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"Erdkabel" einer Hochspannungsleitung mit integriertem Lichtwellenleiter (Pfeil)

Vom Telefondraht zum Lichtwellenleiter: Das Informationsnetz der Stromversorger

In den Anfängen der Stromversorgung genügte es, wenn der Maschinist im Kraftwerk regelmäßig die Spannung ablas und auf diese Weise die Schwankungen des Stromverbrauchs signalisiert bekam. Je nach Bedarf konnte er dann eine Maschine zu- oder abschalten, oder auch bloß den Dampfregler etwas verstellen.

Sobald zwei Kraftwerke miteinander verbunden wurden, bedurfte es eines größeren Aufwandes. Nun mußten sich die Leiter der Kraftwerke untereinander verständigen können. Zum Beispiel mußte der Leiter eines Kohlekraftwerks ein Telefon haben, damit er bei Spitzenlast den Kollegen vom Speicherwasserkraftwerk anweisen konnte, die Schieber zu den Turbinen zu öffnen.

Bei einer größeren Zahl von Kraftwerken genügt aber auch dies nicht mehr. Nun bedarf es besonderer Netzleitstellen, die den Einsatz der Kraftwerke und die Verteilung des Stroms regeln. Diese Aufgabe können die Netzleitstellen nur erfüllen, wenn sie durch zahlreiche Informationsstränge sowohl mit den einzelnen Kraftwerken wie mit den Umspannwerken verbunden sind. Sie müssen ständig über Spannungen, Stromstärken und Schalterstellungen an zahlreichen Punkten des Netzes unterrichtet sein, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können.

Die Entwicklung von "Fernwirktechniken"

Um die Schnelligkeit und Betriebssicherheit der Verständigung zu erhöhen, bauten die Stromversorger schon früh ein eigenes Fernsprechnetz auf. Die Schwachstromleitungen wurden zunächst als blanke Drähte an den Hochspannungsmasten aufgehängt, was wegen der Nähe zur Hochspannung nicht ganz unproblematisch war. Später führte man sogenannte Luftkabel über die Hochspannungsmasten, die mehrere Adern enthielten und entsprechend mehr Übertragungskanäle boten.

Dieses betriebliche Telefonnetz wurde bald auch zur Fernübertragung von Daten verwendet. Zum Beispiel, um Spannungen und Stromstärken im Umspannwerk von der Netzleitstelle aus kontrollieren zu können. Der nächste Schritt bestand im Aufbau einer Fernbedienungstechnik, die es z.B. ermöglichte, auch weit entfernter Schalter im Umspannwerk von der Netzleitstelle aus zu betätigen. Beides zusammen bezeichnete man als "Fernwirktechnik".

Bei diesen Steuer- und Regelprozessen war man zunächst auf die beschränkten Möglichkeiten der Relais-Technik angewiesen. Es kam nur selten vor, daß Regelvorgänge ohne Mitwirkung des Menschen automatisch abliefen. Zu den Ausnahmen gehörte die Regelungstechnik in den Kraftwerken, wo man schon relativ früh die Dampfzufuhr zur Turbine so mit dem Frequenzmesser koppelte, daß auch bei wechselnder Netzbelastung automatisch die Einhaltung der Netzfrequenz gewährleistet war.

Trägerfrequenz-Technik

Erhebliche Bedeutung erlangte zeitweilig die "Trägerfrequenz-Nachrichtentechnik auf Hochspannungsleitungen", abgekürzt TFH-Technik. Dabei dienen die Hochspannungsleitungen selber als Informationsstränge - im Prinzip so wie bei einem "Babyphon", das man im Kinderzimmer in die Steckdose einstöpselt und im Wohnzimmer an einer anderen Steckdose abhört. Die Sprache wird gleichsam "huckepack" über die Stromleitung übermittelt. Auch Daten lassen sich auf diese Weise übertragen. Beispielsweise führte 1935 die mitteldeutsche Ewag das Trägerfrequenz-Verfahren ein, um die Stellung von Schaltern in Umspannwerken überwachen zu lassen.

Richtfunk und Mobilfunk

Nach dem zweiten Weltkrieg kamen Richtfunk und Mobilfunk dazu. Mit den Richtfunk-Verbindungen konnten die Stromversorger vor allem ihren noch immer zunehmenden Bedarf an Datenübertragung zur Fernwirktechnik befriedigen. Mit dem Mobilfunk konnten sie nunmehr ihre Techniker-Trupps im freien Gelände dirigieren, wenn es irgendwo eine Störung zu beseitigen galt. Im Prinzip war der betriebseigene Mobilfunk nichts anderes als ein besonderer, nichtöffentlicher Teil des Autotelefonnetzes.

Einzug des Computers

Den vorläufig letzten und wichtigsten Innovationsschub erlebte das Informationsnetz der Stromversorger mit dem Übergang zur elektronischen Datenverarbeitung. Bis dahin saß das Bedienungspersonal in den Netzleitstellen vor ausgedehnten Schaltpulten mit allerlei Knöpfen, Aufzeichnungsgeräten, Instrumenten und Lämpchen, während riesige Schautafeln den augenblicklichen Zustand des Netzes möglichst übersichtlich darstellten. Die Netzleitstellen und Kraftwerksleitstände glichen der Kommandozentrale eines militärischen Hauptquartiers. Solcher Aufwand war erforderlich, um die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik möglichst überschaubar zu gestalten.

