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Diese Grafik zeigt den Aktionärskreis der EEX Ende 2009 (Details siehe Tabelle). Wichtigster Eigentümer ist die Eurex mit 35 Prozent, gefolgt von der LB Baden-Württemberg mit 23 Prozent. Insgesamt besitzt die Finanzwirtschaft etwa 62 Prozent der Aktien. Größere Anteile halten außerdem die Stadt Leipzig und das Land Sachsen. Der Rest besteht aus einer Vielzahl von eher symbolischen Beteiligungen.

Die EEX verweist gern darauf, daß kein Handelsteilnehmer in größerem Umfang an der Börse beteiligt sei. In der Tat besitzen die Energieversorger nur Mini-Beteiligungen von 0,25 bis 3,85 Prozent. Auch zusammengenommen entfällt auf sie und ihre Handelsfirmen nur ein Viertel aller Aktien. Die Aktionärsstruktur besagt indessen gar nichts über den Einfluß einzelner Handelsteilnehmer auf das Börsengeschehen. Die Möglichkeit einer Manipulation der Börsenpreise ergibt sich nicht aus dem Miteigentum an der EEX, sondern aus der Marktmacht einzelner Unternehmen.

Die Eigentümerstruktur läßt immerhin deutlich erkennen, daß die EEX keine Gründung der Energieversorger war, sondern als Veranstaltung der Finanzwirtschaft entstand.

Der Ruf nach mehr Transparenz

Mitte Dezember 2001 schossen die Strompreise an den europäischen Spotmärkten für Elektrizität erstmals in bislang unvorstellbare Höhen. So erreichte der „Market-Clearing-Price“ an der Leipziger LPX mit 1000 Euro pro Megawattstunde das Vierzig- bis Fünfzigfache des üblichen Preises. Der wöchentliche Durchschnittspreis kletterte von 14 Euro/MWh im August auf fast 50 Euro/MWh. Die LPX mußte deshalb die technische Grenze für Spotmarktgebote, die bisher bei 1000 Euro lag, auf 3000 Euro erhöhen. An der Frankfurter EEX und der Amsterdamer APX gab es ähnliche Preisschwankungen.

Einer der Gründe für die Kluft zwischen Nachfrage und Angebot am Spotmarkt war wohl ein Kälteeinbruch, der vor allem in den südlichen Ländern einen vermehrten Bedarf an elektrischer Heizenergie zur Folge hatte. Als weitere Faktoren wurden die Krise des Stromhändlers Enron und ein wochenlanger Stillstand des Kernkraftwerks Philippsburg genannt. Stromhändler äußerten aber auch den Verdacht, die Preisexplosion sei auf das „Wirken von Marktmacht“ zurückzuführen. „Derartige Preise sind ökonomisch nicht mehr erklärbar“, meinte etwa die Mannheimer MVV, die als Stromhändler mehrere hunderttausend Mark eingebüßt hatte. Um eine Wiederholung zu verhindern, forderte MVV-Chef Roland Hartung verbindliche Regelungen wie in den skandinavischen Ländern, die Kraftwerks- und Netzbetreiber zwingen, Daten über ihre aktuelle Energieproduktion und Netzlast, über Kraftwerksrevisionen oder Ausfälle, Leitungsengpässe und grenzüberschreitende Stromflüsse allen Marktteilnehmern zugänglich zu machen. Bisher seien alle diese Daten in Deutschland nur den großen Verbundunternehmen bekannt.

„Keine Anhaltspunkte für Manipulationen“

Nachdem es im Juni 2002 erneut zu extremen Preissprüngen am Spotmarkt gekommen war, forderte der Bund der Energieverbraucher die Börsenaufsicht zu einer Überprüfung auf. Diese fand jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß es an der EEX bzw. früheren LPX zu Manipulationen durch Marktteilnehmer gekommen sei. Die Strombörse betonte, daß ihre Handelsüberwachungsstelle auch das Verhalten der Handelsteilnehmer prüfe. Bislang habe jede Preisspitze auf sachliche und nachvollziehbare Gründe zurückgeführt werden können. Bei allen Preisschwankungen seien entsprechende Ausschläge auch im außerbörslichen Handel registriert worden, der ein weit größeres Volumen umfasse.

