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Die Durchschnittserlöse der Energieunternehmen beim Gasabsatz stiegen von 1999 bis 2006 für das Produzierende Gewerbe um 129 Prozent und für die sonstigen Gasabnehmer fast um das Doppelte. Die hier abgebildeten Durchschnittserlöse, die vom Statistischen Bundesamt ermittelt wurden, enthalten aber noch nicht die Mehrwertsteuer. Vor allem für "sonstige Endabnehmer" (Haushalte und andere Kleinverbraucher) ist deshalb die tatsächliche Belastung erheblich größer. |
Da die Gaspreise seit Beginn der Erdgasversorgung in den sechziger Jahren an die Preise für Öl gekoppelt waren, folgten sie dem Höhenflug der Ölpreise und sorgten so für volle Kassen bei den Mineralölkonzernen, die an den Förderquellen beider Energieträger saßen. Aber auch die Importeure und Verteiler nutzten ihre monopolistische Stellung weidlich aus. Ihren wehrlosen Kunden diktierten sie in regelmäßigen Abständen "Preisanpassungen", die keineswegs nur höhere Belastungen aus steigenden Importpreisen weitergaben, sondern der Vergrößerung der eigenen Gewinnmarge dienten.
Die Rohölpreise hatten 1998 den tiefsten Stand seit zwölf Jahren erreicht. Im Laufe des Jahres 1999 wirkten sich dann aber die von den Opec-Staaten beschlossenen Förderbeschränkungen immer deutlicher aus: Der Ölpreis stieg von etwa zehn Dollar pro Barrel 1998 auf etwa 38 Dollar im Jahr 2000. Infolge der Schwäche des Euro ergab sich in den EU-Staaten eine zusätzliche Verteuerung gegenüber den Ölpreisnotierungen in Dollar. Dies führte im Jahr 2000 europaweit zu Protesten und setzte die Regierungen unter Druck.
Auch die willkürliche Bindung des Gaspreises an den Ölpreis geriet nun ins Visier von Politikern und Verbraucherschützern. Sie galt inzwischen als kartellrechtliches Ärgernis und als unvereinbar mit der Liberalisierung des Gasmarktes, auf dem es trotz der diesbezüglichen EU-Richtlinien und des neuen Energiewirtschaftsgesetzes faktisch noch immer keinen Wettbewerb gab. Das Bundeswirtschaftsministerium ließ dagegen verlauten, daß der Staat keine Eingriffsmöglichkeit habe, weil es sich um eine Vereinbarung zwischen Unternehmen handele. Außerdem sei die Koppelung weiterhin sinnvoll, um den Erdgasproduzenten die notwendige langfristige Investitionssicherheit zu geben.
Der Grenzübergangspreis, den die Importeure für Erdgas zahlen, widerspiegelt die Entwicklung des Ölpreises mit ein paar Monaten Verzögerung. |
In Wirklichkeit hatten sich die Investitionen in die Erdgas-Netze längst bezahlt gemacht. Außerdem hätte man mit derselben Begründung eine Preisbindung für sämtliche Produkte einführen können, die längerfristige Investitionen erfordern und einander ersetzen können. Faktisch bedeutet es die Ausschaltung von Substitutions-Wettbewerb, wenn die Preise von konkurrierenden Energien aneinander gekoppelt sind. Die Marktanteile von Öl und Gas können dann über die Details der jeweiligen Preisgestaltung fast beliebig festgelegt werden.
Zum Beispiel können die Konzerne das Erdgas etwas günstiger als Öl anbieten, um die Markteinführung in bestimmten Sektoren des Wärmemarktes zu beschleunigen. Aber ebenso können sie es verteuern, um beispielsweise zu verhindern, daß sämtliche Hausbesitzer von Öl- auf Gasheizung umsteigen. Sie werden die Preislatte für Erdgas dann eben gerade so hoch ansetzen, wie es der Wegfall des Öltanks im Garten und andere Vorteile der Gasheizung ermöglichen, ohne sämtliche Hausbesitzer von einem Wechsel abzuschrecken.
Die vertikale Ölpreisbindung folgt deshalb auch nicht starr dem Preis des Rohöls oder den Klauseln, die in den Verträgen der Ferngasunternehmen mit den Lieferanten festgeschrieben sind. Sie wird vielmehr auf allen Ebenen des Verteilgeschäfts in unterschiedlicher Form erneuert und in einer den jeweiligen geschäftlichen Zwecken angepaßten Form an die Endverbraucher weitergereicht. In der Regel dient leichtes Heizöl als Maßstab. Für die Industrie wird es aber günstiger, da in diesem Sektor auch viel schweres Heizöl verbraucht wird. Und noch günstiger wird das Gas für Kraftwerke angeboten, da Öl zumindest in Deutschland praktisch keine Rolle für die Stromerzeugung spielt. Hier wird deshalb sogar von der Ölpreisbindung abgewichen und der Preis für Import-Steinkohle "angelegt".