Nun übernahmen immer häufiger Prozeßrechner die Aufgabe, die gemeldeten Meßwerte zu analysieren und in Entscheidungen umzusetzen. Nach und nach wurden alle Betriebsabläufe automatisiert, die sich in Algorithmen ausdrücken und so der "Denkweise" des Computers anpassen lassen. Die riesigen Schautafeln von früher schrumpften auf Bildschirmformat. Trotzdem boten sie mehr an Informationen. Das Bedienungspersonal wurde von routinemäßigen Aufgaben entlastet und konnte sich auf die notwendigen Entscheidungen konzentrieren. Die Steuerung des Netzbetriebs wurde ingesamt noch wirtschaftlicher und sicherer gestaltet.

Lichtwellenleiter

Neben den "Luftkabeln" an Hochspannungsmasten und Schwachstrom-Erdkabeln verwenden die Stromversorger neuerdings immer häufiger Glasfaserkabel für die Übermittlung von Informationen. Diese "Lichtwellenleiter"eignen sich besonders für die Übermittlung digitalisierter Informationen und ergänzen damit die Computerisierung der Meß-, Regel- und Steuertechnik. Sie können als Luft- oder Erdkabel verlegt werden. Häufig sieht man die Lichtwellenleiter aber gar nicht, weil ihre Glasfasern als winzige Fäden entweder im Phasen- oder Erdseil der Hochspannungsleitungen oder in anderen Leitungen und Kabeln integriert sind.

Die Rundsteuerung knipst die Straßenlampen an

Eine Sonderrolle im Kommunikationsnetz der Stromversorger nimmt die sogenannte Rundsteuerung ein. Sie heißt so, weil sie - ähnlich wie der Rundfunk, aber über das Netz - rundum Signale an Empfänger aussendet, die diese Signale zu entschlüsseln vermögen. Es handelt sich also um eine Einweg-Kommunikation. Mit den Rundsteuer-Signalen wird vor allem das zeitlich festgelegte Ein- und Ausschalten bestimmter Geräte veranlaßt, etwa das Einschalten der Straßenbeleuchtung am Abend und ihr Ausschalten am Morgen. Man kann mit ihnen aber auch Stromzähler auf einen anderen Tarif umschalten oder bestimmte Verbrauchergruppen, bei denen es nicht so genau auf die Zeit des Strombezugs ankommt (z.B. Fußbodenheizungen, Kühlräume) gezielt an- und ausschalten, um einen besseren Ausgleich der Lastkurve zu erreichen.

Für die Rundsteuerung wird eine Frequenz im Bereich von 168 bis 1600 Hertz benutzt. Diese Frequenz wird durch induktive oder kapazitative Kopplung aufs Netz übertragen und der Amplitude des Wechselstroms aufgeprägt. Insofern ähnelt die Rundsteuerung der Trägerfrequenz-Technik, bei der die Netzfrequenz ebenfalls mit einer höheren Frequenz "moduliert" wird. Während aber die Trägerfrequenz nur den Träger für das eigentliche Signal der Sprach- oder Datenübertragung abgibt, besteht bei der Rundsteuerung die Botschaft in der ausgestrahlten Frequenz selbst. Die Rundsteuerfrequenz wirkt durch ihre bloße An- oder Abwesenheit im Netz als Signal. Etwa so wie ein Lichtsignal, das entweder "Ein" oder "Aus" bedeuten kann.

Da "Ein" oder "Aus" nicht ausreicht, um unterschiedliche Befehle an unterschiedliche Empfänger übermitteln zu können, muß die Rundsteuerfrequenz in Impuls-Folgen gegliedert werden, die - ähnlich wie beim Morsealphabet - eine definierte Bedeutung haben. Die Empfänger sind ihrerseits mit Filtern ausgerüstet, so daß sie aus der Rundsteuer-Sendung nur jeweils jene Impulsfolge "herausfischen", die für sie bestimmt ist.

In den alten Bundesländern sind über 600 solcher Rundsteueranlagen in Betrieb. Dagegen sind sie in den neuen Bundesländern so gut wie nicht vorhanden bzw. erst im Aufbau begriffen. Unter den Systemen zur Beeinflussung der Netzlast hat die Rundsteuerung international die größte Verbreitung. In manchen Ländern werden ihre Funktionen auch von UKW-Funk, Langwellenfunk oder Telefonleitungen übernommen.

Ein besonderer Vorteil der Rundsteuerung ist ihre relative Unempfindlichkeit gegen Störungen von außen. Die Signale, die im Umspannwerk ins Niederspannungsnetz eingespeist werden, können wegen ihrer beachtlichen Stärke und wegen des niederen Frequenzbereichs kaum zufällig oder absichtlich beeinflußt werden.