Februar 2005 |
050201 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die umstrittene Netzstudie zur Windenergie (050102) ist am 24. Februar von der Deutschen Energie-Agentur (dena) veröffentlicht worden. Eine grundlegende redaktionelle Überarbeitung des Textes, wie ihn die Windkraft-Lobby verlangt haben soll, fand offenbar nicht statt. Da es sich größtenteils um sehr fachliche Ausführungen handelt, gibt es auch kaum irgendwelchen Interpretationsspielraum nach der einen oder nach der anderen Seite. Das wohl wesentlichste Ergebnis der Studie ist die Feststellung, daß der politisch gewollte Ausbau der Windenergie die Stromkunden nicht nur mit der Einspeisungsvergütung aufgrund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), sondern auch mit zusätzlichen Kosten für Regelenergie und Reservehaltung sowie für den Netzausbau belastet. Die daraus entstehende Gesamtbelastung schätzt die Studie auf 1,3 bis 1,4 Euro pro Megawattstunde bis 2007, 3,2 bis 4,1 Euro bis 2010 und 3,3 bis 4,2 Euro bis 2015. Für einen dreiköpfigen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden würde sich demnach die Stromrechnung bis zum Jahr 2015 allein durch den Ausbau der Windenergie um 14,40 bis 18,40 Euro erhöhen.
Eine weitere grundlegende Feststellung der Studie ist die Veranschlagung des Kapazitätseffekts von Windkraftanlagen auf allenfalls acht bis neun Prozent. Dies bedeutet, daß bis zu 92 Prozent der Nennleistung von Windkraftanlagen nicht als gesicherte Leistung gelten können, sondern durch die Vorhaltung von jederzeit einsatzfähigen Kraftwerksreserven abgedeckt werden müssen. Wegen der Unstetigkeit der Windstromeinspeisung mit rasch wechselnder Leistungskurve kommen dafür nur Pumpspeicher- und eventuell schnell startende Gaskraftwerke in Frage. Theoretisch sind auch Speichertechnologien wie Batterien, Schwungräder („Flywheels“), Druckluftspeicher (Compressed Air Energy Storage), sogenannte Supercapacitors oder auch eine Kombination aus Wasserstoff und Brennstoffzelle technisch verfügbar. Diese Energie-Speicherungstechnologien sind jedoch, wie aus der Netzstudie hervorgeht, durchweg teurer und weniger leistungsfähig als die Pumpspeicherkraftwerke, die bislang die wirtschaftlichste Form des Lastmanagements darstellen. Aufgrund des hohen Flächenbedarfs, der Anforderungen an geeignete Standorte in Bezug auf Höhenprofil und Bodenbeschaffenheit und aufgrund der immensen Auswirkungen auf Umwelt und Natur seien die Möglichkeiten des Ausbaus von Pumpspeicherkapazitäten jedoch begrenzt. In Deutschland sei ein Neubau von Pumpspeicherkraftwerken nich zu erwarten, da geeignete Standorte bereits ausgenutzt seien.
Um die zunehmende Windstrom-Einspeisung zu den Verbrauchsschwerpunkten
zu leiten, sind etliche Veränderungen am Stromtransportnetz und der
Neubau von Leitungen erforderlich. Der Studie zufolge müssen bis 2020
rund 842 Kilometer des vorhandenen 380-kV-Netzes verstärkt und 1901
Kilometer Leitungen neu gebaut werden. In erster Linie wird dies erforderlich,
um die geplanten "Offshore"-Windenergieanlagen in der Nord- und Ostsee ins
Netz einzubinden. Mit weiteren netztechnischen Maßnahmen wie dem Einbau
von Querreglern, dem Neu- und Umbau von Schaltanlagen oder Vorrichtungen
zur Blindleistungskompensation kommt so bis 2020 eine Investitionssumme von
rund drei Milliarden Euro zusammen (siehe Tabelle). Beim derzeitigen Investitionsvolumen
der Elektrizitätswirtschaft von 3,8 Milliarden Euro jährlich (050113) entspräche dies zusätzlichen Aufwendungen
von 0,2 Milliarden Euro pro anno innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren.
