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Der Ölpreis-Schock der siebziger Jahre ließ verstärkt nach anderen Energiequellen Ausschau halten. Damit erwachte auch erneut das Interesse an der Nutzung der Windenergie. Allgemein richtete sich nun die Aufmerksamkeit auf die erneuerbaren Energiequellen. Besondere Verdienste erwarb sich in dieser Hinsicht der Ingenieur Bernd Stoy vom RWE, der in seinem 1978 erschienenen Buch "Wunschenergie Sonne" sämtliche bekannten Möglichkeiten der regenerativen Stromerzeugung auflistete und in allgemeinverständlicher Weise darstellte. Allerdings war diese positive Einstellung gegenüber den erneuerbaren Energiequellen atypisch für das Unternehmen und für die gesamte Branche. Bis in die neunziger Jahre war der Begriff "erneuerbare" bzw. "regenerative Energien" in der deutschen Stromwirtschaft sogar verpönt. Die auf Kernenergie und fossil befeuerte Kraftwerke fixierte Branche sprach stattdessen von "additiven Energien". Sie wollte damit deutlich machen, daß die Erneuerbaren den herkömmlichen Energie-Mix allenfalls ein bißchen ergänzen, keinesfalls aber ersetzen könnten. Ausgenommen von dieser eher defensiven Betrachtungsweise blieb nur die Wasserkraft, die vor allem in den Anfängen der Stromversorgung eine sehr bedeutende Rolle spielte. inzwischen waren aber fast alle ergiebigen Gefälle verbaut und die an den Flüssen installierten Laufwasserkraftwerke längst nicht mehr in der Lage, mehr als ein paar Prozent des deutschen Strombedarfs zu decken.
Die Technik der Windkraftanlagen steckte damals noch in den Kinderschuhen und die mit ihnen erzeugten Leistungen bewegten sich in einem bescheidenden Kilowatt-Bereich. Es wäre deshalb pure Geldvernichtung gewesen, in die Windstromerzeugung investieren zu wollen. Die wenigen vorhandenen Windkraftanlagen waren Forschungsprojekte oder Nischenanwendungen ohne Bedeutung für die allgemeine Stromversorgung.
Mit Forschungsgeldern der Bundesregierung wurde damals der "Growian" errichtet, der die Technologie der Windstromerzeugung aus dem Kilowatt- in den Megawattbereich katapultieren sollte. Seinen Namen verdankte er der Abkürzung für "Große Windenergie-Anlage". Als Growian 1983 im Kaiser-Wilhelm-Koog in Betrieb ging, war er die weltweit größte Windenergieanlage und zog in der kurzen Zeit seines Bestehens hunderttausende von Neugierigen an. Die Gondel mit dem 345 t schweren Maschinenhaus hatte die Größe eines Einfamilienhauses. Die beiden Rotorflügel erreichten zusammen eine Spannweite von 100 m. Der aus 3 cm dickem Stahl errichtete Turm der Anlage war 96 m hoch und hatte einen Durchmesser von 3,50 m. Bei Windstärke 6 (= 12 m/sec) erzeugte die Anlage 1 MW, bei voller Leistung 3 MW. Meistens stand sie aber still, weil technische Probleme auftraten, die nicht vorherberechnet werden konnten. Nach Beendigung des Forschungsprojektes im Sommer 1987 wurde sie deshalb wieder abgebaut.
Aus dem Growian-Projekt lernte man, daß den theoretischen Vorteilen solcher Riesen-Anlagen erhebliche Schwierigkeiten bei der technischen Ausführung und entsprechend hohe Kosten gegenüberstehen. Die öffentlichen Stromversorger und andere Investoren setzten deshalb fortan auf kleinere Anlagen mit Leistungen zwischen 25 und 300 kW, die mit ihrer ausgereiften Technik weniger störanfällig waren. Der erste deutsche Windenergiepark "Westküste", der im August 1987 auf dem Gelände des mittlerweile abgebauten "Growian" eingeweiht wurde, umfaßte 30 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1 MW. Betreiber war die PreussenElektra-Tochter Schleswag (heute E.ON Hanse). Der im März 1988 folgende Windenergiepark Cuxhaven zählte 25 Anlagen mit insgesamt 1 MW. Im Januar 1989 nahm der Windenergiepark Krummhörn mit 10 Anlagen und einer Gesamtleistung von 3 MW den Betrieb auf. Die Anlage bei Niebüll, die Ende 1990 als bis dahin größter Windenergiepark Europas eröffnet wurde, umfaßte insgesamt 35 Windkonverter mit mittleren Leistungen.
Daneben sammelte man weiterhin Erfahrungen mit "Großwindanlagen" (mehr als 1 MW Leistung). Im Juli 1990 ging auf der Insel Helgoland die "WKA 602 mit 1,2 MW in Betrieb. 1991 folgte eine Schwesteranlage im Windpark Westküste (auf dem Fundament des abgebauten Growian). Zur selben Zeit begann im Windpark Jade bei Wilhelmshaven die Errichtung des zweiflügeligen "Aeolus II", der mit 3 MW die Leistung des ehemaligen Growian erreichte.
