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Binnen fünf Jahren schrumpfte die Zahl der Marktgebiete für den Gashandel von 19 auf nur noch drei (Quelle: BNA/MoPo-Sondergutachten 59).

19 Marktgebiete für ganz Deutschland

Unter dem Druck der Bundesnetzagentur wird die Anzahl der Handelshürden jedoch rasch reduziert

Die Verbände der Gaswirtschaft hatten zugesagt, das von der Bundesnetzagentur ausgearbeitete Modell für den Netzzugang in einer Kooperationsvereinbarung so umzusetzen, daß es bis zum Beginn des neuen Gaswirtschaftsjahres am 1. Oktober 2006 verwirklicht werden konnte. Am 1. Juni 2006 veröffentlichten der Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) eine entsprechende "Vereinbarung über die Kooperation zwischen den Gasnetzbetreibern", der am 19. Juni insgesamt 22 Gasnetzbetreiber beitraten. Bis zum Herbst 2006 hatten rund 400 Unternehmen die Vereinbarung unterzeichnet.

Dieser Kooperationsvertrag verwirklichte das gesetzlich vorgeschriebene Zweivertragsmodell vorläufig nur sehr unzureichend. Er behandelte die deutschen Gasnetze für H-Gas und L-Gas, für die der Handel wegen des unterschiedlichen Brennwerts separat abgewickelt werden mußte, nicht als zwei durchgängige Marktgebiete, sondern untergliederte sie in insgesamt 19 Marktgebiete, die in der Regel mit den Leitungen der Netzbetreiber übereinstimmten. Begründet wurde dies mit Engpässen und anderen technischen Problemen an den Schnittstellen der jeweiligen Netze. Der Handel über zwei und mehr Marktgebiete war zwar theoretisch möglich, machte die Netznutzung aber komplizierter und vor allem teurer.

E.ON, RWE und Wingas verfügen sogar über jeweils mehrere Marktgebiete


Vereinfachte Darstellung der neun Marktgebiete für H-Gas zum 1. Oktober 2007. Man sieht, daß die Gebiete sich oft überlappen. Die fünf Marktgebiete für L-Gas im Nordwesten Deutschlands wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit weggelassen (Quelle: Bundesnetzagentur).

Zunächst wollten BGW und VKU sogar 28 Marktgebiete einführen, obwohl sie mit der Bundesnetzagentur höchstens zwanzig vereinbart hatten. Auf ihren Wunsch ließ der Kooperationsvertrag außerdem Gastransporte durch netzbezogene Einzelbuchungen zu. Art und der Umfang der Einbindung von Gasspeichern in den Kooperationsvertrag blieben streitig.

Von den 19 Marktgebieten entfielen vier auf E.ON Ruhrgas und jeweils drei auf RWE und Wingas. Die übrigen waren mit dem Netz des Netzbetreibers identisch :

• Bayerngas GmbH: Marktgebiet Südbayern

• BEB Transport GmbH & Co. KG, Dangas GmbH Regiegesellschaft und Statoil Deutschland GmbH (FN): Marktgebiet H-Gas Nord

• BEB Transport GmbH & Co. KG und ExxonMobil Gastransport Deutschland GmbH: Marktgebiet L-Gas Nord

• E.ON Ruhrgas Transport AG & Co. KG (ERT): Marktgebiet H-Gas Nord / Marktgebiet H-Gas Mitte / Marktgebiet H-Gas Süd / Marktgebiet L-Gas

• Erdgas Münster Transport GmbH & Co. KG: Marktgebiet EGMT

• EWE AG: Marktgebiet Verbundnetz Ems-Weser-Elbe

• Gas-Union Transport GmbH Co. KG: Marktgebiet Gas-Union

• Gaz de France Deutschland Transport GmbH: Marktgebiet der Gaz de France Deutschland Transport

• Gasversorgung Süddeutschland GmbH und Eni Gas & Power Deutschland S.P.A: Marktgebiet GVS-ENI

