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Diese Karte zeigt die wichtigsten Hochdruckleitungen der fünf größten Ferngasunternehmen im Jahre 2006 (die BEB-Leitungen gehören seit Ende 2007 der Gasunie). Wie man sieht, bestehen die wichtigsten Erdgas-Trassen aus mehreren Leitungs-Strängen. Mitunter verlaufen auch die Stränge unterschiedlicher Unternehmen annähernd parallel zueinander. Es wäre jedoch abwegig, daraus einen Leitungswettbewerb ableiten zu wollen, wie dies bis 2008 der Fall war. (Quelle: Janssen, Entry-Exit-Modelle, 2006) |
Die neue Gasnetzzugangsverordnung wies einen großen Mangel auf, der offenbar vor allem auf Drängen der Import- und Förderunternehmen zustande gekommen war. Sie befreite nämlich in § 3 Abs. 2 die Fernleitungsnetze von der Genehmigung der Netzentgelte, sofern sie "zu einem überwiegenden Teil wirksamem oder potenziellem Leitungswettbewerb ausgesetzt" sind. Die Bundesnetzagentur durfte also in einem solchen Fall die geltend gemachten Kosten nicht überprüfen und gegebenfalls kürzen. Es wurde ihr lediglich erlaubt, die verlangten Netzentgelte mit "strukturell vergleichbaren Netzen" in der EU zu vergleichen und bei Überschreitung eine Reduzierung zu verlangen. Damit wurden die Importeure und Förderer auch von der Anreizregulierung ausgenommen, da diese gemäß § 21 Abs. 2 EnWG nur die kostenorientierte Netzentgeltgenehmigung ablösen sollte.
Die Ausnahmeregelung war erfolgreicher Lobbyarbeit zuzuschreiben. Begründet wurde sie indessen damit, daß auf der Import- und Förderebene Wettbewerb bestehe, wobei der längst historisch gewordene "Gaskrieg" zwischen Ruhrgas und BASF als Beleg diente.
Der Verband Deutscher Gas- und Stromhändler (EFET) legte im Mai 2007 ein Gutachten des Lehrstuhls für Energiewirtschaft an der Universität Dresden vor, wonach auch beim Erdgasferntransport kein wirksamer oder potenzieller Wettbewerb bestand. Vielmehr wiesen auch diese Netze die Kostenstruktur eines natürlichen Monopols auf. Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Kostengenehmigung seien somit nach der Gasnetzzugangsverordnung nicht erfüllt.
Grundsätzliche Kritik übte die Monopolkommission. In ihrem 16. Hauptgutachtens vom Juli 2006 rügte sie die Ausnahmeregelung als "wettbewerbspolitisch nicht zu rechtfertigende Privilegierung der Betreiber von Gasfernleitungsnetzen". Die Annahme eines vorhandenen oder zumindest möglichen Leitungswettbewerbs, der eine Kostenregulierung überflüssig macht, entbehre jeder Grundlage. Ebenso wie die lokalen Verteilnetze wiesen die Gasfernleitungsnetze alle wesentlichen Elemente eines nicht angreifbaren natürlichen Monopols auf. Der Hinweis auf den"Gaskrieg" Anfang der neunziger Jahre greife nicht. Der damalige Aufbau einer eigenen Transport- und Speicherinfrastruktur durch die Wingas stelle eine historische Ausnahme dar, die den konzerninternen Versorgungsinteressen der Wingas Muttergesellschaft BASF gedient habe. Dabei sei es gerade nicht darum gegangen, anderen Ferngasgesellschaften Konkurrenz um Transportkunden zu machen. Von dieser Ausnahme abgesehen, habe es in Deutschland keinen signifikanten parallelen Leitungsbau mehr gegeben. Die Befreiung der Gasfernleitungsnetze von der kostenorientierten Entgeltregulierung lasse sich damit nicht rechtfertigen.
Es dauerte indessen einige Zeit, bis auch die Bundesnetzagentur dies so sah. Am 23. September 2008 kündigte ihr Präsident Matthias Kurth bei der Vorlage des "Monitoringberichts 2008" an, künftig auch die Kosten der überregionalen Ferngasnetzbetreiber überwachen und damit diese große Lücke in der bisherigen Regulierungspraxis schließen zu wollen. Als erste wurden die E.ON Gastransport GmbH, die Wingas Transport GmbH & Co. KG und die Gasunie Deutschland Transport Services GmbH aufgefordert, binnen zwei Monaten ihre Kosten darzulegen. Anschließend sollten die Unternehmen einem Effizienzvergleich unterzogen werden und ab dem 1. Januar 2010 der Anreizregulierung unterliegen.