Eine Hitzewelle ließ im Sommer 2003 die Preise am Spotmarkt erneut in die Höhe schießen. An der EEX stieg am 7. August der tagesgewichtete Duchschnittspreis für Spitzenlast (8 bis 20 Uhr) auf 115,94 Euro/MWh und für Grundlast (1 bis 24 Uhr) auf 73,17 Euro/MWh. Eine weitere Preisspitze folgte am 22. Juli mit 130,47 bzw. 78,78 Euro/MWh. Für Stromlieferungen zur Mittagszeit überschritt der Preis an drei Tagen die Grenze von 300 Euro/MWh und erreichte am 15. Juli mit 492,43 Euro/MWh seinen Höchststand.

Auch die Preise für Futures gehen steil nach oben

Im Sommer 2003 kletterten – parallel zum Preisanstieg am Spotmarkt – an der EEX-Terminbörse die Preise für Spitzenlast-Futures zeitweilig auf über 100 Euro/MWh, womit sie sich gegenüber den Durchschnittswerten der vergangenen Monate vervierfachten. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) forderte deshalb die Behörden auf, die Handelsaktivitäten am EEX-Terminmarkt zu überprüfen. Es bestehe der Verdacht, daß bestimmte Börsenteilnehmer die mangelnde Transparenz des Terminmarktes mißbrauchen, um die Strompreise in die Höhe zu treiben. Am Terminmarkt müsse für mehr Transparenz gesorgt werden. Dies könne beispielsweise dadurch geschehen, daß die Börse verpflichtet wird, regelmäßig die Geschäftsanteile der fünf aktivsten Börsenteilnehmer zu veröffentlichen (insgesamt waren 42 Unternehmen an der Terminbörse registriert). Mit der VIK-Beschwerde sah sich erstmals auch der Terminmarkt der deutschen Strombörse dem Verdacht ausgesetzt, von einflußreichen Handelsteilnehmern manipuliert zu werden.

Auch die Futures für Grundlast (Baseload) tendierten steil nach oben. So stieg der Preis für das Strom-Baseprodukt 1-2004 von Anfang Oktober bis Anfang November 2003 von 33 auf bis zu 46,19 Euro/MWh. Für den Baseload-Jahresfuture 2004 lag der Schlußkurs am 29. Dezember 2003 bei 32,87 Euro/MWh. Am Spotmarkt lagen die Preise im Jahresmittel bei 29,49 Euro/MWh – deutliche Signale für einen weiteren Strompreisanstieg.

Geheime Handelsdaten der EEX geben Vorwurf der Preismanipulation neuen Auftrieb

Der Verdacht, die EX werde von den marktbeherrschenden Stromkonzernen zur "Preisveredelung" benutzt, erhielt im März 2007 neuen Auftrieb. Aus unbekannter Quelle wurden streng geheime Handelsdaten der EEX veröffentlicht, anhand derer sich für die Zeit von März 2005 bis Ende 2006 die hektischen Preissprünge am Spotmarkt rekonstruieren ließen.

Die EEX sprach in einer Pressemitteilung zunächst von "vermeintlichen Börsendaten" und "irreführenden Angaben über Handelsgeschäfte". Sie mußte dann aber einräumen, daß die Handelsdaten authentisch waren. Unter anderem ergab sich daraus, daß RWE das ganze Jahr 2006 über als größter Einzelkäufer an der Strombörse auftrat, obwohl der Konzern neben E.ON der größte Stromerzeuger Deutschlands ist und noch im Jahr davor mehr Strom an der EEX anbot als selber kaufte.