Der Preis, den die Importeure zahlen (blaue Linie), schlägt mehr oder weniger stark auf die Preise für Weiterverteiler und Endkunden durch. Er bestimmt sie aber keineswegs allein. Zum Beispiel besteht der Gaspreis für Haushalte (grüne Linie) zu zwei Dritteln aus anderen Posten (Vertrieb mit Gewinnmarge, Netzentgelt, Steuern, Abgaben). Hinzu differiert die Art der Ölpreis-Preisbindung. Für Gas-Kraftwerke (türkisfarbene Linie) ist der Preis sogar an den von Steinkohle gekoppelt. |
Nach einem kurzen Rückgang im Jahr 2001 schossen die Rohölpreise erneut nach oben und überschritten Ende 2004 die Schwelle von 50 Dollar pro Barrel. Nun sprach sich auch der Kartellamtspräsident Ulf Böge gegen die Ölpreis-Bindung des Gases aus. Außerdem schrieb das Kartellamt verschiedene Gasversorger an und forderte sie zur Darlegung ihrer Preisberechnungen auf. Dahinter stand der Verdacht, daß die Unternehmen die Tarife für Endverbraucher noch stärker erhöhen wollten als der Verteuerung der Importpreise entsprach. Prompt nahm die E.ON Ruhrgas ihre angekündigte Verteuerung um die Hälfte zurück.
Unter den Gasverbrauchern wuchs der Widerstand gegen die ständigen "Preisanpassungen", die ihnen von den Versorgern unter pauschalem Hinweis auf erhöhte Forderungen der Vorlieferanten und die allgemeine Koppelung der Gas- an die Ölpreise präsentiert werden. Viele zahlten die erhöhten Rechnungen nicht oder nur unter Vorbehalt. Vor dem Hamburger Landgericht hatten 52 Kunden der E.ON Hanse mit einer Sammelklage Erfolg: Das Gericht befand im September 2005, die Erhöhung müsse Billigkeitsmaßstäben genügen und dürfe die Grenzen der Zumutbarkeit nicht überschreiten. Da das Unternehmen eine Monopolstellung einnehme, hätten die Kunden ein Anrecht darauf zu erfahren, wie der Preis zu rechtfertigen sei.
Der Regionalversorger E.ON Hanse veröffentlichte daraufhin erstmals Angaben zur Zusammensetzung seiner Gaspreise für Haushaltskunden. Die angeblich "umfassende Offenlegung" beschränkt sich indessen auf pauschale und nicht weiter überprüfbare Zahlen für Beschaffungs-, Netz- und Vertriebskosten eines ganz bestimmten Tarifs. Wollte man ihnen Glauben schenken, so hätte das Unternehmen 2005 nur eine Umsatzrendite von einem Prozent erwirtschaftet. Aus anderen Unterlagen ging aber hervor, daß die Rendite acht Prozent vor Steuern betrug. Die E.ON Hanse hatte sich also arm gerechnet. "Das ist ein schönes Rechenergebnis, aber der Rechenweg fehlt", spottete der Bund der Energieverbraucher. In Pressekommentaren war von "Bauernfängerei" und "Volksverdummung" die Rede.
Aussagekräftiger waren die Angaben, welche die Bundesnetzagentur für das Jahr 2007 veröffentlichte:
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Mittelwert in ct/kWh (mengengewichtet) | Anteil am Gesamtwert in Prozent | |
Netzkosten | 1,20 | 18,23 |
Gasbezugskosten + Gewinn | 3,58 | 54,61 |
(Konzessions)Abgaben | 0,24 | 3,68 |
Steuern | 1,54 | 23,49 |
Gesamtpreis | 6,57 | 100 |
*Eurostat-Kundenkategorie D3 / Stand 1.4.2007 / Quelle: Quelle: BNA-Bericht 2007 |
Die Kartellbehörden der Länder und das Bundeskartellamt vereinbarten im Oktober 2005, künftig jeweils am 1. November die Preise der Gasunternehmen abzufragen, um zu prüfen, ob ein Mißbrauch der Gasmonopole vorliegt. Ein einheitliches Abfragemuster zum selben Stichtag sollte die Vergleichbarkeit der Preise gewährleisten.
