Januar 2003 |
030109 |
ENERGIE-CHRONIK |
In Norwegen kam es im Januar zu einer Stromknappheit, die den Preis der Kilowattstunde auf bis zu 87 Öre (11,6 Cent) steigen ließ. Sonst hatten die winterlichen Preise nicht einmal ein Drittel dieses Niveaus erreicht. Generell zeichnete sich Norwegen bisher durch äußerst günstige Strompreise aus, die z.B. im Juni vergangenen Jahres 14 Öre/kWh (1,9 Cent) und im Jahresmittel 20 Öre(kWh betrugen. Das Land gewinnt seinen Strom zu über 99 Prozent aus Wasserkraft ( 020608) und ist unter den westeuropäischen Ländern der zweitgrößte Stromexporteur (010810).
In Oslo sind zu Jahresbeginn zwei Rentner in ihren Wohnungen erfroren, nachdem sie aus Angst vor hohen Stromrechnungen und ungeachtet einer Außentemperatur von zwanzig Grad minus ihre elektrischen Heizungen heruntergedreht hatten. Andere Menschen wurden mit Unterkühlungen in Krankenhäuser eingeliefert. Die kommende Quartalsrechnung von "Oslo Energi" wird Stromkunden, die sonst 1800 Kronen (240 Euro) zahlen, mit annähernd 4500 Kronen (600 Euro) belasten. Da die Preise rückwirkend angepaßt werden, könnte die nächste Stromrechnung noch höher ausfallen.
An der skandinavischen Strombörse Nordpool kletterten die Preise am Spotmarkt zu Jahresbeginn auf über 100 Euro für die Megawattstunde. Zur Überbrückung der Versorgungsengpässe erwog der norwegische Versorger Statnett die Errichtung eines provisorischen 150-MW-Gaskraftwerks bei Bergen. Er nahm davon aber wieder Abstand, da die Investition nicht rentabel gewesen wäre.
Ursache des Strompreisanstiegs waren das Zusammentreffen winterlicher Kälte mit einem Tiefstand der Wasserkraftreserven, was die Einfuhr teuren Ausgleichsstroms aus Schweden und Dänemark erforderlich machte. Allerdings kamen weder die Kälte noch der Wassermangel überraschend. Vielmehr hatten die Stromerzeuger im Sommer, statt auf ausreichende Wasserstände zu achten, voll weiter produziert und den überschüssigen Strom ins Ausland verkauft. Als dann im Herbst der erwartete Regen ausblieb und im Winter die Zuflüsse der Reservoire vereisten, fehlte es an Kapazitäten, um den im Winter besonders hohen Strombedarf des Landes zu decken (in Norwegen werden auch die Heizungen fast nur elektrisch betrieben). Bereits Anfang November 2002 hatte Statnett wegen der zu erwartenden winterlichen Engpässe anstehende Kraftwerksrevisionen zurückgestellt.
Parteiübergreifend wird jetzt in Norwegen darüber
nachgedacht, wie solche negativen Folgen des seit 1991 liberalisierten
Strommarktes verhindert werden können. Die Vorschläge reichen
von der Wiedereinführung staatlich limitierter Strompreise bis zur
Verpflichtung der Stromerzeuger, bestimmte Wassermengen in den Speicherbecken
vorzuhalten. (FR, 9.1.)
Das Vertrauen in den liberalisierten Markt war zuvor schon durch Vorgänge an der in Oslo angesiedelten Strombörse "nordpool" erschüttert worden: Hier soll es am Spotmarkt zu preistreibenden Manipulationen gekommen sein. Es besteht der Verdacht, daß Stromproduzenten ihr Angebot künstlich verknappten bzw. zeitweilig zurückhielten, um von dem daraufhin in die Höhe kletternden Handelspreis zu profitieren. Die Börsenaufsicht und die Staatsanwaltschaften in Norwegen, Schweden und Finnland ermitteln. (tageszeitung, 25.9.02)