• ONTRAS – VNG Gastransport GmbH: Marktgebiet ONTRAS

• RWE Transportnetz Gas GmbH: Marktgebiet RWE I (H-Gas Nord) / Marktgebiet RWE II (L-Gas West) / Marktgebiet RWE III (H-Gas Süd)

• WINGAS TRANSPORT GmbH & Co. KG: Marktgebiet WINGAS TRANSPORT I / Marktgebiet WINGAS TRANSPORT II / Marktgebiet WINGAS TRANSPORT III

Nur noch Zweivertragsmodell zulässig

Im November 2006 beseitigte die Bundesnetzagentur dann das Einzelbuchungsmodell. Sie gab damit einer Beschwerde statt, die vom Bundesverband Neuer Energieanbieter und Nuon Deutschland gegen die drei Netzbetreiber RWE Transportnetz Gas, E.ON Hanse und Stadtwerke Hannover eingereicht worden war. Die vertieften Prüfungen im Mißbrauchsverfahren hätten die von Anfang an vorhandenen Bedenken bestätigt, begründete die Behörde ihre Entscheidung. Es stehe nunmehr eindeutig fest, dass die Mängel des Einzelbuchungsmodells systembedingt seien. Das Einzelbuchungsmodell genüge nicht den gesetzlichen Vorgaben eines diskriminierungsfreien, effizienten und massengeschäftstauglichen Netzzugangs. Zudem werde dadurch der wirksame und unverfälschte Wettbewerb insbesondere auf den Gashandelsmärkten beeinträchtigt. Die von der Gaswirtschaft zugesicherte Wirkungsgleichheit zwischen dem gesetzlichen Regelmodell und dem optionalen Einzelbuchungsmodell könne nicht erreicht werden. Zugleich stehe die einzelne Buchung von Netz zu Netz einer effizienten Abwicklung des Netzzugangs auf der Grundlage des Zweivertragsmodells im Wege.

In einem weiteren Antrag hatten die Beschwerdeführer auch die Beseitigung der Einteilung in 19 Marktgebiete verlangt. Diesen Antrag wies die Bundesnetzagentur aus formalen Gründen als unzulässig zurück. Sie ließ aber keinen Zweifel daran, daß sie die Zahl der Marktgebiete weiter reduzieren wolle, um die unzureichende Liquidität auf den Gashandelsmärkten zu erhöhen, und notfalls ein Mißbrauchsverfahren gegen die widerspenstigen Netzbetreiber einleiten werde.

Netzbetreiber legen Marktgebiete zusammen

Als erste beugten sich die drei Marktführer, die ihre Netze sogar in mehrere Martkgebiete unterteilt hatten: Im Dezember 2006 teilte die E.ON-Gastransport mit, daß sie ab 1. Oktober 2007 nur noch jeweils ein Marktgebiet für H-Gas und L-Gas haben werde. Im März 2007 gab die RWE Transportnetz Gas die Zusammenlegung ihre beiden Marktgebiete für H-Gas zum 1. April bekannt. Im Mai vereinigte auch die Wingas Transport GmbH & Co. KG ihre bisher drei Marktgebiete für H-Gas..

Somit existierten im im Mai 2007 noch folgende "marktgebietsaufspannende Netzbetreiber und Marktgebiete":

Marktgebiet Zugehörige Netzbetreiber
Südbayern (Bayerngas) H-Gas 47
H-Gas Norddeutschland (BEB, Dong, Statoil, Hydro) 78
L-Gas Norddeutschland (BEB, Exxon Mobil) 59
E.ON H-Gas (vormals E.ON I, II, III) 216
E.ON L-Gas 144
EGMT (Erdgas Münster) H-Gas 42
Verbundnetz Ems-Weser-Elbe (EWE) H-Gas 7
Gas-Union H-Gas 43
Gaz de France H-Gas 39
GVS-ENI H-Gas 116
Ontras (Verbundnetz Gas) 150
RWE H-Gas (vormals RWE I, III) 67
RWE L-Gas 39
Wingas Transport H-Gas (vormals Wingas I, II, III) 97