Diese "WKA 60" ging 1990 auf der Insel Helgoland in Betrieb. Mit einer Nennleistung von 1,2 MW war sie damals die größte Windkraftanlage in Deutschland. Zusammen mit einem Heizkraftwerk sollte sie die Stromversorgung der Insel gewährleisten, deren Spitzenbedarf bei etwa 3,6 MW lag. Der Generator erwies sich aber als sehr störanfällig. Außerdem wurde der Rotor mehrfach durch Blitzschlag beschädigt. Schon 1995 wurde die Anlage deshalb wieder abgebaut. |
Die zunehmende Verknappung günstiger Standorte begünstigte den neuen Trend zu größeren Anlagen. Lag 1992 die durchschnittliche Nennleistung von neu installierten Anlagen noch bei 180 kW, so erreichte sie 1994 bereits 370 kW und näherte sich 1996 dem 600 kW-Bereich. Ende 2001 betrug die durchschnittliche Leistung neu installierter Anlagen etwa 1250 kW (1,25 Megawatt). Die Standardleistung war also bereits höher als bei den Pilotprojekten zu Anfang der neunziger Jahre. Im Jahr 2003 übersprang die Nennleistung der neu installierten Anlagen die Grenze von 1,5 MW. Ende 2006 lag sie bei über 1,8 MW. Beim Gesamtbestand betrug die durchschnittliche Nennleistung pro Anlage 1,1 MW und war damit neunmal höher als 1990.
Da es immer schwieriger wurde, noch gute Standorte für Windkraftanlagen zu finden, ging man im neuen Jahrtausend sogar dazu über, vorhandene Anlagen schon lange vor Ablauf ihrer voraussichtlichen Lebensdauer (ca. 20 Jahre) abzureißen und durch neue, leistungsstärkere zu ersetzen. Bis Ende 2006 waren auf diese Weise 244 kleine Windkraftanlagen mit einer Leistung von zusammen 100 MW abgebaut und durch 176 Nachfolger mit einer Leistung von 332 MW ersetzt worden. Trotz der erheblichen Kosten lohnte dieses "Repowering", weil sich dadurch die durchschnittliche Nennleistung pro Anlage von rund 400 Kilowatt auf fast 1900 Kilowatt bzw. 1,9 Megawatt erhöhte. Entsprechend stiegen die Stromproduktion und die Einspeisevergütung. Allein 2006 wurden 79 alte Anlagen mit einer Leistung von durchschnittlich 330 Kilowatt durch 55 neue Anlagen ersetzt, die im Schnitt eine Nennleistung von fast 2,5 MW aufwiesen.
Die geradezu stürmische Entwicklung der Windstromeinspeisung war eine Folge ihrer gezielten Förderung durch gesetzgeberische Maßnahmen. Einen ersten Boom bewirkte das ab 1991 geltende Stromeinspeisungsgesetz. Kaufleute entdeckten Windparks als Kapitalanlage, während die öffentlichen Stromversorger die gesetzlich festgelegten Vergütungssätze für die Abnahme des Wind-Stroms als überhöht bezeichneten. Als ungerecht empfanden sie auch, daß lediglich die im windreichen Norden tätigen Stromversorger diese Belastung faktisch zu tragen hatten.
Ende 2000 speisten 8617 private Windkraft-Anlagen 9363 Mio. kWh ins öffentliche Netz ein. Darüber hinaus unterhielt die öffentliche Elektrizitätswirtschaft 267 eigene Anlagen, die 151 Mio. kWh erzeugten. Insgesamt waren das 9514 Mio. kWh Strom aus Wind – 34mal soviel wie 1992, als aufgrund des im Jahr zuvor in Kraft getretenen Stromeinspeisungsgesetzes eine Einspeisung von 275 Mio. kWh erfaßt wurde. Trotz dieses rasanten Zuwachses deckte die Windkraft im Jahr 2000 aber erst 1,91 Prozent des Stromverbrauchs.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im Jahr 2000 das Stromeinspeisungsgesetz ablöste und Windstrom mit bis zu 17,8 Pfennig pro Kilowattstunde vergütete, sorgte dann für die bundesweite Umlegung der Lasten auf alle Übertragungsnetzbetreiber. Die Netzeinspeisungsvergütung konnte nun auch von Stromversorgern beansprucht werden, wenn sie eigene Windkraftanlagen betrieben. Schon im folgenden Jahr deckte die Windkraft etwa 2,3 Prozent des Stromverbrauchs und beanspruchte mit 950 Millionen Euro gut 60 Prozent der 1,64 Milliarden Euro, die insgesamt für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien gezahlt wurden.
