Themen-Auswahl ENERGIE-WISSEN Leitseite


Die Schichten der Erdatmosphäre

Besorgnis wegen Ausdünnung des Ozons in der Stratosphäre

Als 1913 der Physiker Charles Fabry einen Meßballon in große Höhen aufsteigen ließ, machte er eine überraschende Entdeckung: Hoch oben in der Stratosphäre gab es eine Ozonschicht! Inzwischen weiß man, daß diese Ozonschicht eine lebenswichtige Funktion erfüllt, weil sie den schädlichsten Teil der Ultraviolett-Strahlung der Sonne, die sogenannte UV-B-Strahlung, von Menschen, Tieren und Pflanzen auf der Erde abhält.

Bis zur Entdeckung Fabrys kannte man nur das bodennahe Ozon in der Troposphäre. In diesem untersten "Stockwerk" der Erdatmosphäre spielt sich der größte Teil des Wettergeschehens ab. Die Troposphäre reicht an den Polen bis in etwa 9 Kilometer Höhe und am Äquator bis in etwa 17 Kilometer Höhe. Darüber beginnt dann die Stratosphäre. In 50 Kilometer Höhe folgt die Mesosphäre, und ab 90 Kilometer Höhe beginnt als letzte Schicht der Erdatmosphäre die Thermosphäre.

Diese Schichten-Einteilung ist nicht willkürlich gewählt, sondern folgt dem Temperaturverlauf in der Erdatmosphäre: In der Troposphäre verringert sich die Temperatur der Atmosphäre zunächst stetig bis auf - 50°C. Ab der Grenzschicht zur Stratosphäre, die als Tropopause bezeichnet wird, steigt sie dann aber wieder an. An der Grenzschicht zwischen Stratosphäre und Mesosphäre, die als Stratopause bezeichnet wird, erreicht dieser Temperaturanstieg mit etwa 0°C seinen Höhepunkt. In der Mesosphäre sinkt die Temperatur dann wieder ab bis auf - 90°C. Ab der Grenzschicht zur Thermosphäre, der Mesopause, erfolgt erneut ein stetiger Temperaturanstieg, der in über hundert Kilometern Höhe sogar an die 900°C erreicht. Auf dem Erdboden wäre das eine Hitze, mit der sich Kraftwerke betreiben ließen. In dieser großen Höhe, wo die Atmosphäre extrem dünn ist, bezeichnet diese Temperaturangabe aber weniger Hitze im gewohnten Sinn als die Schnelligkeit der Molekularbewegungen.

Der Temperaturverlauf in der Erdatmosphäre ist auch wichtig zum Verständnis des Ozonloch-Problems. Er bewirkt nämlich die Anreicherung jener Gase in der Stratosphäre, welche die Ozonschicht angreifen. Wenn diese Gase einmal in der Stratosphäre angelangt sind, können sie nicht mehr in die Troposphäre zurücksinken, weil es in der oberen Schicht wärmer ist als in der unteren. Sie können nur noch durch die UV-Strahlung der Sonne abgebaut werden.

Die Besorgnis, daß gasförmige "Ozonkiller" in die Stratosphäre gelangen könnten, tauchte erstmals Anfang der siebziger Jahre auf. Ausgelöst wurde sie durch die Abgase von hochfliegenden Flugzeugen. Besonders die beabsichtigte Ausweitung des Überschall-Luftverkehrs führte zu Befürchtungen, daß die Wasserdampf- und Stickoxidemissionen der Triebwerke auch die Ozonschicht schädigen könnten.

Früher Verdacht gegen FCKW

Die Besorgnis war berechtigt. In Wirklichkeit kam die Hauptgefahr für die Ozonschicht aber aus einer anderen Quelle: Von den sogenannten Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW), wie sie massenhaft in Spray-Dosen und zu anderen Zwecken verwendet wurden.

Bis dahin beeindruckten diese chlorhaltigen Gase nur durch positive Eigenschaften. Aufgrund ihrer chemischen Stabilität sind sie unbrennbar, kaum giftig und reagieren nicht mit anderen Stoffen. Sie wurden erstmals 1930 hergestellt, um als Kühlmittel zu dienen. Später fanden sie auch massenhaft Verwendung als Treibgas für Sprays, zur Aufschäumung von Kunststoffen oder als Reinigungsmittel für elektronische Bauteile.

1974 äußerten die beiden US-Wissenschaftler Molina und Rowland erstmals den Verdacht, daß diese Chemikalien die Ozonschicht der Stratosphäre angreifen und zerstören könnten. Sie gaben zu bedenken, daß die massenhaft produzierten FCKW alle irgendwann in die Atmosphäre entweichen. Wegen ihrer enormen chemischen Stabilität könnten sie dort 60 bis 150 Jahre verweilen - mehr als Zeit genug, um bis in die Stratosphäre zu gelangen. Dort seien sie dann der ultravioletten Strahlung der Sonne ausgesetzt, die in tieferen Lagen von der Ozonschicht absorbiert wird. Dieser energiereichen Strahlung gelinge es aber, die FCKW-Moleküle zu "knacken", so daß Chloratome freigesetzt werden.

