März 2002

020311

ENERGIE-CHRONIK


Streit um "Verwertung" von Gips aus Rauchgasreinigung

Das Essener Recycling-Unternehmen Reimann will die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg auf Schadenersatz verklagen, weil sie die Ablagerung von Gips-Abfällen aus der Rauchgasreinigung von Kraftwerken geduldet hätten, statt auf einer "Verwertung" dieser Abfälle zu bestehen, wie dies in den Betriebsgenehmigungen der Kraftwerke verlangt wird. Die Firmengruppe betrieb in Bitterfeld eine Anlage, die aus Gips Schwefel und Zement gewinnt. Der Betrieb mußte jedoch eingestellt werden, weil die Kraftwerksbetreiber die Gipsabfälle zur Auffüllung von Tagebaulöchern verwendeten, statt sie der Anlage in Bitterfeld zuzuführen. (FTD, 26.3.; Handelsblatt, 25.3.; Welt, 26.2.)

Die Kraftwerksbetreiber sind bisher der Ansicht, daß die Tagebauverfüllung oder die "rückholbare" Deponierung des Gipses zur "langfristigen Rohstoffversorgung" ebenfalls die Forderung nach einer "Verwertung" erfüllt. Dabei geht es in erster Linie um Gips aus Braunkohlekraftwerken. Im Unterschied zu Gips aus Steinkohlekraftwerken, der einen vollwertigen Ersatz für Naturgips darstellt und diesen weitgehend verdrängt hat, läßt sich der Gips aus Braunkohlekraftwerken nicht so leicht als Material für die Baustoffindustrie verwenden oder anderweitig vermarkten. Es ist für die Kraftwerksbetreiber am billigsten, ihn zur Auffüllung von benachbarten Tagebau-Löchern zu verwenden.

Rückwind erhofft sich die klagende Firma durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das im Zusammenhang mit der Klage einer österreichischen Entsorgungsfirma auch eine Definition des Begriffs "Verwertung von Abfällen" im Sinne der Gemeinschaftsrichtlinie für Abfälle gibt. Wie der EuGH am 27. Februar mitteilte, liegt nach der Richtlinie das entscheidende Merkmal für eine Abfallverwertungsmaßnahme darin, daß ihr Hauptzweck darauf gerichtet ist, daß die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfüllen könnten, indem sie andere Materialien ersetzen, die für diese Aufgabe hätten verwendet werden müssen.

Das Recycling-Unternehmen kündigte außerdem eine Kartellbeschwerde bei der EU-Kommission an. Sie richtet sich gegen die Kraftwerksbetreiber E.ON, RWE und Veag sowie gegen die Braunkohlenförderer Laubag und Mibrag, weil diese wettbewerbswidrig verabredet hätten, Gips aus den Kraftwerken nicht an Recycling-Anlagen zu liefern.

Die Pressemitteilung des EuGH sowie das ausführliche Urteil sind im Internet abrufbar.