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Die Leipziger Strombörse EEX residierte bis 2008 in der dritten Etage eines Altbaues (links). Dann bezog sie im "City-Hochhaus", das zu DDR-Zeiten die Universität Leipzig beherbergte, eine der obersten Etagen (rechts). Einen Parketthandel gab und gibt es in beiden Räumlichkeiten nicht. Das Börsengeschäft läuft vollelektronisch ab. |
Als wichtiges neues Geschäftsfeld entstand mit der Liberalisierung der Stromhandel. Alle größeren Unternehmen der Branche legten sich eigene Stromhandelsabteilungen zu – neudeutsch "Trading floors" genannt – , gründeten Stromhandelsgesellschaften oder stiegen mit Partnern in den Stromhandel ein. Daneben betätigten sich unabhängige Stromhändler, die weder über Kraftwerke noch über eigene Leitungen noch über eigenen Bedarf verfügen. Aber auch bisherige Großkunden entdeckten den Reiz des Stromhandels: So beschloß ein völlig branchenfremdes Unternehmen wie die Heidelberger Zement AG, auch andere Verbraucher am günstigen Stromeinkauf für die eigenen Zementwerke teilhaben zu lassen.
Die neu eröffnete Stromhandelsabteilung der Energie Baden-Württemberg
Bis dahin gab es in Deutschland keinen regulären Handel mit Strom. Es gab nur zweiseitige Verträge, die jeweils die Endkunden mit den Lieferanten oder diese mit den Vorlieferanten abschlossen. Soweit Regionalversorger oder Stadtwerke eigene Kraftwerke unterhielten, deckten sie damit den Eigenbedarf und kauften den Rest vom örtlich zuständigen Vorlieferanten. Die großen Verbundunternehmen halfen sich zwar gegenseitig mit Stromlieferungen aus, doch bezahlten sie diese in aller Regel nicht mit Geld, sondern mit entsprechenden Gegenlieferungen.
Ein bißchen anders sah es in der Schweiz aus, wo die beiden Verbundunternehmen Atel und EGL seit jeher einen beträchtlichen Teil ihrer Eigenproduktion anderen Stromversorgern zum Kauf anboten. Die historische Wurzel dieses Stromhandels war die zentrale Lage der Schweiz innerhalb Europas in Verbindung mit der starken Abhängigkeit der einheimischen Stromproduktion von der Wasserkraft, die je nach Jahreszeit und Witterung schwankt. Die Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg (EGL) lag außerdem im Knotenpunkt der Verbundnetze Deutschlands, Frankreichs und Italiens, so daß sich der „Stern von Laufenburg“ technisch wie wirtschaftlich zur Drehscheibe für einen länderübergreifenden Stromaustausch entwickelte. Allerdings vollzog sich dieser Stromhandel im exklusiven Kreis der europäischen Verbundunternehmen. Die vereinbarten Preise blieben das Geheimnis der Schweizer Stromhändler und ihrer Vertragspartner.
Das änderte sich am 11. März 1998: Seitdem veröffentlichten Atel und EGL – denen sich kurz darauf noch die Bernischen Kraftwerke (BKW) zugesellten – täglich einen „Swiss Electricity Price Index“ (Swep), der die in den vergangenen 24 Stunden auf dem Schweizer Spotmarkt getätigten Stromgeschäfte zusammenfaßte. Das Ergebnis war ein Großhandelspreis für kurzfristig gehandelte elektrische Energie in Schweizer Franken pro Megawattstunde.
Wie die Spotmarktpreise an der EEX schwankten auch die Strompreise des „Swiss Electricity Price Index“ (Swep) teilweise sehr heftig und weckten den Verdacht, sie würden von genauso potenten wie anonymen Marktteilnehmern manipuliert.