Kraftwerksdaten der vier Großstromerzeuger im Internet

Um der wachsenden Kritik am Börsengeschehen den Wind aus den Segeln zu nehmen, veröffentlicht die EEX seit 10. April 2006 auf ihrer Internet-Seite auch "Kraftwerksdaten", die von den vier Großstromerzeugern RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW bereitgestellt werden. Daraus läßt sich entnehmen, wie hoch die installierte und verfügbare Kraftwerksleistung der vier meldenden Unternehmen an den sieben vergangenen Tagen war und wieviel Strom mit den einzelnen Kraftwerksarten (ab 20 MW) tatsächlich erzeugt wurde. Zugleich wird eine Vorschau auf die verfügbaren Kapazitäten gegeben. Die Kraftwerksdaten sind spezifiziert nach Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle, Gas, Öl und Wasser (ohne Pumpspeicherkraftwerke und Windkraftanlagen).

Zusätzlich zu den "Kraftwerksdaten" veröffentlichte die EEX im Juli 2006 erstmals eine Liste ihrer Aktionäre mit deren Anteilen an der EEX. Größter Aktionär war demnach mit rund 23 Prozent die deutsch-schweizerische Terminbörse Eurex, gefolgt von Nordpool und Sachsen LB mit jeweils rund 17 Prozent. Alle übrigen Beteiligungen – auch die der vier großen Stromkonzerne – lagen im einstelligen Bereich oder noch darunter (siehe Grafik 2). Die Aktionärsstruktur der EEX besagt allerdings nichts über den Einfluß einzelner Teilnehmer auf das Börsengeschehen. Im Jahr 2006 beteiligten sich rund 150 Unternehmen am Börsenhandel und -Clearing, die über eine völlig unterschiedliche Marktmacht und damit auch über mehr oder weniger Manipulationsmöglichkeiten verfügten.

"Powermonitor" als neue Dienstleistung

Die Kritik an der mangelnden Transparenz des Börsengeschehens hielt an. "Die Strombörse EEX funktioniert nicht und der Preis wird durch alles andere als durch den Markt oder Wettbewerb bestimmt", schrieb etwa der Vorstandsvorsitzende der Norddeutschen Affinerie, Werner Marnette, im November 2006 in einem Offenen Brief an den Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson.

Daß die Veröffentlichung der "Kraftwerksdaten" nicht ausreichte, um allen Marktteilnehmern denselben Informationsstand zu gewährleisten, zeigte eine neue Dienstleistung, die jeder Börsenteilnehmer oder sonstige Interessierte gegen entsprechendes Entgelt abonnieren konnte: Die Firma Powermonitor GmbH lieferte dann die aktuellen Erzeugungsdaten von rund zwei Dutzend deutschen Großkraftwerken rund um die Uhr auf den Bildschirm. Der Stromhändler erfuhr so beispielsweise unverzüglich, wenn ein Kraftwerk ausfiel oder die Stromerzeugung aus anderen Gründen drastisch sank. Er konnte dann auf die Verknappung des Stromangebots entsprechend reagieren.

Die Information kam in diesem Fall nicht vom Betreiber des Kraftwerks, sondern von Meßeinrichtungen, die außerhalb des Kraftwerks auf gemieteten Flächen unter den Hochspannungsleitungen installiert waren. Diese Meßeinrichtungen registrierten das magnetische Feld der Leitungen. Da das Magnetfeld je nach Stromfluß stärker oder schwächer ist, kann so die ungefähre Stromerzeugung der Kraftwerke ermittelt und per Funk weitergemeldet werden. Die Firma Powermonitor versprach ihren Kunden, daß sie bei jeder signifikanten Veränderung des Status Quo an einem Kraftwerk binnen zwei Minuten einen Warnhinweis erhalten würden.

