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Der Terminmarkt der EEX erreichte von Anfang an einen vielfach höheren Umsatz als der Spotmarkt. Ab 2006 überstieg er sogar den gesamten deutschen Stromverbrauch um ungefähr das Doppelte. Der Grund dafür ist, daß es sich bei den meisten Termingeschäften um Derivate handelt. Eine tatsächliche Stromlieferung ist dabei gar nicht beabsichtigt. Vielmehr handelt es sich um rein finanzielle Transaktionen. Der Spotmarkt, an dem Stromlieferungen tatsächlich "physisch erfüllt" werden, dient dabei als Basis für eine Art Wette auf die künftige Strompreisentwicklung. Die Transaktionskosten der Termingeschäfte bescheren der EEX weitaus mehr Einkünfte als der Spotmarkt.
Die 1998 entstandene Terminbörse Eurex war von vornherein eine elektronische Veranstaltung. Sie widmete sich einer weiteren grundlegenden Neuerung im Börsengeschäft, die nun einen stürmischen Aufschwung erlebte, nämlich dem Handel mit sogenannten Derivaten. Dabei handelt es sich, wie der Name besagt, um "abgeleitete" Werte, die zwar auf die Preise realer Waren Bezug nehmen, diese aber lediglich als Grundlage für eine Art Wette über die künftige Preisentwicklung benutzen. Der Derivatehandel zählt zum Terminhandel, bei dem die Erfüllung eines Kaufvertrags in die Zukunft verschoben wird. Im Unterschied zum herkömmlichen Terminhandel ist aber die Erfüllung des Kaufvertrags durch Lieferung der Ware gar nicht beabsichtigt. Es geht nur noch um die Differenz zwischen den vereinbarten und den tatsächlich zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Preisen. Diese Differenz wird dann zum Vorteil oder Nachteil der Beteiligten ausgeglichen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist der Derivate-Handel sinnvoll, um Risiken durch Preisschwankungen zu vermeiden. Volkswirtschaftlich gesehen handelt es sich um eine Art Wette, von der letzten Endes allein die Terminbörsen profitieren, während die Transaktionskosten der Wette die Strompreise belasten.
Voraussetzung für den Aufbau eines solchen Terminmarkts, an dem Stromkontrakte als reine Finanzinstrumente ohne "physische Erfüllung" gehandelt werden können, ist in der Regel das Vorhandensein eines Spotmarkts, also einer Warenbörse mit realen Stromlieferungen. Ersatzweise könnten auch Preisindexe wie der Swep als Bezugsbasis für die Geschäfte dienen.
Das Termingeschäft überflügelte umsatzmäßig bald den Handel mit realen Stromlieferungen, der ihm zugrunde liegt. Es ist deshalb ganz nützlich, an die ehemals skeptisch-ablehnende Haltung des Gesetzgebers zu erinnern. Vor allem in Deutschland hatten Termingeschäfte traditionell etwas Anrüchiges.Sie galten als spekulative, volkswirtschaftlich unerwünschte Geldgeschäfte. Das Bürgerliche Gesetzbuch betrachtete sie in § 764 grundsätzlich als unseriöse Vereinbarung:
"Wird ein auf Lieferung von Waren oder Wertpapieren lautender Vertrag in der Absicht geschlossen, daß der Unterschied zwischen dem vereinbarten Preise und dem Börsen- oder Marktpreise der Lieferungszeit von dem verlierenden Teile an den gewinnenden gezahlt werden soll, so ist der Vertrag als Spiel anzusehen."
Spiele und Wetten waren und sind aber nach § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht verbindlich. Die Forderung aus einem Termingeschäft, das lediglich auf den Ausgleich von Preisdifferenzen anstatt auf physische Erfüllung zielte, war somit nicht einklagbar. Grundsätzlich jedenfalls. Nur durch die Hintertür ermöglichte das Börsengesetz diese Verbindlichkeit dann doch, wobei genau definierte Voraussetzungen zu erfüllen waren. Das Stigma aber blieb. Erst im Juli 2002 wurde der Paragraph 764 aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch gestrichen.
Die Terminbörse Eurex stand nicht zufällig Pate bei der Gründung der deutschen Strombörse EEX in Frankfurt. Zunächst sollte die "German Energy Exchange" (GEX), wie das Projekt zuerst hieß, sogar als reine Terminbörse starten. Als "underlying" und Ersatz für den nicht vorhandenen Spotmarkt hätte man den bereits vorhandenen "Swiss Electricity Price Index" (Swep) nehmen können, oder auch den 1999 von PreussenElektra gestarteten "Central European Power Index" (Cepi), der sämtliche Geschäfte erfaßte, die über die Netzkupplungen von fünf der insgesamt acht deutschen Verbundunternehmen liefen. Am Ende entschloß man sich dann aber doch, zuerst einen Spotmarkt aufzubauen. Anscheinend war die Index-Basierung zu unsicher, zumal die konkurrierende LPX in Leipzig den Start eines Spotmarkts plante, um auf diese Basis den Terminmarkt zu gründen.
Vor dem Hintergrund der neuen Börsenlandschaft wird nun auch verständlich, weshalb in Deutschland gleich zwei Strombörsen antraten, obwohl der Nutzen einer solchen Einrichtung in Kreisen der Stromwirtschaft umstritten war. Erst Anfang 2000 gelang es der Eurex, das von ihr angeleierte Projekt den Unternehmen der Energiewirtschaft soweit schmackhaft zu machen, daß diese im Zuge einer Kapitalerhöhung die knappe Mehrheit an der EEX AG übernahmen. Innerhalb der Branche befürchtete man zunächst vor allem, daß eine Börse die in der Vergangenheit angesammelten Reserven an Kraftwerkskapazitäten sichtbar machen und zu sinkenden Preisen führen werde. Erst später lernten die Großstromproduzenten die Strombörsen als ein Instrument zu schätzen, mit dem sie ihre Marktmacht zur "Preisveredelung" einsetzen konnten. Das zunächst flaue Geschäft an beiden Börsen zeigte ebenfalls, daß Finanzstrategen und Stromwirtschaft noch nicht so recht zueinander gefunden hatten.