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Der Traum von der ewigen Jugend ist so alt wie die Menschheit. Bei deren weiblicher Hälfte soll er besonders stark ausgeprägt sein. Aber leider altern wir alle unaufhaltsam, und es wurde bisher kein Mittel gefunden, um diesen Prozeß zu stoppen oder gar umzukehren. Nur im Märchen gibt es die "Jungbrunnen" und "Altweibermühlen", in die auf der einen Seite verhuzzelte Alte hineingehen, um auf der anderen Seite als jugendliche Schönheiten wieder herauszukommen.
Eine moderne Ausgabe des Jungbrunnens findet man heute in Science-fiction-Romanen: Hier ist es die "Zeitmaschine", die Zeitgenossen aus der Gegenwart ins Mittelalter befördert und ihnen so die phantastische Möglichkeit eröffnet, die eigenen Ur-Ur-Ur-Urahnen in der Wiege zu schaukeln.
Daß solche Konstruktionen nicht funktionieren können, wissen wir eigentlich, ohne erst die Physik bemühen zu müssen. Aber gerade die selbstverständlich erscheinenden Dinge sind manchmal gar nicht so selbstverständlich. Zum Beispiel könnte man vom Standpunkt der Mechanik aus, wie er bis ins 19. Jahrhundert die Physik beherrschte, gegen eine Zeitmaschine nicht viel einwenden. Für die Mechanik sind nämlich alle Prozesse umkehrbar, wie eine Maschine, die wahlweise nach links oder nach rechts dreht. Die Zeit hat hier keine Richtung. Sie ist nur eine Maßeinheit. Im Grunde spielt es für mechanische Prozesse keine Rolle, ob die Reise in die Zukunft oder in die Vergangenheit geht.
Seinen vollendeten Ausdruck fand das mechanistische Weltbild in einem fiktiven, allwissenden Wesen, das sich der Franzose Pierre Simon Laplace ausgedacht hatte: Dieser "Laplacesche Dämon" überblickte das Räderwerk der Welt vollständig und war deshalb in der Lage, alle vergangenen und künftigen Zustände des Universums exakt zu berechnen.
Mit der Vorstellung von der grundsätzlichen Umkehrbarkeit aller physikalischen Prozesse räumte erst die Thermodynamik auf, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstand. Ihren frühesten Ausgangspunkt bildeten die bereits erwähnten "Betrachtungen über die bewegende Kraft des Feuers", die der Franzose Sadi Carnot 1829 veröffentlicht hatte und deren Bedeutung - wie so oft - erst im nachhinein erkannt wurde.
Etwas später gelangten Robert
Julius Mayer,James Prescott Joule und Hermann Helmholtz zu der Feststellung,
daß Energie weder erzeugt noch verbraucht werden kann, sondern allenfalls
ihre Form ändert: als Wärme, Bewegung, chemischer Stoff, Bewegungsenergie,
Lageenergie oder Elektrizität. Dieses Gesetz von der Erhaltung der
Energie bildet heute den ersten Hauptsatz der Thermodynamik und
wird als Energiesatz bezeichnet.
Robert Julius Mayer (1814 - 1878) |
Hermann Helmholtz (1821 - 1894) |
James Prescott Joule (1818 - 1889) |
Dieser Energiesatz war mit der mechanischen Physik noch zu vereinbaren. Er paßte sogar ganz gut zu der etablierten Vorstellung von der Unzerstörbarkeit der Materie. Endlich schien man die Grundbausteine des Universums gefunden zu haben: "Kraft und Stoff" regierten also die Welt.
Dann aber kam der Physiker Rudolph Clausius und verband den Energiesatz mit den Betrachtungen von Carnot: Vor allem faszinierte ihn dessen Beobachtung, daß die von einer Wärmemaschine geleistete Arbeit von der Temperaturdifferenz abhängig ist: Der "Sturz" der Wärme vom höheren zum niedrigeren Temperaturniveau läßt sich nicht rückgängig machen. Im Unterschied zu Carnot erkannte Clausius, daß Wärme kein unveränderlicher Stoff ist, sondern nur eine Form der Energie darstellt, die in der Maschine in kinetische Energie umgewandelt wird. Die in der Wärme enthaltene Energie kann zwar nicht vernichtet werden, sie wird aber zerstreut und ist damit für die Nutzung verloren.