Bis dahin hatten insgesamt zehn Netzbetreiber beansprucht, von der Kostenüberprüfung ausgenommen zu werden, da sie gemäß § 3 Abs. 2 der Gasnetzentgeltsverordnung (GasNEV) "zu einem überwiegenden Teil wirksamem oder potenziellem Leitungswettbewerb ausgesetzt" seien. Sie vermieden damit nicht nur die Vorab-Genehmigung ihrer Netzentgelte, sondern wären auch von der Einbeziehung in die anschließende Anreizregulierung verschont geblieben. Neben E.ON, Wingas und Gasunie handelte es sich um StatoilHydro Deutschland, Erdgas Münster Transport, RWE Transportnetz Gas, Gaz de France Deutschland Transport, Ontras-VNG Gastransport, Dong Energy Pipelines und Eni Gas Transport Deutschland.
Nach Feststellung der Bundesnetzagentur entsprach die Annahme eines Leitungswettbewerbs auf der Ferngasstufe nicht der Realität. "Diese Netzbetreiber verfügen über eine dominierende Marktmacht und besitzen daher nicht durch den Wettbewerb kontrollierte Verhaltensspielräume", erklärte Behördenchef Kurth. "Bemühungen von Gasnetzbetreibern, durch niedrige Preise Netzkunden zu gewinnen, sind nicht erkennbar." Die Kapazitäten im Ferngasnetz seien bei allen Betreibern langfristig ausgebucht, und es bestehe kaum eine Möglichkeit, auf Alternativangebote auszuweichen. Das Bundeskartellamt teile diese Sichtweise.
Die Unternehmen hatten indessen Gelegenheit, wieder in den Genuß der Privilegierung nach § 3 Abs. 2 GasNEV zu gelangen, wenn sie nachwiesen , daß sich die Situation verändert hat und tatsächlich Leitungswettbewerb besteht. Bereits Ende 2010, also zwei Jahre vor Beginn der nächsten Regulierungsperiode, konnten sie erneut entsprechende Anträge stellen.
Die Gas-Transportnetzbetreiber Wingas und E.ON Ruhrgas verlangten indessen weiterhin Sonderrechte für die beiden Anschlußleitungen "Opal" und "Nel", die den Anlandepunkt der geplanten Ostsee-Pipeline bei Greifswald nach Süden und Westen mit dem bestehenden Gastransportnetz verknüpfen sollen. Entsprechende Anträge auf Freistellung von der Regulierung lagen der Bundesnetzagentur schon seit März 2007 bzw. Juli 2008 vor. Nach dem Beschluß, die Regulierung auf das gesamte bestehende Ferngasnetz auszuweiten, verfügten die beiden Gas-Importeure auch in dieser Hinsicht über schlechte Karten. Sie ließen deshalb wissen, daß das gesamte Ostsee-Projekt scheitern könnte, wenn ihren Anträgen nicht stattgegeben werde. Da die russische Gazprom und ihre westeuropäischen Partner selber das größte Interesse an dem Projekt hatten, konnte diese Drohung allerdings kaum den erwünschten politischen Druck bewirken.
Rechtlich stützten sich die Anträge auf § 28a EnWG, der für "Verbindungsleitungen zwischen Deutschland und anderen Staaten" eine befristete Freistellung von der Regulierung ermöglicht. Zu den Voraussetzungen gehörte allerdings unter anderem, daß sich die Freistellung nicht nachteilig auf den Wettbewerb oder das effektive Funktionieren des Erdgasbinnenmarkts auswirken würde. Insofern waren die Chancen von Wingas und E.ON Ruhrgas auf Freistellung der beiden Ostsee-Anschlußleitungen nach § 28a EnWG kaum größer als bei den bestehenden Netzen, wo die Bundesnetzagentur die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung in § 3 Abs. 2 der Netzentgeltsverordnung inzwischen verneinte.
Die Hochdrucknetz der Ferngas-Unternehmen wiesen im Jahr 2005 eine Gesamtlänge von 37.883 Kilometer auf. Die Gasabgabe hing dabei entscheidend vom Querschnitt der Leitungen ab. Wie diese Grafik zeigt, sind vor allem die Leitungen mit einem Durchmesser von mehr als 500 Millimeter für den Ferngastransport von Bedeutung. (Quelle: EFET-Gutachten, 05/2007) |