Eine weitere Reduzierung der Zahl der Marktgebiete war bereits in Sicht. Wie die Bundesnetzagentur im Januar 2008 mitteilte, würde es mit Beginn des nächsten Gaswirtschaftsjahres am 1. Oktober in Deutschland nur noch sechs Marktgebiete für H-Gas und zwei Marktgebiete für L-Gas geben. Nach intensiven Verhandlungen hätten sich auch "E.ON Gastransport" und "bayernets" (vormals Sparte Netz der Bayerngas) entschlossen, ein gemeinsames Marktgebiet zu bilden. Zudem würden "GVS Netz", "ENI Gas Transport Deutschland" und "Gaz de France Deutschland Transport" ein durchgehendes Marktgebiet einrichten. Auch ein eigenständiges Marktgebiet der "Gas-Union Transport" werde es nicht mehr geben.

Mißbrauchsverfahren gegen fünf Betreiber von L-Gas-Netzen

Im Juli 2008 kündigten E.ON Gastransport und RWE Transportnetz Gas an, ihre beiden Marktgebiete für L-Gas zum 1. Oktober 2008 unternehmensübergreifend zusammenlegen.Im September gaben die EWE Netz GmbH, die Erdgas Münster Transport GmbH & Co. KG sowie die damalige BEB ebenfalls die Vereinigung ihrer bisher drei L-Gas-Gebiete zu diesem Termin bekannt. Damit hätte es anstelle von fünf nur noch zwei Marktgebiete für das niedrigkalorische Erdgas gegeben, das zumeist aus niederländischen und deutschen Quellen stammte.

Im August 2008 sahen sich die fünf L-Gas-Netzbetreiber aber plötzlich außerstande, die Zusammenlegung bis zum Beginn des neuen Gaswirtschaftsjahres durchzuführen. Die Bundesnetzagentur (BNA) fühlt sich herausgefordert und leitete ein Mißbrauchsverfahren gegen die Widerspenstigen eint. "Die Unternehmen haben ohne stichhaltige Begründung ihre Zusage zur Zusammenlegung von Marktgebieten widerrufen", erklärte BNA-Präsident Matthias Kurth. "Jetzt muß das Ziel sein, ein einziges L-Gas-Marktgebiet zu schaffen. Damit würde die Kleinteiligkeit und Zersplitterung der L-Gas-Marktgebiete endgültig beseitigt."

In der Tat hörte es sich nicht sehr überzeugend an, wie RWE Transportnetz Gas und E.ON Gastransport in einer gemeinsamen Erklärung das Abrücken von der geplanten Kooperation begründeten. Es hieß da lediglich: "Ungeachtet der Grundsatzverständigung von RWE mit der EU-Kommission zum Desinvestment der RWE Transportnetz Gas und dem anstehenden Veräußerungsprozeß lassen auch die in den letzten Monaten immer wieder geänderten Rahmenbedingungen und die sich dadurch ergebenden immer neuen konzeptionellen Ansätze für die endgültige Ausgestaltung der Kooperation in Verbindung mit den zu implementierenden Prozessen die operative Umsetzung einer umfassenden Kooperation zum 1. Oktober 2008 nicht zu."

Mit der gewundenen Formulierung sollte die Schuld offenbar der Bundesnetzagentur zugeschoben werden, die Ende Mai neue Regeln zur Bilanzierung im Gasbereich erlassen hatte. Diese ersetzten die bisherige Stundenbilanzierung durch eine Tagesbilanzierung. Dies bedeutete, daß sämtliche Schwankungen zwischen Einspeisung des Lieferanten und tatsächlichem Verbrauch der Kunden, die nur binnen eines Tages auftreten, keinen Einfluß mehr auf die Bilanz bzw. die vom Lieferanten aufzubringenden Kosten für Ausgleichsenergie hatten. Für externe Lieferanten wurde dadurch der Netzzugang erheblich vereinfacht und verbilligt.

