzelbuchungsverfahren) erforderlich.
(7) Ausgangszuordnung aller Endkunden
Für die Vereinfachung des Lieferantenwechsels und die Herstellung der Preistransparenz
ist eine Ausgangszuordnung aller Endkunden zu bestimmten Marktgebieten
notwendig. Diese wird von Lieferant und Netzbetreiber gemeinsam nach transparenten
und nicht diskriminierenden Kriterien auf der Basis tatsächlicher Lastflüsse
im Netz durchgeführt und von der Bundesnetzagentur überprüft. Die Einzelheiten
des Zuordnungsverfahrens werden in Kürze noch abgestimmt. Die Zuordnung der Kunden
ist veränderbar. Sie soll keine Einschränkung, sondern
Vereinfachung von Kundenwechselprozessen ermöglichen.
(8) Marktgebietsüberschreitende Transporte
Für die Abwicklung von marktgebietsüberschreitenden Transporten
und Transiten sind vom Händler entsprechende Exit- und Entry-Kapazitäten
(Austauschkapazitäten) zu buchen. Austauschkapazität ist die Ein- und Ausspeisekapazität
von einem Marktgebiet in ein anderes Marktgebiet. Ebenso zu diskutieren ist, wie das
Verfahren im Einzelnen noch weiter vereinfacht werden kann.
(9) Bilanzkreisführung
Die übergeordnete Bilanzkreisführung erfolgt in jedem Marktgebiet
durch den jeweiligen überregionalen Fernleitungsnetzbetreiber.
Alle transportierten Gasmengen (auch solche aus Citygate/Regiogateverträgen)
sind hier zu bilanzieren. Eine Subbilanzkreisbildung ist möglich.
Mengendifferenzen aus den Subbilanzkreisen werden in den übergeordneten Bilanzkreis
weitergegeben. Hierdurch wird eine einheitliche Bilanzkreis- und Kontenführung
ermöglicht, ohne zugleich Kundeninformationen aufzudecken.
(10) Einbindung von Speichern
Eine Einbindung von Speichern ist im Zwei-Vertrags-Modell möglich.
Hierfür schließt der Kunde die beschriebenen Zugangsverträge sowie
einen Speichervertrag mit dem Speicherbetreiber, wofür er Kapazitäten bzw.
Speicherleistungen (Ein- und Ausspeicherleistung etc.) bucht. Speicher sind kein Netzbestandteil.
Verminderte Netznutzungen durch die Einbindung von Speichern werden erstattet bzw.
unmittelbar vom
Netznutzungsentgelt abgezogen. Das Verfahren wird noch näher abgestimmt.
(11) Einzelkapazitätsbuchungen
Neben dem Zwei-Vertrags-Modell für die Abwicklung des Netzzugangs wird den Netzbetreibern
und Transportkunden als Option die Möglichkeit eingeräumt, an den Netzkoppelungspunkten
auch Einzelkapazitätsbuchungen vorzunehmen. Hiermit wird auf
Wunsch von BGW und VKU ermöglicht, Liefer- und Buchungsorte "city und regio
gate" und damit auf Wunsch entsprechende Lieferverträge zu erhalten. Dieses
als Option mögliche System der Einzelkapazitätsbuchungen darf jedoch nicht
zu Störungen des gesetzlichen Regelmodells "Zwei-Vertrags-Modell" führen,
keine Diskriminierungen oder Kapazitätsvernichtungen auslösen und muss im
Ergebnis wirkungsgleich sein. Dies soll insbesondere durch folgende Faktoren sichergestellt
werden, deren Wirksamkeit überprüft wird:
a. Berücksichtigung eines Gleichzeitigkeitsfaktors bei der
Kapazitätsbuchung, Lieferantenwechsel und Entgeltzahlung:
Die im Netz auftretenden Gleichzeitigkeitseffekte sind anhand einer Betrachtung der
saldierten Gesamtkapazitäten für jede Netzebene separat zu berechnen und
für alle Kunden und nachgelagerten Netze gleichmäßig zu berücksichtigen
(allgemeiner netzspezifischer Gleichzeitigkeitsfaktor). Dadurch ergibt
sich, dass es keine diskriminierenden Portfolioeffekte gibt.
