Juni 2005 |
050601 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Vertreter von Regierungskoalition und unionsgeführten Ländern einigten sich am 10. und 15. Juni im Vermittlungsausschuß auf die letzten noch strittigen Punkte des neuen Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Am 16. Juni stimmte der Bundestag dem Kompromiß zu, am folgenden Tag auch der Bundesrat. Damit kann das Energiewirtschaftsgesetz in der vom Vermittlungsausschuß modifizierten Fassung in Kraft treten. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt dürfte im Laufe des Monats Juli erfolgen.
Zugleich einigten sich Bundesregierung und Länder über die endgültige Fassung der vier Verordnungen, die in enger Verbindung mit dem Gesetzestext den Netzzugang und die Netzentgelte für Strom und Gas regeln. Es handelt sich um die Netzzugangsverordnung Strom, die Netzentgeltverordnung Strom, die Netzzugangsverordnung Gas und die Netzentgeltverordnung Gas. Mit deren Inkrafttreten ist ebenfalls in Kürze zu rechnen.
Gegenüber der Fassung, die der Bundestag am 15. April verabschiedete, enthält der nunmehr in Kraft tretende Text des Energiewirtschaftsgesetzes verschiedene Änderungen. Nach Darstellung des hessischen Wirtschaftsminister Alois Rhiel, der die Bundestagsabgeordneten von Union und FDP im Vermittlungsausschuß vertrat, sind dies die wichtigsten Punkte:
1. Der Zugang der Gasanbieter zu den Netzen wird erleichtert. Wer Gas durchleiten möchte, braucht nur noch je einen Vertrag mit dem Netzbetreiber, in dessen Netz eingespeist wird, sowie einen weiteren Vertrag mit demjenigen, aus dessen Netz Gas entnommen wird. Die Netzbetreiber sind untereinander zur Kooperation verpflichtet. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hätte dagegen den Abschluß mehrerer Verträge mit allen zwischen Ein- und Ausspeisepunkt gelegenen Netzbetreibern erfordert.
2. Alle Netznutzungsentgelte - auch die für Gas - werden von den Regulierungsbehörden vorab geprüft und genehmigt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah eine solche "Ex-ante-Regulierung" nur für Stromnetzentgelte vor. Die diesbezüglichen Regelungen des § 117a (§ 122 des Vorentwurfs) wurden gestrichen und durch den neuen § 23 a ersetzt.
3. Die Länder wirken verstärkt bei der Ausgestaltung der „Anreizregulierung“ mit, die nach einer Übergangszeit die "Ex-ante-Regulierung" ablösen soll.
4. Das umstrittene Kalkulationsprinzip der "Nettosubstanzerhaltung" gilt künftig nur noch für den „Altanlagenbestand“. Die Kosten von Neuinvestitionen gehen nach dem Prinzip der "Realkapitalerhaltung" in die Entgelte ein.
5. Die Länder werden zuständig für Netzbetreiber mit bis zu 100.000 Kunden, d.h. für kleine und mittlere Stadtwerke, die auch nach dem neuen EnWG nicht zur rechtlichen Entflechtung von Netz und Vertrieb verpflichtet sind. Falls Länder diese Regulierungsaufgaben nicht wahrnehmen wollen, können sie diese im Wege der „Organleihe“ an die Bundesnetzagentur übertragen, die dann im Auftrag dieser Länder tätig wird. Die Entscheidung darüber müssen sie bis zum 1. August 2005 treffen.
6. Betreiber von Ferngasleitungen können nur dann von der Kostenregulierung ausgenommen werden, wenn sie den Nachweis führen, dass wirksamer Wettbewerb herrscht. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthielt dagegen eine Vermutungsregelung, nach der unter bestimmten Bedingungen Wettbewerb angenommen wurde.
7. Die Stromkennzeichnungspflicht, die in der vom Bundestag am 15. April verabschiedeten Fassung erheblich ausgeweitet worden war, wird wieder auf die Anforderungen nach dem ursprünglichen Regierungsentwurf zurückgenommen. Es entfallen somit die zusätzliche Differenzierung der fossilen Energieträger nach Braunkohle, Steinkohle und Erdgas sowie die Ausweisung des Stromanteils aus Kraft-Wärme-Kopplung.
8. Bestimmte Areale (Flughäfen, Einkaufszentren usw.) gelten nicht als Netzbetreiber im Sinne dieses Gesetzes und werden damit von der Netzregulierung freigestellt. Hingegen wird der Fahrstrom von Eisenbahnnetzen von der Regulierung nach Energiewirtschaftsgesetz künftig erfasst.
9. Die Messung des Strom- und Gasverbrauchs wird weiter liberalisiert. Privathaushalte
und kleine Gewerbekunden (Niederspannungsebene und Niederdruckebene) haben künftig
Wahlmöglichkeiten. Strom- und Gas-Endkunden müssen in Zukunft Messung ihres
Energieverbrauchs nicht ihren örtlichen Netzbetreibern überlassen, sondern
können anderen Unternehmen damit beauftragen. Die Anforderungen an solche Messungen
sollen in einer Verordnung einheitlich geregelt werden, um Streitigkeiten zwischen
Messungsanbietern und Netzbetreibern vorzubeugen.