Dem Swep folgten Pläne zur Errichtung einer oder mehrerer europäischer Strombörsen. Eine solche Institution gab es bis dahin nur für das skandinavische Verbundnetz, wo die Liberalisierung weiter vorangeschritten war und schon 1993 die Strombörse Nord Pool in Oslo entstand. Zunächst herrschten innerhalb der deutschen Stromwirtschaft recht kontroverse Ansichten über den Sinn oder gar die Notwendigkeit einer vergleichbaren Einrichtung für den Stromhandel innerhalb des westeuropäischen Verbundnetzes. Bald aber ging es nur noch darum, welches der konkurrierenden Konzepte das beste sei: Bereits im Juni 1999 startete in Holland die Amsterdam Power Exchange (APX) als Handelsplatz für kurzfristige Stromlieferungen bzw. Spotmarkt.
Die APX war keine klassische Börse mehr, wo die Akteure persönlich auf dem Parkett standen und lauthals ihre Gebote abgaben. Sie war vielmehr – wie alle folgenden Strombörsen – eine elektronische Börse, deren Handel vollständig über das Internet lief: Die jeweiligen Tages- und Nachtkurse waren unter der Internet-Adresse www.apx.nl für jeden ersichtlich. Mithandeln konnten aber nur die Marktteilnehmer, die über einen speziellen Code verfügten. Bei der APX waren das im Eröffnungsjahr sowohl niederländische als auch deutsche, belgische und schwedische Unternehmen.
In Deutschland bewarben sich unterdessen Frankfurt, Düsseldorf, Hannover und Leipzig als Standorte einer künftigen Strombörse. Eine auf Anregung des Bundeswirtschaftsministeriums gegründete Projektgruppe votierte im Juni 1999 für die Errichtung einer europäischen Strombörse („European Energy Exchange - EEX“) in Frankfurt am Main. Die Stadt Leipzig hielt aber dennoch an ihren Plänen fest, wobei die „Leipzig Power Exchange“ (LPX) von der skandinavischen Strombörse Nord Pool unterstützt wurde.
So kam es, daß im Laufe des Jahres 2000 gleich zwei Strombörsen in Deutschland ihre Tätigkeit aufnahmen: Als erste startete im Juni die LPX in Leipzig. Im August folgte die EEX in Frankfurt, die ursprünglich GEX (German Energy Exchange) heißen sollte und noch in der Gründungsphase umbenannt worden war. Hinter der EEX standen die Terminbörse Eurex sowie ingesamt 48 Stromversorger und Stromhändler.
Sowohl die LPX als auch die EEX beschränkten sich zunächst auf den Spothandel, wobei neben dem Handel mit einzelnen Stunden auch die Möglichkeit bestand, Stromlieferungen für mehrere Stunden eines Tages en bloc anzubieten oder zu erwerben. Im März 2001 nahm die EEX zusätzlich den Terminhandel auf. Die LPX wollte noch im selben Jahr folgen.
Im Juli 2002 fusionierten die beiden deutschen Strombörsen in Frankfurt und Leipzig zur „EEX European Energy Exchange AG“ mit Sitz in Leipzig. An der neuen EEX handelten 111 Teilnehmer aus zehn Ländern, davon 34 am Terminmarkt und 96 am Spotmarkt. Größter Aktionär war mit rund 23 Prozent die deutsch-schweizerische Terminbörse Eurex, gefolgt von Nordpool und Sachsen LB mit jeweils rund 17 Prozent. Über den Rest und insgesamt über die Mehrheit verfügten Unternehmen der Energiewirtschaft. Alle diese Beteiligungen - darunter auch die der wichtigsten Stromkonzerne - lagen aber im einstelligen Bereich oder noch darunter.
Ein wesentlicher Grund für den Fusionsbeschluß war, daß sich die Umsatzhoffnungen beider Börsen nicht erfüllt hatten. Bis dahin erfaßten sie nur 6,6 Prozent des deutschen Stromverbrauchs. Hinzu kam die Konkurrenz durch die seit 1999 bestehende APX in Amsterdam, die im November 2001 eröffnete Powernext in Paris und andere Strombörsen.