Besondere Marktaufsicht für den Strommarkt geplant

Die Monopolkommission kritsierte ebenfalls wiederholt die mangelnde Transparenz der Strombörsen. In ihrem Sondergutachten zur Situation auf dem Strom- und Gasmarkt, das sie im August 1009 vorlegte, unterstrich sie erneut und noch pointierter als in ihren vorangegangenen Stellungnahmen die Notwendigkeit, den Strommarkt einer besonderen Marktaufsicht zu unterstellen, wie dies beim Finanzmarkt bereits der Fall war. Sie glaubte zwar weiterhin, daß die Strombörsen "grundsätzlich" einen Beitrag zum Preiswettbewerb leisten könnten. Unter der in Deutschland gegebenen Situation einer "weitgehend vermachteten Stromerzeugung" seien aber sowohl Anreize als auch Möglichkeiten zur mißbräuchlichen Ausnutzung von Erzeugermacht auf dem Stromgroßhandelsmarkt gegeben. Aus der Perspektive eines gewinnmaximierenden Erzeugers sei die strategische Zurückhaltung von Erzeugungskapazitäten geradezu eine gebotene Strategie.

Nach den Bundestagswahlen griff die neue schwarz-gelbe Bundesregierung diese Forderung auf. Wie es im Koalitionsvertrag hieß, wollte sie "eine Markttransparenzstelle einrichten und deren Befugnisse so erweitern, dass sie über alle Informationen verfügt, um zeitnah eine transparente Preisbildung im Stromgroßhandel zu sichern".

Fast zeitgleich startete die EEX am 30. Oktober 2009 unter www.transparency.eex.com eine spezielle Internet-Seite, die den Vorwurf einer mangelnden Transparenz des Börsengeschehens weiter entkräften sollte. Die neue "Transparenzplattform" bot Erzeugungs- und Verbrauchsdaten, wobei erstmals gesetzliche Veröffentlichungspflichten und freiwillige Angaben zusammengeführt wurden. Sie war das Resultat gemeinsamer Bemühungen mit den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern Transpower, Vattenfall, Amprion und EnBW. Beteiligt waren außerdem einzelne Kraftwerksbetreiber und die Branchenverbände BDEW, VIK und VKU.

Spotmarkt ohne behördliche Aufsicht

Während die EEX sich nach außen als transparentes Gebilde präsentierte, entfiel Ende 2009 sogar klammheimlich die behördliche Aufsicht für den Stromspothandel. Die EEX gründete damals nämlich gemeinsam mit der französischen Strombörse Powernext die Epex Spot, unter deren Dach fortan die Spotmarkt-Auktionen für die Marktgebiete Deutschland/Österreich, Schweiz und Frankreich abgewickelt wurden. Da die Epex Spot SE ihren Sitz in Paris hatte, war die sächsische Landesregierung nun nicht mehr für die Beaufsichtigung des Börsengeschehens zuständig. Die Energieaufsicht in Frankreich kontrollierte aber nur den französischen Energiehandel. Die Preisbildung für das Marktgebiet Deutschland/Österreich wurde somit weder von einer deutschen noch von einer französischen Behörde überwacht. Es dauerte ein ganzes Jahr, ehe dieser Zustand überhaupt bekannt wurde.

Die EEX verfügte zwar nach wie vor über eine interne "Handelsüberwachungsstelle", die der behördlichen Börsenaufsicht zuarbeiten sollte. Dieser Überwachung fehlte es aber an der erforderlichen Unabhängigkeit. So vertrat der 2010 amtierende Leiter dieser Stelle zugleich als Chefjurist die Interessen der EEX AG. Im Konfliktfall hätte er also gegen sich selber vorgehen müssen. Welche Seite dabei die schwächere gewesen wäre, kann man sich vorstellen. Eine vormalige Leiterin der Handelsüberwachung setzte anschließend ihre Karriere als Finanzvorstand der EEX fort.

Die von der EEX erlassenen Richtlinien für die Handelsteilnehmer ("Code of conduct") gewährten noch weniger Schutz vor Preismanipulationen. Dort hieß es zwar: "Die Börsenteilnehmer werden keine Informationen gesetzwidrig oder mißbräuchlich für sich und andere nutzen." In dieser Form war das aber nichts weiter als ein frommer Wunsch, obwohl die EEX gern so tat, als erübrige sich dadurch ein strafrechtlich bewehrtes Verbot des Insiderhandels.