Aus Laboruntersuchungen wußte man, daß Chloratome eine enorm zerstörerische Wirkung auf Ozon haben können: Zunächst trennen sie nur jeweils ein Sauerstoffatom von den Ozonmolekülen ab. Aus den Chloratomen wird dadurch Chlormonoxid, und aus den Ozonmolekülen normaler Sauerstoff. Damit ist die Reaktionskette aber nicht zu Ende. Das Chlormonoxid kann sich nun nämlich mit freien Sauerstoffatomen zu gewöhnlichen Sauerstoffmolekülen verbinden. Dadurch werden die Chloratome wieder frei und können ihr Zerstörungswerk am Ozon erneut beginnen. Unter ungünstigen Umständen kann ein einziges Chloratom bis zu 10 000 Ozonmoleküle zerstören.

Diese bedrohliche Perspektive wirkte so überzeugend, daß die USA und einige skandinavische Staaten die Verwendung von FCKW wenigstens als Treibgas für Sprays verboten. Im übrigen blieb aber die aufgezeigte Gefahr mehr oder weniger hypothetisch, da es keine Anzeichen für eine tatsächliche Abnahme des Ozons in der Stratosphäre zu geben schien.

Die Ozonschicht der südlichen Halbkugel Ende 1991. Die Aufnahme läßt deutlich das "Ozonloch" über der Antarktis erkennen (vgl. Farbtabelle für Dobson-Einheiten). Am Rande sieht man die Umrisse der benachbarten Kontinente. Besonders dicht am Ozonloch liegen die Südspitze Südamerikas und Australien mit der Insel Neuseeland.

(Zum Vergrößern anklicken)

Die Entdeckung des "Ozonlochs" über dem Südpol

Das änderte sich 1985, als Forscher der britischen Station Halley Bay in der Antarktis Alarm schlugen. Dort wurde seit 1957 die Stratosphäre beobachtet. Nun stellten die Forscher zu ihrer großen Überraschung fest, daß die Ozonsäule, wie sie jeweils im Frühjahr über der Station gemessen wurde, von 1977 bis 1984 um über 40 Prozent abgenommen hatte.

1987 untersuchte eine internationale Expedition von Wissenschaftlern mit großem Aufwand und modernsten Instrumenten diesen Befund und bestätigte ihn. Nachträglich stellte sich heraus, daß die Ausdünnung der Ozonschicht über dem Südpol schon seit Jahren auch von US-amerikanischen Wettersatelliten erfaßt worden war. Die US-Forscher hatten aber derart krasse Veränderungen für unwahrscheinlich gehalten und deshalb ihre Computer so programmiert, daß diese die alarmierenden Meßergebnisse ignorierten...

Für die Erkundung des Ozonlochs über dem Südpol wurde 1987 ein amerikanisches Spionageflugzeug vom Typ U 2 verwendet. Unser Bild zeigt den NASA-Piloten Ron Williams vor einem Flug durch die stratosphärischen Wolken. Wie er hinterher berichtete, flog er in 20 Kilometer Höhe über dem Südpol in einer beständigen Schicht aus durchsichtigem Dunst, während sonst bei Flügen durch die Stratosphäre ein weiter klarer Himmel zu sehen ist.

Bei den Flügen durch das Ozonloch registrierten die Instrumente an Bord des Forschungsflugzeugs MItte September 1987 eine sprunghafte Zunahme des Chlormonoxid-Gehalts der Stratosphäre, während die Ozon-Werte ebenso rasch abfielen. Damit stand für die Wissenschaftler fest, daß das Ozonloch durch die Chloratome von FCKW verursacht wird, die vermutlich durch die Reaktion der Gase mit den Eiskristallen der stratosphärischen Wolken freigesetzt werden.

Die Ergebnisse der Expedition von 1987 ließen vermuten, daß der Ozonabbau durch das Zusammenspiel von mehreren Faktoren verursacht wird, wie sie in dieser ausgeprägten Form nur über dem Südpol auftreten. Dazu gehört die außerordentliche Kälte über der Antarktis, die zur Bildung stratosphärischer Eiswolken führt. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der sogenannte Polarwirbel, in dem diese Eiswolken während des polaren Winters zirkulieren, ohne daß es zum Austausch mit der übrigen Atmosphäre kommt. Die FCKW und andere chlorhaltige Stoffe scheinen mit den Kristallen der Eiswolken zu reagieren und Chlorverbindungen freizusetzen, die sich während des polaren Winters im Polarwirbel ansammeln. Wenn dann im Frühjahr die Sonne zurückkommt, bewirkt die ultraviolette Strahlung eine lawinenartige Reaktion dieser Chlorverbindungen mit dem Ozon und so dessen raschen Abbau. Beim Durchfliegen des Ozonlochs mit einem Stratosphären-Flugzeug zeigten die Instrumente einen steilen Anstieg des Chlormonoxid-Gehalts bei gleichzeitigem Absacken des Ozongehalts (siehe Grafik auf Seite 8). Der stärkste Ozonverlust wird in der unteren Atmosphäre zwischen 12 und 25 Kilometer Höhe beobachtet.