Der Gleichzeitigkeitsfaktor wird auf alle Endkunden im Netz unabhängig vom Modell
gleichermaßen angewendet.
BGW/VKU werden ein wissenschaftliches Gutachten vorlegen, in welcher Form eine kundengruppenspezifische
Berechnung und Verteilung der Gleichzeitigkeiten auf einzelne Kundengruppen erfolgen
kann (kundengruppenspezifischer Gleichzeitigkeitsfaktor). Es muss
gewährleistet werden, dass Gleichzeitigkeitseffekte zwischen einzelnen Kundengruppen
keine Portfolioeffekte darstellen, sondern als Netzeffekte an alle Kunden weitergereicht
werden. Dieser kundenspezifische Gleichzeitigkeitsfaktor muss auch bei der Anwendung
des Rucksackprinzips zur Anwendung kommen. Die kundengruppenspezifische Berechnung
wird von der Bundesnetzagentur überprüft.
Sofern die Gutachten für die Ermittlung kundenspezifischer Gleichzeitigkeiten
nicht rechtzeitig vorliegen und abgestimmt sind, erfolgt eine Berechnung auf Basis
des allgemeinen netzspezifischen Gleichzeitigkeitsfaktors.
b. Gewährleistung der Gleichpreisigkeit der Entgelte in beiden
Modellen
Die Netzbetreiber stellen sicher, dass sich für den Transportkunden unabhängig
von der Wahl der Netzzugangsvariante keine unterschiedlichen
Transportentgelte ergeben. Dies gilt sowohl für die Ein- und Ausspeiseentgelte
bei Netzbetreibern innerhalb eines Marktgebiets auf gleicher Netzebene als auch für
Ein- und Ausspeiseentgelte auf unterschiedlichen Netzebenen. Umgesetzt wird dies auf
Wunsch der Gaswirtschaft bei unterschiedlichen Entgelten innerhalb eines Marktgebiets
auf einer Zwischennetzebene durch eine Entgeltmittlung und eine Ausgleichszahlung
zwischen den Netzbetreibern, die im Rahmen der Entgeltprüfung durch die Bundesnetzagentur
überwacht wird.
(12) Lieferantenwechsel
Die Bundesnetzagentur erwartet von den Netzbetreibern zudem die Einhaltung der Vorgaben
des § 20 Abs. 1 S. 4 EnWG zur Massengeschäftstauglichkeit des Zugangssystems,
insbesondere die fristgerechte Umsetzung der Vorgaben des § 37 GasNZV zur Ausgestaltung
der Lieferantenwechselprozesse.
Die Netzbetreiber werden zeitnah den Stand der Entwicklung einheitlicher Verfahren
zur Vereinfachung des Lieferantenwechsels weiter darlegen.
Zudem sollen Konzepte für den elektronischen Datenaustausch im Verhältnis
der Netzbetreiber zu den Transportkunden in einem einheitlichen Format der Bundesnetzagentur
vorgelegt und besprochen werden, um Übereinstimmung in der Frage der Ausgestaltung
zu erzielen, damit der elektronische Datenaustausch in einem einheitlichen Format
ab dem 1. August 2006 erfolgen kann.
(13) Zeitplan
Die Modellgrundsätze wurden zwischen der Bundesnetzagentur und den Verbänden
BGW und VKU übereinstimmend festgehalten und bedürfen nunmehr der Präzisierung
in detaillierten Vertragsentwürfen. Hierzu wurde folgender Zeitplan vereinbart:
Bis 23.03.06: Vorlage der schriftlichen Vertragsentwürfe bei der Bundesnetzagentur
(Kooperationsvertrag, Einspeise- und Ausspeisevertrag sowie Bilanzkreisvertrag) durch
BGW/VKU. Erste Prüfung und Abstimmung der Verträge mit der Bundesnetzagentur
Ab 15.04. 06: Konsultation der Netznutzer zu allen Verträgen
01.06.2006: Veröffentlichung der Verträge
01.08.2006: Implementierung Netzzugangssystem ("Systemstart")
01.10.2006: Beginn Gaswirtschaftsjahr 2006/07