Im Jahr 2004 trat eine neue Fassung des EEG in Kraft, das Windstrom mit bis zu 8,7 Cent pro Kilowattstunde vergütete. Für neue Anlagen verringerte sich diese Vergütung ab 2005 um jährlich zwei Prozent. Ferner wurde ein Mindestertrags-Kriterium eingeführt, um die "Verspargelung" windschwacher Standorte zu verhindern. Wie schon in der ersten Fassung enthielt das Gesetz eine besondere Vergütung für Strom aus Windkraftanlagen, die mindestens drei Seemeilen vor der Küste im offenen Meer errichtet werden, und die nun bis zu 9,1 Cent/kWh betrug. Da es solche "Offshore"-Anlagen vor der deutschen Küste aber vorläufig noch immer nicht gab, sollte sich hier die Vergütung für neue Anlagen erst ab 2008 allmählich verringern.
Im Jahr 2003 überflügelte die Windenergie mit 18,9 Millliarden Kilowattstunden erstmals knapp die Wasserkraft, die traditionell die wichtigste erneuerbare Energie darstellte. In den folgenden Jahren konnte sie diesen Vorsprung weiter ausbauen. Im Jahr 2006 bestritt sie 42 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien, der seinerseits knapp zwölf Prozent des gesamten deutschen Bruttostromverbrauchs deckte. Auf die Wasserkraft entfielen knapp 30 Prozent. Die restlichen Anteile stellten Biomasse (25,57 %) und Solarstrom (2,75 %). Rein mengenmäßig gesehen hatte damit die Windenenergie die Wasserkraft vom ersten Platz der erneuerbaren Stromquellen verdrängt.
Ende 2006 waren in Deutschland 18.685 Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von 20.622 Megawatt (MW) installiert. Bei der regionalen Verteilung der Windkraft-Leistung führte Niedersachsen mit großem Abstand (5.283 MW), gefolgt von Brandenburg (3.128 MW), Sachsen-Anhalt (2.533 MW), Nordrhein-Westfalen (2.392 MW), Schleswig-Holstein (2.390 MW) und Mecklenburg-Vorpommern (1.233 MW). In den übrigen Bundesländern lag die installierte Gesamtleistung jeweils unter 1000 MW, wobei es aber auch hier beträchtliche Unterschiede gab zwischen 0 MW (Berlin) und 992 MW (Rheinland-Pfalz).
Den größten Marktanteil - gemessen an der 2006 neu in Deutschland installierten Leistung - hatte die Firma Enercon (38,4%), gefolgt von Vestas (34,6%), Repower (7,6%), GE Energy (5,7%), NEC Micon (8,2%), Nordex (4,8%) und Siemens Wind Power (4,7%), Fuhrländer (2,4%), Gamesa (1,3%) und sonstigen (0,6%). Auf dem Weltmarkt führt die dänische Vestas (28 Prozent), gefolgt von General Electric Wind (18 Prozent), der spanischen Gamesa (13 Prozent) und der deutschen Enercon (13 Prozent).
Weltweit waren Ende 2006 rund 74.325 MW installiert. Davon entfielen 20.652 MW auf Deutschland,11.653 MW auf die USA, 11.614 MW auf Spanien und 6.228 MW auf Indien.
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Alle WKA |
Zubau |
Alle WKA |
Zubau |
Alle WKA |
Zubau |
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1990 |
68 |
41 |
54 |
255 |
123,2 |
160,8 |
1991 |
110 |
42 |
806 |
258 |
135,9 |
162,8 |
1992 |
183 |
74 |
1211 |
405 |
151,1 |
181,5 |
1993 |
334 |
155 |
1791 |
586 |
186,0 |
264,3 |
1994 |
643 |
309 |
2617 |
834 |
245,7 |
370,6 |
1995 |
1137 |
505 |
3655 |
1070 |
310,9 |
472,2 |
1996 |
1546 |
428 |
4326 |
806 |
357,5 |
530,6 |
1997 |
2082 |
534 |
5193 |
849 |
400,8 |
628,9 |
1998 |
2875 |
793 |
6205 |
1010 |
463,3 |
785,6 |
1999 |
4445 |
1568 |
7875 |
1670 |
564,4 |
938,7 |
2000 |
6095 |
1665 |
9359 |
1490 |
651,2 |
1117,6 |
2001 |
8754 |
2659 |
11438 |
2079 |
765,3 |
1279,0 |
2002 | 12001 | 3247 | 13759 | 2328 | 872,2 | 1394,7 |
2003 | 14609 | 2645 | 15387 | 1703 | 949,4 | 1552,9 |
2004 |
16629 |
2037 |
16543 |
1201 |
1005,2 |
1696,0 |
2005 | 17574 | 1049 | 18428 | 1808 | 1048,6 | 1723,3 |
2006 | 20622 | 2233 | 18685 | 1208 | 1103,7 | 1848,6 |
Quelle: Deutsches Windenergie-Institut (DEWI)