Relativ problemlos dürfte die Verstärkung bereits vorhandener Trassen
sein. Mit erheblichen Konflikten ist jedoch beim Neubau von 380-kV-Leitungen
zu rechnen. Zum Beispiel regt sich bereits Widerstand gegen die von E.ON geplante
Freileitung Ganderkesee - Wehrendorf. Falls die Gegner dieser Projekts mit
ihrer Forderung nach einem Kabel anstelle der Freileitung Erfolg haben, ist
mit einem Vielfachen der veranschlagten Kosten zu rechnen.
Erforderlicher Netzausbau bis 2020 und dessen Kosten (in Mio. Euro)blau: Verstärkung vorhandener
Trassen / rot: Neubau von
Trassen
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Ort und Art des Netzausbaues |
2007 |
2010 |
2015 |
2020 |
Diele, 2 x Querregler (2x 1400 MVA) |
32 |
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Brunsbüttel, 1 x Querregler (1x 1400 MVA) |
18 |
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Brunsbüttel, 1 x Querregler (1x 1400 MVA) |
18 |
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Netzverstärkung Thüringen:
Stromkreisumstellung 187 km, Neubau 6 km |
31 |
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Netzverstärkung Franken
I Stromkreisumstellung 82 km |
10 |
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Netzverstärkung Franken
II Stromkreisumstellung 97 km |
16 |
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Hamburg/Nord - Dollern Neubau 45 km (1 System) |
12 |
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Ganderkesee - Wehrendorf Neubau 80 km (1System) |
46 |
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Neuenhagen - Bertikow/Vierraden Neubau 110 km |
109 |
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Lauchstädt - Vieselbach Neubau 80 km (Hochstromleitung) |
78 |
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Vieselbach - Altenfeld Neubau 80 km (Hochstromleitung) |
87 |
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Altenfeld - Redwitz Neubau 60 km (Hochstromleitung) |
70 |
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Diele - Niederrhein Neubau 200 km |
148 |
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Wahle - Mecklar Neubau 190 km |
140 |
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Conneforde - Dauersberg Neubau 450 km (Vierfachleitung mit Serienkompensation) |
618 |
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Brunsbüttel - Grafenrheinfeld Neubau 600 km (Vierfachleitung mit Serienkompensation) |
1020 |
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Bergkamen - Gersteinwerk Zubeseilung 16 km |
6 |
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Kriftel - Pkt. Eschborn Zubeseilung 10 km |
3 |
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Ganderkesee - Wehrendorf Zubeseilung 80 km |
12 |
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Grafenrheinfeld - SW Zubeseilung 370 km |
53 |
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Bergkamen, Neubau Schaltanlage |
3 |
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Mooriem, Neubau Schaltanlage |
13 |
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Wolmirstedt, Ersatzneubau Schaltanlage |
26 |
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Borken, Ertüchtigung Schaltanlage |
7 |
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Brunsbüttel, Ersatzneubau Schaltanlage |
9 |
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Hamburg/Nord, Ersatzneubau Schaltanlage |
19 |
|||
Krümmel, Ertüchtigung Schaltanlage |
4 |
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Kondensatoren / SVC |
71 |
16 |
13 |
80 |
Maßnahmen mit Bezug zum 110-kV-Netz |
58 |
21 |
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Sonstiges |
22 |
12 |
6 |
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Summe |
275 |
506 |
355 |
ca. 1800 |
Trassenneubau |
6 km |
455 km |
390 km |
1050 km |
Verstärkung bestehender
Trassen |
269 km |
97 km |
26 km |
450 km |
Quelle: dena-Netzstudie "Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore" (Tabellen 8-13 und 8-16) |