Im Januar 2007 veröffentlichte das Bundeskartellamt auf seiner Internet-Seite die so ermittelten Gaspreise für Haushaltskunden von 738 Gasversorgern in ganz Deutschland für das Gaswirtschaftsjahr 2006/2007. Erfaßt waren jeweils vier typische Abnahmefälle. Dabei zeigte sich, daß die Kunden für dieselbe Verbrauchsmenge je nach Versorger bis zur Hälfte mehr bzw. weniger bezahlen mußten. Mit am teuersten waren die Gasversorger von E.ON, RWE und EnBW, obwohl gerade diese drei Konzerne über direkte Verbindungen zu ausländischen Lieferanten und inländischen Förderern verfügten. Es konnte also nicht allein an den Einstandspreisen liegen, wenn Gas so teuer war. Vielmehr wurde auf dem Weg von der Grenze bzw. der inländischen Förderung zum Endverbraucher in unterschiedlichem Maße kräftig draufgesattelt.
Bis Anfang 2008 hatten die 43 größten Gasanbieter ihre Preise allein in den vergangenen drei Jahren um 12,5 bis 45,7 Prozent angehoben. Am teuersten waren im Februar 2008 die Stadtwerke Dresden, gefolgt von der sächsischen EnBW-Tochter Enso, den Stadtwerken Leipzig und Duisburg sowie E.ON-Avacon. Am unteren Ende der Preisskala rangierten EWE, Gelsenwasser, Mainova, entega und Stadtwerke München. Je nach Versorger differierte der Preis für 15.000 Kilowattstunden bei einer Leistung von 10 kW jährlich um 310 Euro oder um 35 Prozent. Ein weiterer Vergleich, der zum Stichtag 12. Dezember 2007 die Preise für einen Jahresverbrauch von 35.000 Kilowattstunden erfaßte, ergab ebenfalls beträchtliche Differenzen um 338 Euro oder 17 Prozent - je nachdem, ob der Kunde in Berlin oder im nicht allzuweit entfernten Sachsen wohnte.
Von der Grenze bis zum Haushalts-Endverbraucher verteuert sich das Erdgas um mehr als das Dreifache. |
Im Dezember 2007 trat eine Änderung des Kartellrechts in Kraft, die es dem Bundeskartellamt künftig ermöglichen sollte, gegen mißbräuchlich überhöhte Preise der Strom- und Gaskonzerne vorzugehen. Das Bundeskartellamt richtete daraufhin eine neue Beschlußabteilung ein, um auf dieser neuen gesetzlichen Basis zusammen mit den Landeskartellbehörden die Angemessenheit der Strom- und Gaspreise wettbewerbsrechtlich zu überprüfen.
Die Ölpreise waren unterdessen von Jahr zu Jahr weiter gestiegen. Anfang 2008 überschritten sie sogar die Schwelle von hundert Dollar pro Barrel. Mit diesem beispiellosen Rekordstand war auch die nächste Welle von Gaspreiserhöhungen programmiert. Der Tarifrechner Verivox ermittelte aus diesem Anlaß, daß die 43 größten Gasanbieter ihre Preise allein in den vergangenen drei Jahren um 12,5 bis 45,7 Prozent angehoben hatten. Am teuersten waren im Februar die Stadtwerke Dresden, gefolgt von der sächsischen EnBW-Tochter Enso, den Stadtwerken Leipzig und Duisburg sowie E.ON-Avacon. Am unteren Ende der Preisskala rangierten die EWE, Gelsenwasser, Mainova, entega und Stadtwerke München. Je nach Versorger differierte der Preis für 15.000 Kilowattstunden jährlich um 310 Euro oder um 35 Prozent. Ein weiterer Vergleich, der zum Stichtag 12. Dezember 2007 die Preise für einen Jahresverbrauch von 35.000 Kilowattstunden erfaßte, ergab ebenfalls beträchtliche Differenzen um 338 Euro oder 17 Prozent - je nachdem, ob der Kunde in Berlin oder im nicht allzuweit entfernten Sachsen wohnte.
Im März 2008 leitete das Bundeskartellamt Mißbrauchsverfahren gegen rund 35 Gasversorger ein. Es erprobte damit erstmals den neuen § 29 im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der es den Strom- und Gasversorgern untersagte, von ihren Kunden solche Preise zu verlangen, "die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten". Die Behörde begründete den Verdacht mißbräuchlich überhöhter Gaspreise mit teilweise erhebliche Abweichungen "von 25 bis 45 Prozent und mehr" zwischen den Unternehmen. Eine Reihe weiterer Mißbrauchsverfahren wurde von den Landeskartellbehörden eingeleitet.
In die Mißbrauchs-Untersuchung einbezogen wurde nur die Beschaffungs- und
Vertriebskosten der Unternehmen, die nach Angaben des Bundeskartellamts bei Haushalts-
und Gewerbekunden 55 Prozent des Endpreises ausmachten. Unberücksichtigt blieb
der Rest aus Steuern und Abgaben (29 Prozent) und Netzentgelten (16 Prozent). Die
betroffenen Unternehmen konnten somit kaum noch damit argumentieren, ihre höheren
Preise seien durch Besonderheiten des Liefergebiets gerechtfertigt.