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Auf jede Belastungsschwankung reagieren die Schwungmassen der Rotoren in den Kraftwerken mit einer Drehzahländerung, die zugleich die Frequenz des erzeugten Stroms verändert. Dieses Bild zeigt einen Rotor bei der Einbringung ins Generatorgehäuse. |
Ein Anstieg des Stromverbrauchs belastet zunächst einmal das Niederspannungsnetz. Zum Teil kompensieren sich unterschiedliche Belastungen an verschiedenen Stellen des Niederspannungsnetzes wechselseitig. Verbleibt aber per Saldo ein Spannungsabfall, der bestimmte Toleranzwerte überschreitet, so muß der Lastwechsel vom übergeordneten Mittelspannungsnetz ausgeglichen werden. Und wenn im Mittelspannungsnetz die Last-Rechnung nicht aufgeht, müssen das Hoch- und Höchstspannungsnetz in die Bresche springen.
Im Hoch- und Höchstspannungsnetz wird z.B. ein höherer Stromverbrauch zunächst aus der Bewegungsenergie aller rotierenden Massen gedeckt. Er zehrt damit an der Drehzahl der mächtigen Rotoren in den Kraftwerken und könnte die Einhaltung der Netzfrequenz gefährden, wenn nicht eine automatische Regelung sofort dafür sorgen würde, daß die Turbinen mehr Dampf bekommen und so das Absinken der Drehzahl verhindern. An dieser "Primärregelung" sind Kraftwerke aus dem gesamten Verbund beteiligt. Je größer ein Verbund ist, um so größer ist die Leistungsfähigkeit dieser Primärregelung, die in Sekundenschnelle abläuft und deshalb auch als "Sekundenreserve" bezeichnet wird.
So kann ein Lastwechsel, der zehn Großkraftwerke total überfordern würde, von fünfzig Großkraftwerken mühelos aufgefangen werden. Voraussetzung ist natürlich, daß die an der Primärregelung beteiligten Kraftwerke nicht bereits bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit beansprucht sind, sondern noch über entsprechende Reserven verfügen. Die deutschen Verbundpartner haben sich darauf verständigt, bei den laufenden Kraftwerken für die Primärregelung ein Leistungsband von 2,5 Prozent der jeweils möglichen Erzeugungsleistung freizuhalten. Diese Reserve muß zur Hälfte innerhalb von 5 Sekunden und insgesamt innerhalb von 30 Sekunden bereitgestellt werden.
Die bisher beschriebene "rotierende Reserve", wie sie durch die Regelung der laufenden Turbinensätze zur Verfügung steht, ist jedoch begrenzt. Außerdem muß sie unverzüglich entlastet werden, damit sie bei Bedarf erneut in Anspruch genommen werden kann. Deshalb wird gleichzeitig mit der Primärregelung eine "Sekundärregelung" veranlaßt. Und zwar muß nun der Verbundpartner, in dessen Gebiet der vermehrte Verbrauch entstanden ist, innerhalb kürzester Zeit zusätzliche Kraftwerkskapazitäten einsetzen. In der Regel handelt es sich um Pumpspeicherwerke oder Gasturbinenkraftwerke. Diese Sekundärregelung löst innerhalb weniger Minuten die Primärregelung ab. Sie läuft wie die Primärregelung vollkommen automatisch ab.
Die Sekundärregelung besorgt bei jedem Verbundunternehmen ein "Leistungs-Frequenz-Regler". Dabei handelt es sich um eine Vorrichtung, welche die Einhaltung eines vorgegebenen Leistungsaustauschs unter den Verbundpartnern sichert. Der Regler kontrolliert ständig den Leistungsfluß an den Kuppelstellen zu den Netzen der Verbundpartner und mißt die aktuelle Netzfrequenz. Er vergleicht den tatsächlichem Leistungsfluß mit den vereinbarten Übergabewerten und ermittelt so eventuelle Leistungsdefizite. Entsprechend steuert er dann den Einsatz des Regelkraftwerks, um die Primärregelung zu entlasten und die Netzfrequenz wieder an die Norm heranzuführen.
Wenn Lastschwankungen innerhalb des westeuropäischen Verbundnetzes auszugleichen sind, übernimmt die RWE Energie stellvertretend für alle deutschen Verbundpartner die Sekundärregelung. Hierfür werden die Meßwerte sämtlicher Kupplungen, die das deutsche Stromnetz mit den übrigen UCPTE-Netzen verbinden, zur RWE Energie übertragen.
Damit die Sekundärregelung entlastet wird und erforderlichenfalls wieder uneingeschränkt zur Verfügung steht, muß sie binnen 15 Minuten durch die "Tertiärregelung" in Form der sogenannten Minutenreserve ersetzt werden. Diese Regelenergie liefern ebenfalls Pumpspeicher- oder Gasturbinenkraftwerke, die auch die Sekundärregelung besorgen. Im Unterschied zur Primär- und Sekundärregelung wird die Minutenreserve aber nicht automatisch abgerufen, sondern manuell zu- und abgeschaltet. Eine weitere Möglichkeit zur Bereitstellung von Regelenergie ist die Abschaltung von Kühlhäusern und ähnlichen Großverbrauchern, denen kurzfristige Stromunterbrechungen nichts ausmachen.
Wenn es erforderlich wird, die Stromproduktion einem sinkenden Verbrauch anzupassen, verläuft der Regelprozeß umgekehrt. Man spricht dann von negativer Regelenergie. Die Sekundärregelung erfolgt dann beispielsweise durch die Umschaltung von Pumpspeicherkraftwerken auf Pumpbetrieb. Oder man vermindert das Stromangebot durch das Herunterfahren von Kraftwerken.