So gelangte Clausius zu jenen Schlußfolgerungen, die als zweiter Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet werden: Wärme neigt dazu, von wärmeren auf kältere Körper überzugehen. Umgekehrt ist es aber nicht möglich, daß die Wärme eines kälteren Körpers von selbst auf einen wärmeren Körper übergeht. Sie ist deshalb wertlos für die Umwandlung in Arbeit - es sei denn, es fände sich ein Körper, der noch kälter ist und dadurch die Herstellung des notwendigen Temperaturgefälles ermöglicht. Weiter fand Clausius heraus, daß zwar mechanische Arbeit vollständig in Wärme umgewandelt werden kann, nicht aber Wärme vollständig in mechanische Arbeit.
In einem geschlossenen System muß deshalb die Wärmeenergie ständig abnehmen. Sie strebt unaufhaltsam und unumkehrbar einem Zustand völliger Zerstreuung zu. Clausius prägte für diese Zerstreuung der Wärme den Begriff der "Entropie" und stellte fest: In einem geschlossenen System kann die Entropie ohne äußeres Zutun nur anwachsen, aber niemals abnehmen.
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
wird auch als Entropiesatz bezeichnet. Er wurde später durch
Untersuchungen des Chemikers Walter Nernst und des Physikers Max Planck
ergänzt, wonach der Zustand absoluter Entropie beim absoluten Nullpunkt
von minus 273,15°C eintritt (dritter Hauptsatz der Thermodynamik).
Rudolf Clausius (1822 - 1888) |
Walther Nernst (1864 - 1941) |
Max Planck (1858 - 1947) |
Die Entropie ist also ein Maß für die molekulare Unordnung eines
Systems, z.B. einer bestimmte Wärmemenge, die unaufhaltsam erkaltet und
damit an Entropie zunimmt. Heute wird der Begriff aber auch in der Informationstheorie,
in der Chaos-Theorie und in anderen Zusammenhängen verwendet, um generell
den Unterschied zwischen Zuständen höherer Ordnung und solchen geringerer
Ordnung zu bezeichnen. Den Zustand geringer Entropie - energetisch der hochwertigere
Zustand - stellt man sich am anschaulichsten als einen sauber aufgeräumten
Schreibtisch vor. Wenn dann alles wüst durcheinander liegt und das Finden
eines Schriftstücks reine Glückssache geworden ist, hat der Schreibtisch
den Zustand großer Entropie erreicht.
Der Entropie-Begriff hat zu etlichen Spekulationen veranlaßt. Dazu gehört die Theorie, daß sich die in der Sonne und anderen Sternen konzentrierte Energie immer mehr in einer Art Wärmesuppe verflüchtigen und einen "Wärmetod des Weltalls" bewirken werde. Diese Wärmesuppe wäre allerdings wohl ziemlich kalt, so daß man besser vom Kältetod des Weltalles spräche.
Fast noch ergiebiger sind für Philosophen jene "schöpferischen" Prozesse, die der Entropie entgegenlaufen und die deshalb auch als "Negentropie" bezeichnet werden: angefangen mit der täglichen Energie-Spritze, die der Planet Erde von der Sonne empfängt, über die Evolution vom Affen zum Menschen bis zum ganz banalen Aufräumen des Schreibtischs. Beim letzten Stichwort fällt uns prompt der alte Mythos vom Sisyphos ein, den die Götter dazu verdammten, bis in alle Ewigkeit einen Stein den Berg hinaufzuwälzen, der dann doch regelmäßig wieder runterrollt - antike Symbolik für den ewigen Widerstreit von Entropie und Negentropie.
Nicht zuletzt schließt die Entropie mit ein, daß es in der Natur unumkehrbare Prozesse gibt, denn schließlich ist überall Wärme mit im Spiel. Damit erhält aber die Zeit, die in der klassischen Mechanik nur ein Parameter ist, plötzlich eine Richtung. Sie wird aus einer verschwommenen Vorstellung oder reinen Meßgröße zum gerichteten, absolut unumkehrbaren "Zeitpfeil". - Damit haben wir endlich den physikalischen Grund, weshalb Schneemänner unaufhaltsam schmelzen und jede Statue irgendwann zerbröselt!
Es liegt also am Entropiesatz, wenn zwar schon viele Ziegel vom Dach gefallen sind, aber noch niemals ein Ziegel beobachtet wurde, der vom Boden zurück aufs Dach geschwebt ist. Und der Entropiesatz ist letzten Endes auch schuld daran, daß alle Versuche zur Konstruktion von "Zeitmaschinen" schon aus thermodynamischen Gründen zum Scheitern verurteilt sind.