Der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, sah eher andere Motive und in der RWE Transportnetz Gas die bremsende Kraft. Bereits eine Woche vor der offiziellen Bekanntgabe der Nicht-Kooperation hatte er RWE mit Zwangsmaßnahmen gedroht, falls die Zusage nicht eingehalten werde. Zugleich äußerte er den Verdacht, daß die Absage der Kooperation mit dem geplanten Verkauf des RWE-Gastransportnetzes zusammenhänge. Kartellrechtliche Vorgaben der Kommission änderten aber nichts an den Verpflichtungen, die RWE gegenüber der Bundesnetzagentur eingegangen sei. Ende August 2008 leitete die Behörde ein förmliches Mißbrauchsverfahren gegen die fünf Netzbetreiber ein, um sie zur Zusammenlegung ihrer Marktgebiete zu zwingen.

Seit April 2011 gibt es insgesamt nur noch drei Marktgebiete

Unter dem Druck der Bundesnetzagentur gründeten EWE, Erdgas Münster und Gasunie eine gemeinsame Tochter namens "Aequamus", die ab ab April 2009 das Bilanzkreismanagement ihrer L-Gas-Netze besorgte. Das Marktgebiet der "Aequamus" reichte von der Nordseeküste bis zum Harz und von der niederländischen Grenze bis nach Wolfsburg. Sie vereinte etwa 70 Prozent des L-Gases in Deutschland. Daneben gab es weiterhin die L-Gas-Marktgebiete von Thyssengas (RWE) und E.ON Gastransport.

Ab 1. Oktober 2009 sank auch die Zahl der Marktgebiete für H-Gas auf nur noch drei: Zum einen vollzogen VNG, Wingas und Gasunie/Statoil/Dong die Zusammenlegung ihrer H-Gasgebiete zu "Gaspool". Außerdem schlossen sich nun auch Eni Gastransport Deutschland, GRTgaz Deutschland und GVS Netz dem gemeinsamen H-Marktgebiet von E.ON Gastransport und bayernets an, das unter der Bezeichnung "NetConnect Germany" bereits seit 1. Oktober 2008 existierte. Damit gab es bei H-Gas neben "NetConnect Germany" und "Gaspool" nur noch das Marktgebiet der zum Verkauf anstehenden RWE Transportnetz, die vor kurzem in "Thyssengas" umbenannt worden war.

Am 1. April 2011 schrumpfte die Zahl der Marktgebiete noch weiter: "NetConnect Germany" vereinnahmte nun auch das H-Netz der Thyssengas (früher RWE Transportnetz Gas) sowie die bisher separaten L-Gas-Gebiete von Thyssengas und Open Grid (früher E.ON Gastransport). Neben dem qualitätsübergreifenden Marktgebiet von "NetConnect Germany" existierten somit nur noch das H-Gebiet"Gaspool" und das L-Gebiet von "Aequamus".

Betreiber dieser drei Marktgebiete blieben die jeweiligen Ferngasnetzgesellschaften: Bei "NetConnect Germany" waren dies Bayernets, Eni Gas Transport Deutschland, Open Grid Europe, GRTgaz Deutschland, GVS Netz und Thyssengas. Hinter "Gaspool" standen Dong Energy Pipelines, Gasunie Deutschland Transport Services, Ontras - VNG Gastransport, Wingas Gastransport und Statoil Deutschland Transport. Als "Aequamus" firmierten die L-Gas-Netzbetreiber Erdgas Münster Transport, EWE Netz und Gasunie Deutschland Transport Services.

 


Bis April 2011 gab es noch drei Marktgebiete für H-Gas und fünf für L-Gas (Quelle: Bundesnetzagentur)