Um die Dicke der atmosphärischen Ozonschicht zu messen, nimmt man an, daß sämtliches Ozon, das sich in einer bis in die Stratosphäre reichenden Säule über dem Erdboden befindet, bei 22°C auf 1 bar Luftdruck komprimiert würde. Die sich so ergebende "Ozon-Gesamtsäulendichte" wird in Dobson-Einheiten gemessen, wobei 100 Dobson-Einheiten einer Schichtdicke von 1 Millimeter entsprechen. In das Meßergebnis geht also auch das bodennahe Ozon in der Troposphäre mit ein, dessen Anteil an der Ozon-Gesamtsäulendichte aber nur etwa zehn Prozent ausmacht.

Noch im Oktober 1960 betrug die Ozon-Gesamtsäulendichte über der britischen Antarktis-Station Halley Bay im Monatsminimum 270 Dobson-Einheiten. Im Oktober 1984, als die Forscher Alarm schlugen, war sie auf 180 Dobson-Einheiten gesunken. Eine noch stärkere Verringerung der Ozonschicht über dem Südpol wurde im Oktober 1992 mit einer Abnahme bis auf 110 Dobson-Einheiten registriert. Dies entsprach einer Verminderung der Ozonschicht um 70 Prozent. Ähnlich dramatische Rückgänge gab es in den folgenden Jahren.

Auch in der nördlichen Hemisphäre kommt es zu Ausdünnungen der Ozonschicht. Der weiße Fleck im Zentrum dieser Satelliten-Aufnahme vom März 1992 ist freilich kein Ozonloch, sondern der Bereich der Polarnacht, für den das Instrument keine Daten lieferte. Rechts unterhalb dieses Flecks sieht man jedoch in kräftigem Blau eine Ausdünnung, die von der Polarzone bis nach Norddeutschland reicht. Das Zentrum (dunkelblau) liegt über dem Norden Skandinaviens mit einem besonders niedrigen Dobson-Wert (lila Fleck mit Pfeil) bei Murmansk.

(Zum Vergrößern anklicken)

Unter dem "Ozonloch" verstehen die Wissenschaftler jenes Gebiet, in dem die Ozonsäule weniger als 220 Dobson-Einheiten beträgt. Anfang Oktober 1992 überdeckte dieses Gebiet für drei Tage einen großen Teil der Südspitze Südamerikas und bewirkte für die dort lebende Bevölkerung kurzfristig eine Verdoppelung der gefährlichen UV-B-Strahlung.

1987 registrierten Wissenschaftler die ersten Anzeichen dafür, daß sich ein Ozonloch auch über der Arktis auftun könnte. Im Februar 1996 wurden über der nördlichen Polarzone sogar durchschnittlich 37 Prozent weniger Ozon als normal gemessen. Aufgrund der anders gearteten meteorologischen Bedingungen ist allerdings nicht anzunehmen, daß die Ausdünnung über der Arktis ähnliche Ausmaße annehmen könnte wie über der Antarktis. Auf der Nordhalbkugel ist der Transport von Luftmassen in Richtung Pol stärker ausgeprägt. Dadurch kommt es nicht zur Ausbildung eines stabilen Polarwirbels mit Temperaturen unter minus 80°C, wie er am Südpol das Ozonloch bewirkt.

Auch außerhalb der Polarbereiche wurden signifikante Ozonrückgänge beobachtet. So hat sich von 1979 bis 1988 die Ozonsäule über Nordamerika im ganzjährigen Mittel um 3,6 Prozent und über Europa um 3,4 Prozent verringert. Anfang 1992 und 1993 lag sie über Mitteleuropa etwa 10 bis 20 Prozent unter dem langjährigen Monatsmittel.

Bei einer Ozonabnahme von 1 Prozent muß mit einer Zunahme der gefährlichen UV-B-Strahlung von etwa 2 Prozent gerechnet werden. 1987 unterzeichneten deshalb in Montreal 150 Staaten ein Abkommen zum Schutz der Ozonschicht, in dem sich die Industrieländer zur Einstellung der Produktion von "vollhalogenierten" FCKW bis Ende 1995 verpflichteten, während den Entwicklungsländern eine Übergangsfrist von weiteren zehn Jahren zugestanden wurde. In der Europäischen Union ist die Neuproduktion schon seit Mai 1994 untersagt.

Neben Chlor gilt inzwischen Brom als besonders gefährlicher "Ozonkiller". Ende 1995 beschlossen deshalb die Unterzeichner des Protokolls von Montreal auf einer zweiten Konferenz in Wien auch Schritte zur Eindämmung der Methylbromid-Produktion. Zugleich verpflichteten sich die Industriestaaten, bis zum Jahr 2010 auch die Produktion "teilhalogenierter" FCKW aufzugeben.

Allerdings dürften noch einige Jahre vergehen, bis diese Maßnahmen tatsächlich Erfolg zeigen. Wegen der Langlebigkeit und Aufstiegsdauer der FCKW wird sich zunächst der Abbau des stratosphärischen Ozons eher noch verstärken.